Wiedersehen

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Wincent

kannst du bitte meine Anrufe mal annehmen?

oder mir per Nachricht antworten?

Katy

nein

bitte

man, was willst du?

wieso sollte ich dir ausgerechnet jetzt

entgegenkommen?

weil ich mit dir reden will

wir haben geredet

also mir hat das gereicht

du weißt was ich meine

kann ich bitte vorbeikommen?

jetzt willst du auch noch vorbeikommen?

Katy bitte

Ich will das nicht so enden lassen

du weißt wie ironisch das ist, oder?

mir egal wie das ist

hauptsache wir reden

wenn du mich danach in ruhe

lässt, von mir aus


„Hey", begrüßt mich Wincent vorsichtig, als ich ihm die Türe zu meiner, ehemals unserer, Wohnung öffne. „Hey", meine ich ich monoton und merke, dass mich seine Anwesenheit doch mehr verunsichert als gedacht. Wincent streckt seinen Arm und will mich wohl umarmen, also drehe ich mich schnell um und gehe zurück in die Wohnung. Ich habe keine Ahnung wie ich das überstehen soll. 

„Wenn du was zu trinken möchtest, du kennst dich ja aus", spiele ich an und er nickt, nimmt sich schließlich ein Glas Wasser. Ich setze mich im Wohnzimmer hin und beobachte ihn wie er sich gegen den Esstisch lehnt. Seit dem letzten Event sind seine Haare wieder gewachsen und er hat sich bisher nicht weiter rasiert. Ich frage mich, ob er das bewusst gemacht hat, weil er weiß, dass es mir so besser gefällt, oder ob es einfach Zufall ist. 

„Es tut mir leid, dass ich nicht mit dir gesprochen habe", gesteht mir Wincent schließlich und ich nicke skeptisch. Na wenn's nur das gewesen wäre. „Das hättest du mir auch schreiben können", merke ich genervt an. „Ich war einfach zu sehr beschäftigt damit, mich im Studio mit unserer Situation auseinanderzusetzen", will sich Wincent rechtfertigen, doch da lache ich frustriert auf. 

„Du sagst es. Mit unserer Situation. Du hast mich nämlich mit unserer Situation nicht nur komplett alleine gelassen, sondern warst die Person, die mich in dieser Zeit am meisten verletzt hat. Egal wie schwach mein Körper noch war, nichts hat mich so sehr verletzt wie deine Kälte und emotionale Abwesenheit", stelle ich bestimment klar. 

„Katy, ich.. Ich wusste nicht wie ich dir helfen kann, okay? Ich wusste ja nicht einmal wie ich mir selbst helfen kann. Das alles was passiert ist.. Das war so ein auf und ab. Wir waren endlich wieder zuammen und hätten etwas haben können von dem wir beide lange geträumt haben, doch das wurde uns genommen." 

„Das schlimmste an der Situation ist mittlerweile, dass du nicht einmal einsiehst, dass eine einfache Umarmung so viel hätte ändern können. Ich habe versucht, mit dir zu reden, doch du hast abgeblockt. Was denkst du denn wie es mir dann bitte ging, wenn ich noch zusätzlich die körperlichen Beschwerden hatte? Dir kann es wohl kaum entgangen sein, dass ich ohne Schmerztabletten nicht einschlafen konnte." 

„Ist es nicht", murmelt Wincent schuldbewusst und reibt sich seine Schläfen mit den Fingern, „Ich war zu feige, mich der Situation zu stellen und dir zu helfen und dafür entschuldige ich mich ehrlich aufrichtig. Du bist alles für mich, Katy, und ich hätte dich auch so behandeln müssen." „Danke", meine ich dann einfach nur, denn auch wenn seine Einsicht spät kommt, kommt sie doch überhaupt und auch das muss man würdigen. 


„Wie kann ich es wieder gut machen?", fragt mich Wincent schließlich, da lege ich meinen Kopf in meine Hände, um die erste Träne abzufangen. Ich kann der Situation einfach nicht mehr standhalten. „Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt je will, Wincent." „Das heißt, du liebst mich nicht mehr?", schlussfolgert er mit brüchiger Stimme und sieht mich an, als hätte ich ihm das Herz rausgerissen. 

„Das heißt in erster Linie, dass ich nicht weiß, ob ich das nochmal durchmachen kann", seufze ich und stehe auf, um mir ein Glas Wasser und meine Medikamente zu nehmen, „Ich dachte lange Zeit, dass die Trennung damals das schlimmste war, was je hätte passieren können, aber was jetzt passiert ist, hat mich fertig gemacht." „Sind das-", beginnt Wicnent besorgt mit Blick auf meine Tabletten und ich weiß, dass er sich fragt, ob das Antidepressiva sind. Da schüttele ich schwach den Kopf. 

„Nein. Ich muss die Tabletten nehmen, um meinen Hormonhaushalt zu stabilisieren." „Noch so lange?", wundert er sich. Tja, es sind mittlerweile drei Monate vergangen. „Das dauert sehr lange. Marlen rechnet mit einem Jahr bis sich mein Körper davon erholt hat. Deshalb soll ich ja in dieser Zeit auch nicht planen, schwanger zu werden. Hat sich ja sowieso erledigt", meine ich und kann mir den letzten Kommentar doch nicht verkneifen. Eigentlich war Wincent immer derjenige, der unbedingt früh Kinder wollte. Aber nicht zu wissen, dass mein Körper nicht mitzieht, wenn ich das möchte, frustriert mich. 

„Katy, ich.. ich hatte keine Ahnung", haucht Wincent und scheint die Ernsthaftigkeit und den Unterschied zwischen seiner und meiner Situation endlich zu verstehen, „Ich kann mich nur wieder entschuldigen. Ich weiß, dass das zu spät kommt, aber gibt es irgendwas, das ich noch für dich tun kann? Es geht hier um etwas, das uns beiden zugestoßen ist, und du hast die Konsequenzen alleine dafür getragen. Lass mich bitte wenigstens jetzt meinen Anteil an Verantwortung übernehmen." 

„Selbst wenn ich bereit wäre und wollte, das würde jetzt nichts mehr nützen", lehne ich aber guten Gewissens ab, „Ich lerne gut, damit umzugehen und mein Körper muss sich noch erholen, aber das dauert Zeit. Da kann man nichts machen. Aber danke für dein Angebot.. trotz der Trennung." „Ich wollte keine Trennung", kommt er nun auf dieses Thema zu sprechen und ich sehe ihn vorsichtig an. „Das klang in dem Interview anders. Du hast mit einem Satz in der Öffentlichkeit alles weggeschmissen, was zwischen uns war." 

Jetzt klinge ich schon vorwurfsvoll, einfach weil ich ausgerechnet diesen Akt am wenigsten verstehen konnte. Ich habe nur gelernt, die Tatsache zu akzeptieren. Wincent nickt und verzieht sein Gesicht, sieht mittlerweile selbst so aus, als würde er gleich weinen. Egal was zwischen uns war, sein Blick nimmt mich trotzdem mit also gehe ich einen Schritt auf ihn zu und lege meine Hand auf seine, die er auf der Ablage abgelegt hat. 

„Ich kann es dir nicht erklären. Ich schäme mich dafür aber ich weiß selbst nicht was ich mir dabei gedacht habe statt einfach mit dir zu reden. Du warst nicht mehr da und ich war nur noch wütender auf mich selbst und dachte wohl, dass es besser ist, selbst einen Schlussstrich zu ziehen, damit du nicht noch länger leidest." Ich nicke langsam. 

Egal wie sehr es mich noch verletzt, ich verstehe ihn, trotz allem. „Wenn du jetzt wirklich keinen Kontakt mehr zwischen uns möchtest, kann ich das verstehen", meint er dann einsichtig mit Bezug zu meiner Reaktion vom Event. Allein die Tatsache, dass er meiner Entscheidung jetzt nicht im Weg stehen möchte oder mich zum Kontakt überreden möchte, zeigt mir, dass er jetzt weniger an sich und mehr an mich denkt. Ich schüttle langsam meinen Kopf, weiß aber auch nicht, wie es konkret weitergehen soll. 

„Lass uns einen Neustart probieren", schlage ich also vor und sehe ihn abwartend an. Wincent scheint zu überlegen, was ich damit wohl genau meinen könnte, aber nickt erstmal. „Alles was du willst. Und wenn es dir zu schnell geht, dann sagst du es mir, bitte", stimmt Wincent sanft zu und wir deuten die Körpersprache des anderen so, dass wir uns leicht umarmen. 

GRENZENLOS II WINCENT WEISSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt