1. Sie ist wirklich hier

2.9K 15 10
                                    

Das ganze Zimmer ist geschwängert mit ihren Düften. Gefüllt mit dem Parfüm, das sie aufgetragen hat. Dem Geruch nach Straße, auf der sie eben noch entlanglief. Dem Geruch ihrer unersättlichen Geilheit – aber das werde ich erst später so richtig reflektieren. Vor allem aber: mit Adrenalin. Mit Adrenalin, das aus jeder Pore ihres Körpers strömt, das sich mit jedem ihrer stoßweisen Atemzüge im Zimmer verteilt. Atemzüge sind fast zu viel gesagt, es hört sich an wie bei einer altersschwachen Dampfmaschine. Sie pumpt Luft in sich hinein und presst sie wieder heraus. Stoßweise. Aber langsam, ganz langsam normalisiert sich ihr Atem.

Die Zeit steht still. Gefühlt eine Unendlichkeit lang steht sie bereits in der Ecke des Zimmers. Gesicht zur Wand, Augen geschlossen. Hände hinter dem Rücken verschränkt. Füße hüftbreit auseinander, Schultern an die Wand gelehnt.

Mittlerweile habe ich keine Befürchtung mehr, dass sie mir vor Aufregung kollabiert. Und so sitze ich in meinem Sessel, keinen Meter von ihr entfernt und schaue ihr still zu, wie sie dasteht. Noch ist ihr Körper verhüllt von Kleidung. Aber bereits jetzt lassen sich ihre wundervollen Proportionen erahnen. Ich gebe ihr Zeit, sitze einfach nur voller Vorfreude da und genieße ihren Anblick. Wie ihr Körper sich im Rhythmus des Atems bewegt. Wie unwillkürliche kleine Bewegungen durch ihren Körper laufen, die offensichtlich äußere Spiegelbilder ihrer inneren Gedanken sind, die gerade Sturm laufen. Wie sie sich langsam immer bewusster wird, dass sie es tatsächlich getan hat.

Bis vor wenigen Minuten war sie wie alle anderen, war sie „normal". Gut, sie hatte sich schon seit einer ganzen Weile mit der Welt von Dominanz und Unterwerfung beschäftigt. Geschichten gelesen. Videos geschaut. Sich ausgemalt, wie es wohl sein würde, sich einem Mann wirklich zu unterwerfen. Gechattet. War bisher aber stets nur in Gedanken unterwegs gewesen.

Nun aber hat sie den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Sich wirklich und wahrhaftig auf den Weg gemacht. Nun steht sie mit geschlossenen Augen und verschränkten Händen in einem fremden Zimmer vor einem fremden Mann. Vor mir. Sie weiß nicht, wie das Zimmer aussieht. Weiß nicht, wie ich aussehe. Weiß nur, dass sie jetzt hier steht, in einer Ecke. Dass sie vor der Zimmertür oder bereits früher ihren Willen zurückgelassen hat und sich mir ausliefert. Weiß, dass es genau das ist, was sie will. Weiß, dass die Zimmertür nicht abgeschlossen ist und dass ich sie nicht am Gehen hindere werde. Weiß, dass sie genau hier sein will, dass sie nicht gehen wird. Weiß, dass sie diese neue Welt betreten hat und sie erkunden will. Mit mir als ihrem Fremdenführer. Als ihren neuen Begleiter. Und als viel, viel mehr als das: als ihrem Herrn.

Der AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt