seis | JAM²

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Im Konferenzraum angekommen, setzte ich mich auf den letzten freien Stuhl und guckte in die Runde, die nahezu nur aus Männern bestand. Lediglich zwei der sechs Personen waren Frauen. Die eine sah eigentlich ganz nett aus und lächelte mich direkt an. Die andere aber, oho ich glaube die geht zum Lachen in den Keller, wenn überhaupt..

Aber Glück hat sie, da sie nie lacht, kriegt sie bestimmt auch keine Falten... Hm.. Nein.. Lieber faltig und glücklich.

Ich schüttelte gedanklich meinen Kopf und widmete mich wieder der Runde. Da mich alle erwartungsvoll ansahen, ging ich davon aus, es wäre das Beste, wenn ich mich vorstellen würde.

„Hallo zusammen. Ich heiße Avengelyne Miller oder auch gerne Eve und bin 23 Jahre alt. Ich habe vor Kurzem meine Anwaltsprüfung bestanden und freue mich nun hier zu sein. Falls sich welche wegen meines Alters wundern sollten, ich hatte während meiner Highschool-Zeit viel Homeschooling und absolvierte die Klassenstufen dadurch schneller als üblich", ich atmete kurz durch.

„Und nun freue ich mich sehr auf meinen ersten Fall."

Ich sah zu dem Mann, der am Ende des Tisches saß. Wie vermutet ergriff er sofort das Wort.

„Hallo Eve, wenn ich darf. Mein Name ist Toby und ich bin hier der Chef von dieser Abteilung. Unsere Truppe ist recht lustig und du wirst dich bestimmt schnell einleben. Hier mal ein kurzer Überblick. Links neben dir sitzt Marc, rechts von dir Josh, gegenüber von Josh sitzen Janice, Ava und Michael. Mit diesen Leuten hier wirst du zumindest am Anfang erstmal mehr zu tun haben", erzählte er wohingegen ich zeitgleich versuchte mir alle Namen einzuprägen.

Also neben mir Josh und Marc, also mit mir zusammen JAM. Gegenüber von Josh: Janice, Ava und Michael. Haha, also auch wieder JAM. Über diesen Zufall konnte ich nichts anderes tun, als los zu prusten, was mir direkt verwirrte Blicke einbrachte. Ich versuchte mich zu fassen, um sie an meinem Gedankengang teilhaben lassen zu können.

„Naja mir ist nur eben aufgefallen, dass wir (ich deutete auf Josh, mich und Marc) die gleichen Anfangsbuchstaben wie ihr (ich deutete auf die anderen drei). Nur du Toby stichst mit deinem T raus, aber das musst du als Chef ja auch."

Alle bis auf natürlich Janice, ich sag nur Lachfalten, fanden diesen Zufall genauso lustig, wie ich und kugelten sich vor lachen.

Toby bekam sich als erster wieder ein: „So,  dann weihen wir unsere liebe Eve doch mal in ihren ersten Fall ein."

Ich biss mir auf die Lippe, nahm den Stift in die Hand und schlug die erste Seite vom Notizbuch raus. Okay ich war startklar.

„Am 12.07.2021 ging um 03:05 ein Notruf bei der örtlichen Polizei ein. Es war ein anonymer Anrufer, der mit einem Wegwerfhandy anrief und danach untertauchte. Leider konnte ihn das FBI bis heute nicht finden. Okay, also weiter im Text. Der Unbekannte gab an, dass er eine Frau im Club "El deseo" sah, die von zwei Männern von der Tanzfläche nach hinten gezerrt wurde. Der Bereich hinten ist für die Öffentlichkeit gesperrt und nur Mitarbeiter haben dort Zutritt", begann er zu erzählen.

El deseo?! Das konnte ja wirklich nur ein Zufall sein. Das war doch der Club wo ich mit Josie war. Wo ich zu viel getrunken hatte. Seitdem ich die Diamanten vor mir sah. Das war wirklich ein seltsamer Zufall. Kurz schüttelte es mich innerlich, da ich genau in diesen Räumlichkeiten war.

Ich schon die Gedanken zu Seite und hörte Toby weiter zu:

„Laut dem Zeugen, war die Frau augenscheinlich nicht freiwillig mitgegangen, weswegen er die Polizei rief, die direkt kam. Da es sich um Gefahr im Verzug handelte, brauchten die Polizisten keinen Durchsuchungsbeschluss und liefen direkt durch den Club in den hinteren Bereich. Was sie dort zu sehen bekommen haben ist nichts für schwache Nerven, weswegen einer der beiden Polizisten nun in Behandlung bei einem Therapeuten ist. Eve, gerade dir würde ich gerne den Anblick ersparen, da du dich aber voll in den Fall reinhängen musst, musst du alles wissen und dazu gehören auch diese Fotos."

Allein von der Schilderung bis jetzt, bekam ich schon Gänsehaut und musste kräftig schlucken. Ich versuchte mich gedanklich darauf vorzubereiten, was ich jetzt gleich sehen sollte. Aber egal wie sehr ich mich darauf vorbereiten wollte, ich war definitiv nicht bereit für diesen Anblick.

Toby öffnete eine Mappe und nahm ein Bild von vielen raus und legte es vor mich hin. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, als ich sah, dass auf dem Bild nur Blut zu sehen war. Auf dem Boden. An den Wänden. Und sogar an der Decke. Wer auch immer dieses Verbrechen begangen hatte, musste sehr wütend gewesen sein.

Ich versuchte die aufkommende Übelkeit in mir zu verdrängen. Als mir Toby jedoch, das nächste Bild zeigte, konnte ich nicht anders als aufspringen, nach der Toilette fragen, dorthin rennen, ja rennen und mich dann übergeben. Ich spürte kurze Zeit später eine Hand auf meiner Schulter, jemanden der versuchte mich mit beruhigenden Worten wieder runterzubringen.

Als sich mein Puls einigermaßen beruhigt hatte, sprach mich die Person, die sich als Ava rausstellte, an:

„Hey Eve. Geht's wieder? Ich verstehe, dass dieser Anblick kein schöner war, aber diese Wut und den Ekel, den du jetzt auf den Täter hast, wird dir viel im Prozess bringen, glaub mir."

Ich hoffte sie hatte recht. In mir wurde jedoch wirklich der Ehrgeiz geweckt, da diese unschuldige Seele es mehr als verdient hat, in Frieden zu Ruhen mit der Gewissheit, dass der Täter hinter Gittern war. Ich war zwar definitiv nicht für die Todesstrafe, aber in diesem Moment wusste ich nicht, was ich davon halten sollte, dass sie hier verboten war.

Ich könnte mir keine gerechte Strafe vorstellen, die für dieses Verbrechen in irgendeiner Weise angemessen war.
Ich drehte mich langsam zu Ava um und lächelte sie schwach an.

„Ja. Danke. Es war vermutlich falsch, direkt davor noch einen Bagel gegessen zu haben. Aber es war einfach so erschreckend diese Bilder zu sehen. Ich frage mich nur immer wieder, wie kann jemand nur so etwas tun?"

„Wenn ich dir das sagen könnte, würde ich es gerne tun, Eve. Ich kann dir nur sagen, dass wir alles tun werden, damit der Täter seine gerechte Strafe erhält."

Sie wurde selber etwas blasser und schien in Gedanken versunken zu sein, bis sie sich wieder gefangen hatte und mich mit ihren dunklen braunen Augen eindringlich ansah.

„Glaub mir, der erste Fall ist am schwersten. Auch wenn du es jetzt noch nicht glauben kannst, du wirst dich an den Anblick irgendwann gewöhnen."

Ich sah sie erschrocken an. Nein. Ich würde mich nie an diesen Anblick gewöhnen, darauf schwöre ich meine gesamte Wohnung. Und schließlich liebte ich meine Wohnung und würde diese niemals hergeben. Ich schüttelte den Kopf und teilte ihr das auch so mit: „Danke Ava, dass du mich versuchst aufzumuntern, aber glaub mir, an diesen Anblick könnte ich mich nie gewöhnen."

Sie sah mich kurz an und nickte daraufhin.

„Komm, wir gehen wieder zu den anderen. Wenn es bei dir geht."

„Ja wir können wieder gehen. Danke nochmal", mit einem etwas stärkeren Lächeln blickte ich sie an und lief mit ihr zusammen zu den anderen zurück.

Objeción | Einspruch, Euer Ehren!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt