Melinda
Ich saß auf meinem gewohnten Platz, ganz hinten am Fenster. Gelangweilt blickte ich mich im Klassenzimmer um. Einige schrieben von der Tafel ab, andere machten Unsinn. Der Lehrer stand vorne und versuchte weiter seinen Unterricht zu machen.
Ich stützte meinen Kopf auf meiner Hand ab. Was würde passieren, wenn ich jetzt einfach losschreien würde? Wie würde die anderen reagieren? Überrascht? Verstört? Würde man mich rausschmeißen?
Irgendwelche Strichmännchen kritzelte ich in meinem Block rein. Sie sahen so aus, als hätte ein kleines Kind sie gezeichnet. Jetzt losschreien würde ich nicht. Aber ich dachte oft über solche Sachen nach.
❝Kann mir irgendjemand diese Frage beantworten?❞, erkundigte sich der Lehrer. Ich könnte, hatte aber keine Lust mich zu beteiligen. Ungern sprach ich vor den Leuten aus meiner Klasse.
❝Melinda, wie wäre es mit dir? Deine schriftlichen Aufgaben sind immer sehr gut bearbeitet❞, wendete sich nun der Lehrer an mich. Es war, als hätte er meine Gedanken gelesen und das Gegenteil getan, von dem was ich wollte.
Ich spürte die Blicke auf mir, hob aber nicht den Kopf. Warum denn gerade ich? Es konnten genauso gut die Klassenclowns mitmachen. Oder die Tussen in meiner Klasse. Irgendjemand anderes, nur nicht ich.
❝Mit der kann man doch eh nicht reden❞, sagte einer, der immer seine Kapuze über den Kopf trug.
❝Genau, die schweigt wie ein Grab!❞, erwiderte ein Junge, den alle total witzig fanden, mit seinen sexistischen Sprüchen.
❝Kein Wunder hat sie keine Freunde❞, meinte das Mädchen, dass immer die Aufmerksamkeit bei den Jungs suchte. Viele lachten leise.❝Leute, also bitte!❞
Das war ein kläglicher Versuch von dem Biolehrer, die anderen davon abzuhalten, weitere Kommentare abzuliefern. Sowas musste ich mir jeden Tag anhören.Früher hatte es mir noch was ausgemacht. Nächtelang hatte ich mich in den Schlaf deswegen geweint und mich in der Klokabine versteckt gehalten. Doch jetzt war es mir scheißegal. Sollten sie doch reden, wenn sie nichts besseres zu tun hatten.
Die Klingel ertönte zur Pause.
Stühle wurden zurückgeschoben. Eilige Schritte waren zu hören. Ich blieb noch eine Weile sitzen, bis niemand mehr im Raum war. Dann stand ich auf und zog mir meine College-Jacke über, die am Stuhl hing.
Mit schwerfälligen Schritten ging ich aus dem Klassenzimmer.Meine Füße trugen mich wie von selbst, zu der Mensa. Dort ging ich eigentlich nie hin, denn da hingen die meisten Schüler rum. Ich wollte nur aus einem bestimmten Grund dahin.
❝Melinda!❞
Am liebsten würde ich mich wieder umdrehen und gehen.
Sie kam lächelnd auf mich zu.
❝Hast du auch so Hunger wie ich?❞, fragte sie mich und blieb vor mir stehen. Ihre dunkelblonden Haare waren in einem hohen Pferdeschwanz zusammen gebunden. Sie trug einen hellblauen Kragenpullover und dazu eine schwarze Jeans.Abwartend blickte sie mich an und klimperte dabei mit ihren getuschten Wimpern. Ich sah an ihr vorbei.
Viele Schüler saßen bereits an den Esstischen. Wie immer waren es dieselben Gruppen, die sich über die Jahre gebildet hatten. Keiner von diesen Freundesgruppen würden so Außenseiter wie mich bei sich aufnehmen.❝Melinda?!❞
Sie trat wieder in mein Sichtfeld und wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum.
❝Alles klar bei dir? Wohin guckst du denn?❞
❝Geht dich nichts an❞, erwiderte ich genervt und ging an ihr vorbei. ❝Warte auf mich!❞
Natürlich, jetzt lief sie mir wie ein Hündchen hinterher. Wann würde sie endlich begreifen, dass ich nicht die war, die sie denkt zu kennen?Ich ließ mich auf einen der hinteren Tische nieder.
❝Schwesterchen, soll ich dir auch was zu Essen holen?❞
Sie stand da und sah mich aus ihren stechend blauen Augen erwartungsvoll an. Ich schüttelte bloß den Kopf.
❝Na gut. Ich komm gleich wieder!❞
Sie ging und ich blieb sitzen.
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I hate everyone except you
Novela JuvenilGefühlskalt. So wird Melinda von den meisten Menschen in ihrer Umgebung beschrieben. Doch es gibt jemanden, bei dem ihr Herz aufgeht. Jemand, der keine Ahnung hat, wie sehr er ihr Leben auf den Kopf stellt. Nick, der scheinbar immer gut gelaunte un...