Aussprache

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„Hast du dich beruhigt?", frage ich Wincent, als ich zurückkome und er in meiner Leseecke sitzt und die Menschen auf den Gehwegen beobachtet. „Ich wollte dich nicht so darstellen, nicht..-" „Nicht wie eine Schlampe?", beende ich seine Gedanken mit einer nach hochgezogenen Augenbraue. „Das wollte ich nicht sagen, das weißt du", rechtfertigt sich Wincent sofort sanft. „Wir waren zwei Jahre lang getrennt, was hast du denn erwartet? Dass ich auf Sex verzichte? Du hast sicher selbst mit genug Frauen geschlafen, aber ich bin die Blöde", beschwere ich mich dann und ich erkenne ein leichtes Nicken. 

„Mit dem Unterschied, dass ich dich immer gelieb hab und es bei mir nicht gleich fünf Typen waren. Typen, mit denen du zu tun hast", entgegnet mir Wincent ernst, doch da werde ich erst recht wahnsinnig. „Und ich dich wohl nicht, oder was?", rufe ich aufgeregt und er scheint einzuknicken, doch ich muss noch etwas loswerden, „Und zum Mitschreiben, es waren mehr als fünf Typen. Da kommen noch ein paar Unbekannte auf die Liste." „Unbekannte?", ruft Wincent entsetzt und ich verdrehe meine Augen. Weil er auch so heilig war. „Sag mal, wie war das bei dir nochmal? Die Frau in Paris.. wie gut kanntest du die?", hake ich schließlich herausfordernd nach.

„Okay", seufzt Wincent endlich ruhig und scheint es verstanden zu haben, „Es waren nur sie und zwei Frauen, die ich im Urlaub kennengelernt hab, also in unterschiedlichen Urlauben. Also so gesehen auch fremde Frauen." „Und wie ernst war es dir?", frage ich weiter. „Nie ernst genug. Die zwei Frauen waren nur ein Urlaubsflirt. Mit der Frau, die ich in Paris getroffen habe, habe ich öfters geschrieben, aber als klar war, dass es weitere Treffen zu auswendig sind, war auch das vorbei." „Wieso kann ich es kaum glauben, dass du nur mit drei Frauen Sex hattest? Dafür ist dir doch Sex viel zu wichtig", überlege ich und er lacht leicht, was mein Herz erwärmt. 

„Stimmt. Aber du bist mir noch viel wichtiger. Ich hab immer nur an dich gedacht. Das hat die Treffen mit anderen Frauen auch erschwert", gesteht er mir ruhig, so dass ich mich neben ihn auf die Couch setze und meine Hand auf seine lege. „Es ging mir ähnlich, ehrlich. Drei Flirts im Urlaub, die nichts zu bedeuten hatten. Carlo, Leon und Moritz als einmaliger Ausrutscher, was nichts zu bedeuten hatte. Tommi und ich haben uns ein paar Mal getroffen und auch das hatte nichts zu bedeuten. Aber zwischen Álvaro und mir war wirklich mehr", gebe ich zu und hoffe, dass er ruhig bleibt, „Wir waren nicht zusammen, aber wir haben ein paar Wochen zusammen in Madrid verbracht." „Was hat euch davon abgehalten, länger zusammen zu sein?", hakt Wincent nach. 

„Du. Álvaro wollte mehr, er hat es ziemlich ernst mit mir gemeint. Ich mochte ihn, aber eben nicht genug, dass es annähernd an die Gefühle rankommt, die ich für dich entwickelt hab. Ich war wütend und frustriert, als ich gegangen bin und hab das so rausgelassen. Es tut mir leid, wenn ich dich damit verletzt habe." „Eigentlich.. Klar, verletzt es mich, zu hören, dass dich ein anderer berührt und da ist es eigentlich auch egal um wen es geht. Und die Zahl sollte ohnehin egal sein, dafür werdet ihr Frauen sowieso immer anders angeschaut als Männer. Aber der Gedanke, dass du bei einem anderen warst, auch wenn wir getrennt waren, zerreißt mich trotzdem", gesteht Wincent mir plötzlich mit brüchiger Stimme und ich beuge mich weiter vor zu ihm, nehme ihn in den Arm, „Als wir zusammen waren, da hatten wir beide nur einen Partner vor uns. Ich hab das Gefühl, du hast die Welt neu kennengelernt und das ohne mich." 

„Nein, Wince, das Gegenteil ist der Fall. Ich habe mit dir zusammen die Welt kennengelernt und sie ohne dich verflucht. Aber du hast damit Recht, dass es einen Unterschied macht, ob wir damals frisch zusammen waren oder jetzt nach so langer Zeit wieder. Damals hatten wir noch keine Streitereien oder eifersüchtigen Momente erlebt und es gab wenig andere Männer und Frauen in unserem Leben, die wir als Konkurrenz betrachten könnten. Jetzt haben wir mehr erlebt und mehr Leute kennengelernt, aber das ist doch für uns keine Herausforderung. Vertrauen war nie ein Problem zwischen uns. Und nur weil wir mal mit anderen geschlafen haben, als wir nicht zusammen waren, würden wir das doch jetzt nicht machen, wenn wir wieder zusammen sind", philosophiere ich und verliere mich und meine Gedanken dabei etwas, doch Wincent nickt überzeugt. 

„Du hast Recht. Das Problem waren nie die anderen. Das Problem war die Angst, die wir uns selbst eingeredet haben. Ich verspreche dir, dass ich das nicht mehr zulasse und wir zusammen immer an uns arbeiten können, Katy", flüstert Wincent emotional und ich nicke, merke schließlich, dass mir Tränen an meiner Wange herunterfließen. „Ich hatte so Angst dich in dem ganzen Trubel zu verlieren und habe es selbst so weit kommen lassen. Das wird nicht mehr passieren. Wir sind ein Team."


„Wieso bist du eigentlich Rafi so entspannt?", hake ich dann interresiert nach, als wir zusammen auf der Couch liegen und den Moment genießen. „Wir haben gestern bisschen über dich geredet. Er will echt nur, dass dich keiner verletzt und ist da mehr wie ein großer Bruder zu dir." „Ich finde es ja spannend, dass wir Menschen immer eifersüchtig sind, wenn andere was machen, egal wie unser Partner reagiert", schweife ich dann etwas ab, „Ach und dass ich den Orgamus vorgetäuscht habe betrifft auch nur den Sex mit meinem Ex vor dir." Er hätte sich noch den Kopf darüber zerbrochen. „Puh, da bin ich beruhigt. Du hast mir gestern echt einen Schrecken eingejagt." „Du mir auch, als ich gehört habe, dass du wegen einer anderen Frau extra nach Paris fliegst", werfe ich ihm gespielt beleidigt zurück, lache aber dabei. 

„Kein Grund eifersüchtig zu sein, Schatz. Gestern Nacht hab ich dir doch gezeigt, dass ich nur bei dir sein will", entgegnet mir Wincent aber mit tiefer Stimme und dreht meinen Kopf zu sich. „Das war gestern Nacht", flüstere ich aufgeregt, auch wenn ich mir denken kann, was gleich passiert und doch ist es jedes Mal auf's Neue unglaublich schön, ihm so nahe zu sein. „Na wir können es auch gerne wiederholen", haucht er genauso angetan zurück und packt meinen Nacken, um mich an sich zu sich ziehen. 

GRENZENLOS II WINCENT WEISSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt