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„Ich verstehe, dass du warten willst. Das ist völlig normal. Und du hast ja Recht: Die Chance, dass eine Person in den Dreißigern eine Seelenverwandtschaft zu einem Verwandten oder einem guten Freund ausbildet, ist statistisch gesehen gering. Dass du eines Tages mit einem Nachfahren verbunden sein wirst, scheint auch unwahrscheinlich, da du offensichtlich nicht bereit dazu bist, mit irgendjemandem eine Familie zu gründen. Deine Seelenverwandtschaft wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit die Form einer Partnerschaft annehmen und du bist ein sehr loyaler Mann. Du willst auf die eine, richtige Person warten."

Nathan rattert seine Beobachtungen und Schlussfolgerungen herunter und John muss ihm Recht geben. Genau das ist der Fall – gewesen. Nur dass er (wenn es nach seinen Gefühlen in diesem Moment geht) nicht mehr warten will. Er will, dass Nathan diese eine, richtige Person ist.

„Will ich nicht. Wollte ich immer, dachte ich, aber ich will nur... Ich will nie gewusst haben, dass es sie geben soll und mich einfach von dem leiten lassen, was ich empfinde. Ich will, dass es genug ist, was ich für dich fühle. Aber es wäre immer erst dann genug, wenn da dein Name stünde. Wenn ich wüsste, dass es so vorgeschrieben ist."

Nathan runzelt die Stirn. In dem Moment wird John klar, dass sein Argument nicht sonderlich stichhaltig ist, solange Nathan eine essentielle Information fehlt.

„Und du bist überzeugt davon, dass ich nicht deine Person bin, weil da sonst längst mein Name stünde?"

John beißt sich auf die Unterlippe. Findet, dass die Frage Sinn ergäbe, wäre da nicht... Denn ja, wäre Nathan sein Seelenverwandter, wäre möglicherweise während der Phase ihrer vergangenen Interaktion sein Name auf Johns Arm erschienen und umgekehrt. Weil das eben üblicherweise so funktioniert. Als Unbeschriebener könnte John demnach voreilig schließen, er und Nathan seien nicht füreinander bestimmt, obwohl das Schicksal sich vielleicht nur Zeit ließe. Nur dass er das nicht ist.

John nickt. „Und deswegen kann ich mich nicht einfach darauf einlassen, meinen Gefühlen nachzugeben, verstehst du? Es wäre doch alles bedeutungslos im Lichte dessen, was uns noch bevorstünde. Jeweils mit jemand anderem."

Nathan schüttelt verständnislos den Kopf. „Ich sehe ein, dass es dir bedeutungslos vorkäme, aber woher meinst du zu wissen, dass wir nicht...? Was bedeutet es schon, ob es auf deinem Arm steht. Es ist doch nur wichtig, was in deinem Herzen steht."

John unterdrückt den unpassenden Impuls über den kitschigen Ausspruch zu lachen. Nathan scheint selbst zu merken, dass das, was ihm über die Lippen gekommen ist, klingt wie einem Liebesgedicht entsprungen. Seine Augen weiten sich wie im Schreck und er räuspert sich. „Ich meine...", setzt er an, doch John fällt ihm ins Wort. Es ist nicht fair, Nathan hoffen und argumentieren zu lassen, wo die Wahrheit doch „schwarzer auf weiß" kaum sein könnte.

„Ich weiß es, Nathan. Weil ein anderer Name auf meinem Arm steht."

VorgeschriebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt