Mein Blick schoss ungläubig nach oben und meine Gabel, mit dem Fisch darauf, gefror mitten in der Bewegung. „Das hast du nicht getan." Keuchte ich. „Das hast du nicht ernsthaft getan."
Um Bones Lippen spielte ein zufriedenes Lächeln, als er sich zurücklehnte und an seinem Wein nippte. Endlich hatte er es geschafft. Endlich hörte ich ihm zu. Endlich ließ ich mich auf ein Gespräch ein. Die letzte halbe Stunde hatte ich damit zugebracht, zu essen und ihn einfach zu ignorieren. All seine Versuche mich in ein Gespräch zu verwickeln, ließ ich gekonnt im Sand verlaufen. Bis jetzt. Bis er damit anfing Familiengeschichte von sich zu erzählen. Ab da hatte er meine komplette Aufmerksamkeit. Wie hätte ich das auch überhören können?
„Doch hab ich." Er drehte das Weinglas zwischen den Fingern und hielt meinen Blick stand. In seinen blaugrünen Augen fand ich nicht den leisesten Anflug von Scham. „Du kannst meine Schwester fragen. Sie wird's dir bestätigen."
Langsam legte ich meine Gabel zurück auf den Teller. Das Essen war in Vergessenheit geraten und ich konzentrierte mich ganz auf Bones. „Mich wundert's, dass sie dich nicht umgebracht hat. Ich an ihrer Stelle hätte es getan. Wenn mir der eigene Bruder die Hochzeitsfeier versaut, wäre ich komplett ausgetickt."
„Ist Conny auch. Sie hat mir das Kuchenmesser von der Hochzeitstorte entgegengeschleudert."
„Leider hat sie nicht getroffen." Murmelte ich, hin und hergerissen zwischen dem Bedürfnis zu Lachen oder über Bones Dummheit den Kopf zu schütteln.
„Das verdank ich nur meinen guten Reflexen." Seufzend fügte er noch hinzu. „Conny hat ein Faible für Messer."
„Das gefällt dir nicht." Stellte ich fest und trank jetzt ebenfalls einen Schluck von meinem Weißwein.
„Sie ist sehr temperamentvoll." Bones stockte, schüttelte seinen Kopf und fuhr fort. „Ein falsches Wort und sie explodiert förmlich. Wenn man nicht aufpasst, hat man ziemlich schnell ein Messer in der Kehle. Keine Ahnung wie André sie kontrollieren kann. Es ist bemerkenswert."
„Du nennst es temperamentvoll, dass sie ein Messer nach dir wirft?" Ungläubig Lachte ich auf. „Du bist auf ihrer Hochzeit ohne etwas am Leib durchs Festzelt geflitzt, weil du eine verdammte Wette verloren hast. Glaub mir, ich kann es ihr voll nachempfinden."
Augenverdrehend leerte er sein Wein und winkte danach einem Kellner zum Nachschenken. Nachdem sein Glas wieder gefüllt war, wandte er sich mir erneut zu.
„Warum bin ich eigentlich immer der Schuldige?" Fragte er verstimmt. Doch das amüsierte blitzen in seinen blaugrünen Augen strafte seinem Tonfall lügen. „André, der nur ganz nebenbei der verfluchte Bräutigam gewesen war, hat auch seinen Teil dazu beigetragen. Er war es doch, der die Wette und die Einsätze vorgeschlagen hat."
„Und du bist drauf eingegangen." Sprach ich das offensichtliche aus.
Einige Sekunden schauten wir uns nur stumm an. Dann warf Bones ergeben die Arme hoch. „Okay, okay, ich sehe schon, ich renne gegen eine Wand. Was hältst du also von Waffenstillstand und Dessert?"
„Und du willst ein Gangsterboss sein?" Belustigt lehnte ich mich nach vorne und stützte mich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab. „Du gibst viel zu einfach auf. Zeig mal mehr Biss."
Wie ein Spiegelbild ahmte Bones meine Bewegung nach. Weniger als ein halber Meter trennte uns jetzt noch voneinander. Deutlich konnte ich den blonden Bart auf seinen Wangen und seinem Kieferknochen sehen. Ob er sich auch so rau unter meinen Fingern anfühlen würden, wie er aussah?
„Ich soll dir mehr Biss zeigen?" Etwas raubtierhaftes lag in Bones Blick, während er mir die Frage stellte. „Bist du dir da ganz sicher?"
Plötzlich lag eine gewisse Spannung in der Luft und ließ mich schwer schlucken. Ich hatte das Gefühl, als würde Blitze zwischen uns hin und her springen und mir direkt unter die Haut gehen. Mein Körper kribbelte vom Haaransatz bis zu den Zehen und mit einmal fühlte sich der Raum stickig heiß an. Zittrig holte ich Luft, während meine Finger sich in die Serviette krallten, bis sie weiß waren. Verdammt, was passierte hier gerade? Was passierte mit mir? Warum spürte ich beim Anblick dieser blaugrünen Augen so ein komisches, verlangendes ziehen im Magen? So etwas hatte ich in meinem ganzen Leben bisher bei keinem anderen Mann erlebt – und ich war immerhin schon vierundzwanzig Jahre alt und hatte bereits unzählige Männer getroffen.
Mit einem breiten, verschlagenen Grinsen verringerte Bones den Abstand zwischen uns. „Was ist? Hat's dir die Sprache verschlagen?"
„Mir? Nein. Ich find es nur unsinnig auf eine so dämliche Frage zu antworten." Gab ich spitz zurück, griff nach meinem Weinglas und nippte an dem guten Tropfen. Ab da an hüllte ich mich für das restliche Essen in Schweigen. Selbst Bones Familiengeschichten holten mich nicht mehr aus der Reserve.
Schweigend aßen wir daher unsere exzellente Crème Brûlée und machten uns schließlich auf die Heimfahrt. Der schwarze Wagen schlängelt sich ohne Probleme durch die dunklen Straßen und hielt schließlich vor meinem Wohnhaus.
Das Licht einer Straßenlaterne beleuchtete den Gehweg vor meiner Autotür. Ohne ein Blick auf meinen Sitznachbarn zu werfen, öffnete ich die Tür und machte mich dran auszusteigen, als ich am Arm gepackt wurde.
Widerwillig drehte ich mich zu Bones um, dessen Berührung meine Haut zu verbrennen schien. Sein Gesicht lag im Schatten. Nur seine blaugrünen Augen konnte ich sehen und den entschlossenen, hungrigen Ausdruck in ihnen. Mit einmal war er mir ganz nahe. Seine Lippen berührten die meinen, strichen leicht über sie, ehe sie fordernder wurden.
Völlig überrascht von ihm, ließ ich es geschehen. Mein Körper übernahm die Führung und gab sich der Leidenschaft hin. Seufzend ließ ich mich in seine Arme fallen, schmiegte mich eng an ihn und krallte mich in seine Schultern. Als seine Zunge über meine Lippen glitt und um Einlass bat, gewährte ich es ihm. Sofort nahm er meinen Mund in Besitz und ich verlor den letzten Rest meines Verstandes. In diesem Moment war ich Wachs in seinen Händen. Er hatte die komplette Macht über mich. Ich war nicht in der Lage, mich in irgendeiner Hinsicht gegen ihn zu wehren.
Nach Minuten – es könnten auch Stunden gewesen sein, - gab Bones mich schließlich frei. Als er auf Abstand ging, rangen wir beide um Luft.
Man, das gerade war... wow... echt unglaublich gewesen, schoss es mir durch den Kopf, als sich mein Gehirn wieder einschaltete. Gleichzeitig wurde mir aber auch bewusst, dass es nie hätte passieren dürfen. Ich war doch für Bones nichts weiter als eine Kuriosität. Das hatte er selbst zugegeben. Sobald ich ihm verfallen würde, wäre sein Interesse an mir verschwunden.
Wütend über ihn und mich selbst, tat ich etwas, das mich selbst wahrscheinlich am meisten überraschte. Ich holte mit meiner rechten Hand aus und klatschte sie Bones ins Gesicht. Laut hallte die Ohrfeige in der Stille des Wagens nach.
Schnell wandte ich mich ab und sprang aus dem Wagen. Dabei spürte ich die überraschten und verwirrten Blicke von Bones und den beiden Typen im Frontteil des Autos unangenehm im Rücken.
So eilig, wie ich es sonst selten hatte, hastete ich über den Gehweg zur Haustür, schloss sie auf und rannte geradewegs die Treppen hinauf bis zu meiner Wohnung im vierten Stock. Kein einziges Mal, sah ich mich um. Erst als ich die Tür hinter mir abgesperrt hatte, konnte ich wieder klarer denken. Mir stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, als mir die Konsequenzen meines Handelns von gerade eben klar wurden. Meine Kniee gaben nach, ich rutschte an der Wohnungstür hinab und schlug die Hände vors Gesicht. Oh mein Gott, was hatte ich getan?
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Er will sie
RomanceEr will sie? Als Pfand?! Liana ist entsetzt! Aber egal was sie tut, Bones lässt nicht locker. Er dringt in ihr Leben ein, stellt alles auf den Kopf und macht keine Anstalten, je wieder zu verschwinden. Stück für Stück kommt er Liana näher, überwind...