1. Kapitel - Eine kleine Familie

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"Jim!", lachte ich und fing den stürmischen kleinen Jungen, der gerade auf mich zurannte, mit offenen Armen auf.

"Emma!", schrie er übermütig und drückte mich kurz fest an sich. "Wo ist Dexter, Em?"

Ich setzte den Knaben ab und wuschelte ihm durch die Haare. "Der treibt sich irgendwo hinten im Garten rum. Geh, such ihn doch mal." Ich sah dem Jungen lächelnd hinterher.

Mit einem Seufzen straffte ich meine Schultern und richtete meinen Blick auf den Police Officer, der den Jungen zu mir gebracht hatte.

"Sind Sie die Mutter?", fragte dieser mit einer metallenen Stimme.

Ich musterte argwöhnisch das Gesicht der Maschine. "Nein. Ich bin die Schwester", log ich den Polizeiroboter an. Ich war zwar einige Jahre alter als Jim, aber so alt nun auch wieder nicht. Jim zählte 12 Jahre, ich war 17 Jahre alt.

Dieser schwebte etwas näher zu mir und streckte mir einen Zettel hin. Mit einem leisen Seufzen nahm ich diesen entgegen. "Wir werden das Fahrzeug einziehen."

Ich nickte nur und sah mit nachdenklichem Blick auf den Strafzettel, den ich in Händen hielt. Wieder etwas zu zahlen. Mit einem Winken meiner Hand schickte ich den Polizeibeamten fort. Wieder eine Rechnung zu zahlen. Mit welchem Geld sollte ich nur all das bezahlen? Und ohne das Auto, das der Police Officer eingezogen hatte, würde ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren müssen.

Mit einem leisen Stöhnen vergrub ich für einen Moment mein Gesicht in meinen Händen. James war erst sein ein paar Monaten bei mir. Sein Stiefvater hatte ihn auf die Strasse gestellt, nachdem dieser dessen Auto eine Klippe hinunterfahren liess. Ich hatte kein Problem damit, dass der Junge nun bei mir lebte. Ich liebte ihn wie den Bruder, den ich nie hatte, wie die Familie, die mir fehlte. Und ich wusste, dass auch er in mir seine grosse Schwester sah. Aber ich kam kaum über die Runden. Ich hatte gerade das Studium zur Ärztin begonnen, da stand der Junge auch schon auf meiner Matte. Nun jobbte ich nebenbei in verschiedenen Bars um über die Runden zu kommen.

"Emma!", vernahm ich ein Kreischen aus dem Garten. Ich lächelte, legte den Strafzettel zur Seite, straffte meine Schultern und trat durch die Küche hindurch zu James in den Garten. "Komm, spiel mit uns!" Übermütig kickte der Junge mir einen Fussball zu.

Ich schlüpfte kurz aus meinem Jäcklein und rannte dem Ball entgegen, den ich sofort zu James zurücktrat. Ich lachte, denn Dexter, mein Hund, sprang zwischen uns hin und her und jagte bellend den Ball.

Wir spielten noch eine ganze Weile. Irgendwann wurde es uns zu kalt und wir gingen gemeinsam ins Haus. Ich kochte uns eine einfache Suppe, die ich mit etwas altem Brot und trockenem Fleisch nahrhaft machte und setzten uns auf die alte Couch. Zu irgendeinem Film, den Jim unbedingt sehen wollte, löffelten wir dann in gemütlichem Schweigen die Suppe. Dexter lag neben dem Jungen auf dem Sofa, den Kopf in dessen Schoss gebettet.

"Jim?"

Der Junge sah zu mir. "Ja, Em?"

Ich lächelte und wuschelte ihm kurz durch die Haare. "Ich muss nachher noch arbeiten gehen. Bitte geh früh zu Bett und morgen zur Schule."

Der Junge runzelte trotzig die Stirn. "Ich mag die Schule nicht. Die ist doof."

Ich lachte. "Ich weiss, Jimmy-Boy, aber du musst da hin, du hast es mir versprochen, schon vergessen?"

Theatralisch stöhnte er, warf dabei die Arme in die Luft und verdrehte die Augen. "Ich weiss. Das bereue ich schon die ganze Zeit."

Ich grinste. "Versuch nichts Dummes anzustellen, ja?"

Er nickte. "Ja, Em."

Zufrieden mit mir den Jungen dazu gebracht zu haben, morgen zur Schule zu gehen, löffelte ich meine Suppe weiter. Ich hatte heute eine Spätschicht in einer nahgelegenen Bar. Morgen früh würde ich dann bereits in den Vorlesungen sitzen, wenn Jim erst einmal gemütlich etwas länger schlafen konnte um dann zur Schule zu gehen. Das mit den Rechnungen würde schon irgendwie gehen. Es ging immer.

Sternenliebe - Eine Leonard McCoy FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt