Kapitel 3

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„DU musst gehen", sagte er mit gedämpfter Stimme.

„Wer bist du", fragte ich vorsichtig.

Er musterte mich seltsam und kam dann auf mich zu. In der Hand hielt er ein weiteres Bandana.

Mir wurde schlecht. Er sah angsteinflößend aus, wie er auf mich zu kam.

„Beweg dich nicht", raunte er mir in mein Ohr, als er bei mir ankam.

Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn ich nicht das tat was er von mir verlangte. Er verband mir mit dem Bandana die Augen. Was für eine kranke Scheiße hatte er vor?!

Ich hörte wie er sich mit schweren Schritten entfernte. Soll ich sitzen bleiben?

Wie aus dem Nichts griffen zwei Arme nach mir und hoben mich hoch. Ich kreische auf. Kreischte wegen dem Adrenalin in meinen Adern.

„Psssst", zischte er.

Er ging ein paar Schritte. Alles wackelte und ich hatte kein bisschen Orientierung mehr. Es wackelte noch heftiger weswegen ich davon ausging, dass er Stufen hoch ging. Links dann rechts dann wieder rechts dann links. Ich wusste kein bisschen wo ich war. Trug mich überhaupt der Junge aus dem Versteck? Wo trug er mich hin? Liefen wir im Kreis?

Er stellte mich wieder auf meine Beine.

„In zehn Sekunden nimmst du das Bandana ab und gehst nach Hause! Du machst keine Umwege! Du gehst direkt nach Hause. Wenn deine Mutter wissen will wo du warst, sagst du, dass gestern deine Füße extrem schmerzten und du deswegen bei deiner Freundin geschlafen hast, da sie ja nur 2 Minuten von der Disco entfernt ist! Verstanden?!", raunte er mir zu.

Ich nickte eingeschüchtert.

„Gut, jetzt fang an leise zu zählen", zischte er.

Ich begann leise die Zahlen vor mir her zu murmeln. Mit jeder Zahl wurden die Schritte leiser. Bei zehn nahm ich das Bandana ab. Ich war drei Straßen von Zuhause entfernt, in einer Seitengasse wo mich niemand sah. Verwirrt lief ich los und klingelte an meiner Haustüre.

„Liebes wo warst du?", rief meine Mutter besorgt

„Meine Füße taten gestern so unglaublich weh. Ich habe bei Melanie übernachtet. Sie wohnt ja nur drei Straßen vom Club entfernt", sagte ich leicht verwirrt.

Warum tat ich das? Warum log ich meine Mutter an?

„Wieso hast du nicht Bescheid gesagt? Ich habe mir wahnsinnige Sorgen gemacht", sagte meine Mom erleichtert.

„Im Club hatte ich kein Netz und als ich dann endlich bei Melanie war fiel ich sofort in einen tiefen Schlaf", meinte ich schnell.

„Na gut, hast du Hunger?", fragte sie liebevoll.

„Ein wenig", grinste ich.

„Na komm. Ich wollte gerade einkaufen. Willst du mit?", fragte sie.

„Nein, meine Füße tun noch immer weh", meinte ich, in der Hoffnung sie würde mir glauben.

„Ja kein Problem. Was willst du essen?", fragte sie.

„Bring mir einfach etwas Obst mit", meinte ich müde.

„Du Arme. Total fertig von gestern? Geh am besten in dein Zimmer. Gleich hast du das ganze Haus für dich. Dann kann dich niemand bei deinem Schönheitsschlaf stören", grinste sie.

Ich würde alleine sein? Was wenn der Typ wieder kommt?

„Mama? Ich komm doch mit", meinte ich.

„Quatsch. Leg dich ruhig hin, ich mach das schon", lächelte sie.

„Ja, aber wenn ich hier bin, kann ich mich nicht spontan entscheiden was ich haben will", versuchte ich sie zu überreden.

„na gut, aber heul mir nachher nicht die Ohren voll, dass dir die Füße weh tun", warnte sie mich.

„Jaja wähwäh mach ich schon nicht", lachte ich.

„DU und deine komische Jugendsprache", lachte auch meine Mutter.

Wir gingen ins Auto und fuhren los. Ich schnappte mir einen Einkaufswagen und schob ihn los. Wie ich diese Teile hasste. Ständig lenkten sie in eine andere Richtung und man steuert dagegen und schaut aus wie ein Depp. Meine Mutter lachte mich leise aus. Wie immer halt.

Während sie ihre Einkaufsliste abarbeitete bestaunte ich die Obsttheke. Ich bin in einem wunderschönen Traum. Für mich gibt es nichts Schöneres als Obst!

Ich schnappte mir gefühlte tausend Sorten Obst und legte sie in den Wagen. Als ich aufblickte sah ich gerade jemanden in einen Gang verschwinden. Es war definitiv ein Junge gewesen. Er hatte sich ein Bandana um das Handgelenk gebunden und trug Handschuhe. Ich könnte schwören, dass es der Typ war. Panisch schob ich den Wagen vor mir her und lugte vorsichtig um die Ecke. Hier war niemand.

„Hey Schätzchen? Was ist los?", fragte meine Mutter auf einmal.

„ehm...nichts...ich dachte nur ich hätte jemanden gesehen", murmelte ich.

„Ist meine kleine Prinzessin verliebt?", flüsterte sie in mein Ohr.

„Mom! Nein. Selbst wenn.", sagte ich schnell.

Als dann unser Wagen kurz vorm Zusammenbrechen war gingen wir zur Kasse. Ich sah jemanden den Laden verlassen. Die weinrote Jacke hatte er über den Kopf, obwohl es locker 23° waren. Dazu war er derjenige mit Bandana und Handschuhen.

Das war doch der Kerl von heute morgen!

„Jetzt hör mal auf mit deinen Finger auf dem Wagen herum zu trommeln! Du machst mich ja ganz nervös", meckerte meine Mutter.

„Hää was?", fragte ich verwirrt.

Meine Mutter zog einfach meine Hände vom Wagen weg.

„Du schläfst dich daheim erst mal richtig aus. Du bist total neben der Spur", meinte sie.

„Ehm ja. Ok", meinte ich abwesend.

Ich blickte wieder zum Ausgang, aber der Junge war weg. Vielleicht war er auf dem Parkplatz. Ich suchte den ganzen Platz mit meinen Augen ab. Am Fenster direkt mir gegenüber entdeckte ich ihn dann.

Er hatte eine Sturmmaske bis unter die Augen gezogen und starrte mich an. Mir wurde richtig schlecht.

Bevor ich ihn genauer anblicken konnte drehte er sich um und schon war er weg.

Daheim legte ich mich wieder ins Bett.

Hatte ich mir eingebildet ihn zu sehen? Habe ich geträumt? Was ist wahr und was ist falsch?

Ich fiel in einen unruhigen Schlaf. Seine Figur tauchte überall auf. Jedes Mal wenn ich mich umdrehte sah ich ihn irgendwo. Das Gruselige daran war, dass ich ihn nicht nur in meinen Träumen sah.

Wer bist du?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt