Kapitel 3

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Die sanften grünen Hügel und weiten Täler von Yorkshire lagen im warmen Licht der Abendsonne. Die Luft war klar und rein und das Gras verströmte einen Duft von Sommer. Wilde Kaninchen hoppelten durch die Dales und die Vögel gaben ihr Abendkonzert.
Das mit grauen Schindeln gedeckte Haus aus Natursteinen lag einsam inmitten dieser herrlichen Landschaft. Die Haustür war grün gestrichen, wahrscheinlich erst vor kurzem, so frisch, wie sie aussah, ebenso die hölzernen Fensterläden.

Albus stand ein paar Meter vom Haus entfernt und betrachtete es mit eindeutigem Besitzerstolz. Da war es nun, sein neues Zuhause! Hier konnte er endlich ungestört forschen, lesen, essen, schlafen, träumen. Nichts und niemandem war er hier verpflichtet, außer seiner Arbeit. Eine Arbeit, die er selbst gewählt hatte und an der sein Herz hing.

Er ging langsam um das Haus herum. Hier, an dieser Stelle würde er einen Kräutergarten anlegen. Und dort war genug Platz für ein Gewächshaus. Da hinten würde ein weiteres Gebäude entstehen. Da würde er sein Labor einrichten. Neville Longbottom, ein Schulfreund seines Vaters und Professor für Kräuterkunde, hatte ihm bereits die nötige Hilfe zugesichert und hatte es sich auch nicht nehmen lassen, Ableger und Samen der üblichen sowie seltener magischer Pflanzen zu besorgen. Er war von Albus Berufswahl begeistert und hatte ihm sofort angeboten, ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Dass er sich deswegen mit seinem alten Freund verkracht hatte, nahm er in Kauf.

Harry war nämlich alles andere als begeistert gewesen, als er erfahren hatte dass Neville ihm so dermaßen „in den Rücken gefallen war", wie Harry es ausgedrückt hatte. Er hielt Albus Entschluss, sein Leben der Forschung zu widmen, für dummes Zeug. Hirngespinste, Träumereien und überhaupt, wie wollte er denn bitteschön Geld damit verdienen? Albus hatte versucht, ihm auseinanderzusetzen, dass Apotheken sehr gerne dafür bezahlten, wenn man ihnen medizinische Heiltränke lieferte. Aha. Und wann er denn da noch Zeit für seine Forschung finden wolle, wo er doch tagein, tagaus damit beschäftigt sein würde, diverse Heiltränke herzustellen, um seine Forschung finanzieren zu können? Und wer sich denn um die Pflanzen und Kräuter kümmern würde, während er in seine Arbeit versunken wäre, oder auf Reisen war.

Auf alles hatte Albus eine Antwort gehabt. Natürlich würde er die ganze Arbeit nicht allein bewältigen können, daher hatte er beim Ministerium um Zuteilung eines Hauselfen gebeten, der nicht nur etwas von Haushalt, sondern auch von magischen Pflanzen verstand. Seinem Antrag war stattgegeben worden. Hermine höchstpersönlich hatte einen passenden Hauself für ihn ausfindig gemacht. Albus hatte ihr hoch und heilig versprechen müssen, ihn gut zu behandeln. Harry ging ihr seither aus dem Weg und zeigte ihr die kalte Schulter. Er hatte das Gefühl, die ganze Welt habe sich gegen ihn verschworen. Und da schloss er seine eigene Frau nicht aus.

Ginny hatte sich schneller und besser mit den Gegebenheiten abgefunden. Ihr ging es vor allem darum, dass ihre Kinder glücklich warten und wenn für Albus das Glück in der Forschung lag, dann würde sie dem nicht länger im Wege stehen. An dem Abend, als es wie von Albus erwartet zum großen Krach gekommen war, war sie spätabends in sein Zimmer gekommen und hatte sich an sein Bett gesetzt.

„Bist du wirklich sicher, dass es das ist, was du willst?", hatte sie ihn gefragt und Albus hatte mit heiligem Ernst geantwortet:
„Ja, Mom. Ich kann mir kein anderes Leben vorstellen."
„Gut, wenn das so ist, dann soll es lieber mit meinem „Ja" geschehen als mit meinem „Nein". Ich hoffe nur, dass du nicht irgendwann enttäuscht werden wirst."
„Ich werde sehr oft enttäuscht werden, Mom, jedes Mal, wenn ein Trank misslingt, wenn er nicht das Ergebnis zeigt, dass ich erhofft habe. Aber das gehört dazu. Man lernt aus solchen Fehlschlägen. Dann weiß man, was man beim nächsten Mal anders machen muss."

Ginny betrachtete ihren Sohn, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Wann war er so verständig und erwachsen geworden? Ein jäher Schmerz zuckte durch ihr Herz. Nach James, der allerdings nur ein paar Häuser weiter wohnte und jeden Tag zu Besuch kam, verließ nun auch ihr jüngster Sohn sie und nur Lily würde ihr noch bleiben. Aber wie lange noch? Auch sie würde bald erwachsen sein, das Haus verlassen, heiraten und eine eigene Familie haben. Sie wurden so schnell groß! Viel zu schnell.

Sie riss sich mühsam von ihren traurigen Gedanken los und sagte:
„Ich möchte, dass du mich morgen zu Gringotts begleitest."
Albus sah sie fragend an.
„Warum? Ich krieg doch kein Geld von euch, das hat Dad ja schließlich deutlich genug gesagt."
„Du bekommst von ihm kein Geld, das ist richtig", sagte Ginny und lächelte verschmitzt.
Albus richtete sich auf seine Ellenbogen auf und sah seine Mutter mit großen Augen an.
„Mom, hast du etwas ... ?"
Ginny schüttelte den Kopf und lächelte noch immer.
„Nein, ich nicht, aber du hast."
„Versteh ich nicht."
„Warte ab, du erfährst es morgen."
Dann beugte sie sich zu ihm und küsste ihn auf die Stirn.
„Gute Nacht, schlaf schön. Ich hab dich lieb."
„Ich hab dich auch lieb, Mom. Aber willst du mir nicht sagen, was ..."
Doch Ginny hatte sein Zimmer bereits verlassen.

_ _ _

Am nächsten Morgen waren sie von einem grummeligen alten Kobold - gab es eigentlich auch andere? - zu einem der vielen Verliese der Zaubererbank geführt worden. Als die Tür geöffnet war, fiel Albus Blick auf einen Haufen Galleonen.
„Mannomann", sagte er, „das sind ja mindestens ... Wem gehört das?"
„Dir", entgegnete Ginny und als sie seinen ungläubigen Blick bemerkte, erklärte sie ihm, dass es sich um ein Siebtel des persönlichen Vermögens von Albus Dumbledore handelte.
Albus war irritiert.

„Ich denke, er hat das alles Hogwarts vermacht?"
Ginny bestätigte das, erklärte aber, dass es sich dabei um das Geld und andere Dinge aus seinem Hauptverlies gehandelt hatte. Außer diesem hatte es noch ein weiteres gegeben, eben jenes, vor dem sie jetzt standen. Jahrelang hatte niemand außer den Kobolden gewusst, dass es überhaupt existierte. Erst kurz nach Albus Geburt hatte Ginny einen Brief von der Bank bekommen, in dem um ihren Besuch gebeten worden war. Bei der folgenden Besprechung hatte sie erfahren, dass es ein zweites, bislang geheimes Testament von Albus Dumbledore gab, in dem er dem zweiten Sohn der Potters alles vermachte, was sich in seinem geheimen Verlies befand. Bis zu dessen Volljährigkeit war Ginny zur Treuhänderin bestellt worden.

„Aber wie konnte er denn damals schon von mir gewusst haben?", fragte Albus.
Ginny zuckte mit den Schultern.
„Es gibt wenig, was Dumbledore nicht gewusst hat. Ich hatte während meiner Schulzeit des Öfteren den Eindruck, dass er sehr viel mehr wusste als alle anderen, auch, was die Zukunft angeht. Aber vielleicht hat er auch einfach nur geraten und gehofft, dass Harry mal zwei Söhne haben würde. Ganz sicher werden wir das wohl nie erfahren. Aber in und um Hogwarts hat es ja immer schon Geheimnisse gegeben, das macht den Reiz jenes Ortes aus."

Und so hatte Albus, zum großen Ärger seines Vaters, der bis dato ebenfalls nichts von jenem Verlies geahnt hatte, plötzlich mehr als genug Geld, um sich ein Haus mit großem Grundstück kaufen zu können und alles anzuschaffen, was er für seine Arbeit brauchte.

_ _ _

Albus hörte Lacci im Haus mit dem Geschirr klappern. Der Duft von frisch gebackenem Brot stieg ihm in die Nase und ließ seinen Magen knurren.
Er ging in die kleine Küche.
„Soll ich dir helfen?", fragte er den Hauself, der dabei war, den Tisch für seinen Herrn zu decken.
„Nein, Herr, nicht nötig. Lacci schafft das alleine", gab der Hauself zurück und bemühte sich, nicht zu zeigen, dass die Frage ihn beleidigt hatte. Albus bemerkte es trotzdem.
„Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht kränken."
„Der Herr muss sich nicht bei Lacci entschuldigen."
„Wenn du meinst ..."
Albus begann zu ahnen, dass das Leben mit einem Hauself nicht ganz so einfach und unkompliziert sein würde, wie er sich das vorgestellt hatte.

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