Natürlich gibt es Betrüger. Sobald eine beliebte Person des öffentlichen Lebens sich vor einer neugierigen Kamera mit blanken Armen als unbeschrieben zu erkennen gibt, kommen Leute daher, die behaupteten, sie seien deren passender Gegenpart. Musiker, Angehörige von Adelsfamilien, eigentlich jeder, dessen Name regelmäßig in den Klatschseiten der Zeitungen auftaucht, muss sich in Acht nehmen, bloß jederzeit seine Haut zu verhüllen. Gerade hört Nathan die Plauderei von Kollegen mit, über eine Schauspielerin, die sieben Jahre lang mit einem Betrüger verheiratet war.
Nathan interessiert sich nicht für Berühmtheiten und hat nur im Kontext, nicht am Namen der betroffenen Person erkannt, dass es um jemanden aus dem Fernsehen geht. Aber er muss einfach aufhorchen, wenn es jemand anderem genauso geht, wie es ihm gegangen ist.
Und dann horcht er auf, als es heißt, die Dame habe sich von ihrem Partner getrennt. Nathan kennt selbstredend keine Details. Vielleicht hat sie den Betrug erst aufgetan, als sie die ihr eigentlich seelenverwandte Person gefunden hat.
John sitzt ihm gegenüber und bemerkt sein Interesse für das Gespräch am Nebentisch. Er grinst, zuckt die Schultern. „Verrückt, oder? Sieben Jahre Ehe und dann trennt sie sich, nur weil er nicht für sie vorgesehen ist? Was spielt es für eine Rolle, wessen Name auf ihrem Arm steht, wenn sie ihn liebt?" Nathan schmunzelt zurück. John ist einfach zu aufmerksam. Immer ist er irgendwo in Nathans Nähe und durchschaut scheinbar jeden Gedankengang, den dieser hat. Und dennoch hat das nichts Ungeheuerliches für Nathan, seiner Geschichte mit übermäßiger Aufmerksamkeit zum Trotz. Vielmehr ist es tröstlich, John um sich zu wissen, wachsam, interessiert, und ein bisschen beschützend.
Dann legt er nachdenklich den Kopf schief. Er versteht Johns Anmerkung: Es kommt nicht auf den Schriftzug an, sondern auf das Gefühl. Wenn beides übereinstimmt: wunderbar. Wenn es das nicht tut: vergiss die blöden Buchstaben auf deiner Haut. Oder nicht?
„Vielleicht trennt sie sich nicht wegen der fehlenden Seelenverwandtschaft, sondern wegen der Lüge.", erwidert er, kann sich unter Johns neugierigem Blick nicht stoppen, weiter laut zu denken. „Wenn jemand dich sieben Jahre lang belügt und dir damit womöglich die Chance nimmt, deinem eigentlichen Seelenverwandten zu begegnen, dann musst du dich doch fragen, ob du die Person wirklich liebst, oder ob du es vielleicht nur sieben Jahre lang geglaubt hast."
Johns Mundwinkel, eben noch weit über die Wangen gespannt, sinken langsam zurück an ihren Platz. „Du hast natürlich Recht. Ich habe nicht versucht, mich in ihre Lage zu versetzen." Nathan fragt sich, ob das Mitleid in Johns Blick ihn nur stellvertretend für die nicht Anwesende trifft, oder ob er schon wieder hinter Nathans Maske sehen kann.
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Vorgeschrieben
RomanceDer Name, der auf Johns Arm steht, gehört zu der Person, die für ihn vorgesehen ist. In einer Welt, in der jeder im Laufe seines Lebens seinem Seelenverwandten begegnet, wartet John seit seiner Geburt auf die Begegnung mit Esra. Es kommt ihm nicht u...