Kapitel 6 | Hoffnungslos (2)

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POV Thomas

Ich wollte gerade den entscheidenden Schnitt setzen, als der jüngere Sanitäter zur Tür herein kam und mich ansah. Als er mein Vorhaben bemerkte, streckte er langsam seine Hand in meine Richtung aus.

P: "Thomas hey, du musst das nicht machen. Gib mir die Scherbe, bitte"

T: "was hält mich denn noch auf der Welt?!"

P: "was meinst du?"

Nun wollte und konnte ich nicht mehr stark sein, ich sank einfach schwach zu Boden, weinte mir die Seele aus dem Leib und lies die Scherbe fallen, bevor alles nur aus mir heraus platzte.

T: "jeder hasst mich...selbst ich hasse mich...ich kann einfach nicht mehr...zu lange war ich stark...ich will doch einfach nur noch weg von hier...!"

Ich weinte stark in meine Hände, bis ich zwei Arme spürte, die sich sanft und liebevoll um meinen Oberkörper legten. Eine Hand strich behutsam meinen Rücken, die andere schmiss die Scherbe in die Ecke und zum ersten Mal erfuhr ich, was ein liebevoller Umgang ist und wie es ist, von Wärme umgeben zu sein.

P: "du musst nicht mehr stark sein. Egal was es ist, ich werde dir helfen"

Wir verharrten so einige Minuten, wenn nicht sogar fast eine halbe Stunde, bis ich mich langsam aufrichtete und mit verquollenen Augen in das Gesicht des Sanitäters sah.

T: "Herr Stehling, oder?"

P: "nenn mich Philipp. Das reicht komplett aus"

T: "Philipp...du musst mir nicht helfen...ich habe die letzten 17 Jahre keine Hilfe bekommen, von niemanden..."

P: "erzählst du mir, wieso du so großen Kummer hast? Was dich seit Jahren bedrückt?"

T: "das bringt doch nichts...außerdem nicht hier..."

P: "okay Thomas, nach der Schule im Stadtpark?"

T: "was?"

P: "ich würde dir gerne zuhören und versuchen, dir zu helfen"

Also nickte ich, ihm zuliebe und kam nach der Schule in den Stadtpark, wo er mit zwei Döner auf einer Bank wartete, also setzte ich mich zu ihm.

T: "war der Erste Hilfe Kurs so anstrengend, dass du zwei Döner brauchst?"

Philipp lachte leicht, doch schüttelte dann den Kopf.

P: "einer ist für dich, ich hoffe du isst Döner"

Ich nickte und nahm den dankend an, bevor wir beide dann essend nebeneinander saßen.

P: "also Thomas, hast du Probleme bei dir zu Hause?"

Er sah mich besorgt an und ich lies langsam den Döner sinken, während ich seufzte.

T: "kann man so sagen...meine Eltern...sind beide Alkoholiker...sie hassen mich und zeigen es mir auch wirklich jeden Tag"

P: "und das auf deiner Wange?"

T: "mein...mein Vater..."

P: "wie oft wurdest du schon geschlagen?"

T: "oft...es gehört eigentlich schon zur täglichen Routine..."

P: "Thomas, das muss ich melden, das weißt du, oder?"

T: "dann muss ich das mit der Polizei regeln und habe nur noch Probleme am Hals. Ich hätte gar nicht erst hier her kommen dürfen..."

Ich stand auf und lief nach Hause, bevor Philipp mich aufhalten konnte. Dort wurde ich schon in Empfang genommen.

Pa: "wieso so spät?? Und wieso riechst du nach Döner?!"

Was dann passierte, hatte ich mir bis jetzt noch nie ausgemalt. Ich wurde von meinem eigenen Vater zusammengeschlagen und misshandelt, bis ich bewusstlos zu Boden fiel.

Wach wurde ich erst, als ich leichte Schläge an meiner Wange und ein leichtes reiben an meiner Brust wahr nahm. Ich blickte blinzelnd auf und glaubte zu träumen, denn Philipp kniete über mir und sprach sanft auf mich ein.

P: "Thomas hey, wach werden. Hilfe ist da"

T: "wie hast du mich gefunden...."

P: "euer Nachbar hat den Lärm bei euch gemeldet und als die Polizei dich hier gesehen hat, wurden Oli und ich gerufen"

T: "meine Eltern..."

P: "von der Polizei abgeführt. Man konnte die Gewalttätigkeit dir gegenüber beweisen"

T: "wie das...."

P: "indem du dich selbst im Spiegel ansiehst"

Philipp half mir zu einem Spiegel, dort erblickte ich mein blaues Auge, die blauen Flecken und die aufgeplatzte Lippe, was mir eine Gänsehaut bereitete.

T: "ich komme doch jetzt ins Heim..."

P: "nein"

T: "was, wieso?"

P: "ich adoptiere dich, also wenn du das möchtest. Ich könnte es mir nicht verzeihen, dich so verletzlich und depressiv zurück zu lassen. Ich hab dich in mein Herz geschlossen"

Ich sah ihn ungläubig an, es gab nun wirklich jemanden, der mich mochte. Jemand der sich wirklich um mich sorgte und von dem ich nicht beschimpft wurde.

Zwei Monate später zog ich frisch bei Philipp ein, der nun das Sorgerecht für mich hatte und der nun meine sensible Seite ertragen musste. In erster Zeit reagierte ich auf fast alle Berührungen und Worte von ihm übersensibel, doch er wusste immer, wie er mich wieder beruhigen und mit mir umgehen musste. Mittlerweile öffnete ich mich ihm meiner Meinung nach schon sehr viel und hasste mein Leben nicht mehr ganz so sehr. Ich fühlte mich endlich Wohl, geborgen und geliebt. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben richtig glücklich, was ich Philipp natürlich auch erzählte.

P: "du glaubst gar nicht, wie sehr mich das freut Thommy. Du bist so ein starker Mensch und nun kannst du endlich glücklich sein"

Damit konnte ich endlich mein Leben genießen und fing nach meinem Abitur und mit frischen 18 Jahren die Ausbildung zum Rettungssanitäter an....

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