nueve | Blutige Beweise

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„Zunächst möchte ich Sie auf Beweismittel 1 hinweisen. Auf diesem Bild sieht man eine immense Menge an Blut, mit der selben DNA, somit ist es ausgeschlossen, dass diese Person noch leben könnte", fing ich schluckend an.

Okay Eve, nicht daran denken, du versuchst es dir nicht bildlich vorzustellen. Nicht schon wieder.

Ich traute mich gar nicht die Geschworenen anzugucken und machte zügig weiter:

„Das bringt uns direkt zu Beweismittel 2, den forensischen Bericht. Laut dem Forensiker, gehört das Blut Brenda Porter. Die 21-jährige stand in keiner Verbindung zu dem Angeklagten, sie hatte keine Vorstrafen und galt als junge Studentin, die sehr hilfsbereit war", fuhr ich fort.

Ich machte eine kurze Pause, um das Gesprochene wirken zu lassen.

Zwei der Geschworenen waren Mütter, das erkannte ich an ihren Mienen. Ich blickte nacheinander in die anderen Gesichter und versuchte herauszufinden, wie meine Chancen standen.

Ich benötigte eine Zweidrittelmehrheit. Zweidrittel der Menschen vor mir, müssten mir zustimmen, dass was vorgefallen war wirklich Mord war und dass der Angeklagte der Täter sein könnte.

Es war absurd über so etwas nachzudenken. Im Studium war es nur Theorieunterricht, aber nun direkt hier vor diesen Leuten zu stehen, war eine ganz andere Hausnummer. Ich war mir nicht mal sicher, ob die Leute wussten, wie viel Macht sie in diesem Moment besaßen.

„Bei Beweismittel 3 handelt es sich um die Gebäudeplane von El deseo. Wie Sie erkennen können, ist der Raum, indem die Tat stattfand, nur durch einen Gang zu erreichen, der durch zwei Türsteher bewacht wird und somit für die Clubbesucher nicht zu erreichen. Laut Mr. Fuentes werden in diesem Raum die Einnahmen aufbewahrt und da es bereits öfters zu Diebstählen kam, waren diese Maßnahmen notwendig. An sich ist das bis jetzt schlüssig, doch es geht weiter."

Einige der Geschworenen sahen mich gespannt an, als würde ich ihnen den Inhalt eines kommenden Films schildern.

„Wie der Zeuge berichtete, wurde Brenda Porter von den zwei Türstehern nach hinten gezerrt und kurz danach betrat Mr. Fuentes den Gang, während die Türsteher wieder an ihren Platz zurückkehrten. Somit war Mr. Fuentes und Ms. Porter alleine in dem Raum hinten. Nur wenige Minuten später traf die Polizei ein, die einen blutverschmierten Mr. Fuentes dort vorfand und aufgrund des hinreichenden Tatverdachts, festnahm."

„Sie sehen, die Beweislage ist hieb und stichfest, dass Mr. Fuentes Brenda Porter in seinem Club ermordet hat, auf eine so grausame Weise, dass sich die Forensiker nicht sicher sind, wie er die Tat begangen hat und des-"

Der Mann mit dem eiskalten Blick unterbrach mich:

"Ms. Miller", fing er spöttisch an.
"Bis jetzt haben Sie uns Fakten dargelegt, die stimmen könnten, oder auch nicht." Er machte eine Kunstpause, wie ich es vorhin getan hatte und machte sich somit, über mein Verhalten lustig.

"Aber was ist mit dem Zeugen? Was glauben Sie, was wir denken sollen?! Keine Leiche, keine Zeugen.( Somit beruht ihre Anklage nur auf Vermutungen. )" Er wurde zum Ende hin immer lauter und schüchterte mich innerlich sehr ein.

Nach außen blieb ich ruhig, standfest und hielt die ganze Zeit mit ihm Augenkontakt, so wie ich es mit Ava geübt hatte. Innerlich schmunzelte ich sogar, dass sie Recht behielt, indem sie mir gestern noch gesagt hatte:

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„Bei den Geschworenen gibt es immer ein Arschloch, Sexist oder wie du es sonst noch nennen willst. Für diesen bist du das kleine Püppchen, das niemals deinen Posten haben dürfte. Wichtig ist, dass du ruhig bleibst und ihm die Stirn bietest. Du lässt ihn aussprechen, aber sobald er fertig gesprochen hat, machst du ihn so mit Argumenten fertig, dass er nicht mehr weiß, was er vorher gesagt hat," sie streckte bei dem letzten Satz ihre geballte Faust in die Luft.

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Ich verstand Ihren Ärger, sie hatte das mit ihren 26 Jahren bestimmt schon öfters erlebt gehabt. Die männliche Fraktion der JAMs blickte sie hingegen mit verdrehten Augen an und schüttelte leicht die Köpfe.

Klar, sie kannten das Problem nicht. Als Mann hatten sie es wie bei vielen Jobs, von Anfang an einfacher. Sie mussten nicht erst alle von ihrem Können überzeugen.

Anders als Frauen. Man musste beweisen, dass man genauso gut, wenn nicht sogar auch mal besser, als Männer war. Dass man nicht nur als Hausfrau, Mutter, Krankenschwester, Sekretärin usw. seinen Job herausragend machen konnte, sondern eben auch in Jobs, oder auch Positionen, bei denen der Männeranteil dominierte.

Ich wandte mich Mr. Arschloch zu und machte mich bereit zu kontern.

„Mr. Harris, wenn ich richtig lese. Ich danke Ihnen für Ihren Einwand, würde Sie aber bitte das nächste Mal bis zum Abschluss meiner Rede zu warten."

Ich widerstand dem Drang ihn anzuzwinkern, da das doch zu provokant rüberkommen würde und ich mich somit, auf sein Niveau herablassen würde, was ich definitiv nicht wollte.

Ich blickte in die Runde der Geschworenen, bevor ich mir den nächsten Satz überlegte. Bei einem Arschloch würde ich mit Emotionen und die daraus resultierende Empathie nicht punkten, aber es gab ja noch 20 andere Geschworene.

„Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Mr. Harris diese Zweifel hat, diese sind jedoch unbegründet. Es stimmt, der Zeuge und die Leiche sind beide unauffindbar und das ist leider nicht zu beschönigen. Aber wir sprechen hier von handfesten Fakten. Der DNA-Bericht, das blutverschmierte Hemd von Mr. Fuentes, die Menge an Blut, die überall verteilt ist, der Raum der nur durch eine Tür erreichbar ist. Das alles sind fundierte Fakten.

Soll die Gerechtigkeit für Brenda Porter aufgrund dessen nicht siegen? Sollte ein Menschenleben wirklich sinnlos aus der Welt entrissen worden sein? Brenda Porter, meine Damen und Herren, war 21 Jahre jung, sie stand noch nicht einmal mitten im Leben, sondern baute sich ihres gerade erst auf. Von einem auf den anderen Tag, wurde ihr Leben ausgelöscht. Sie wird nicht mehr existieren. Sie konnte sich nicht von ihren Liebsten verabschieden."

Ich atmete tief durch und wusste, dass ich jetzt meine letzten Sätze sprechen würde, danach mussten sie entscheiden.

„Ja, im Endeffekt sind es momentan viele Indizien, die noch nicht hundertprozentig bewiesen sind, aber dazu gibt es den Hauptprozess. Ich bitte Sie alle inständig, mir die Chance zu geben, zu beweisen, dass Mr. Fuentes der Mörder ist. Ein Menschenleben ist tot, dass ist forensisch bewiesen. Das Blut auf Mr. Fuentes Hemd stimmt mit Ms. Porters überein. Wie sollte man sich diese beiden Fakten anders erklären können, als dass die Tat so stattfand? Soll ein Mörder auf freiem Fuß sein, obwohl er eigentlich ins Gefängnis gehörte? Meine Damen und Herren, bitte nutzen Sie Ihre Macht, die Sie von unserem Land erhalten haben. Entscheiden Sie für die Gerechtigkeit!"

Ich ließ mein Blick ein letztes Mal über die Geschworenen wandern und beende meine Rede.

„Ich danke Ihnen vielmals, dass Sie mir zugehört haben (oder auch nicht) und gebe damit an Mr. Walsh ab."

Mr. Walsh lächelte mich dankend an und ergriff das Wort:

„Vielen Dank Ms. Miller für den ausführlichen Bericht. Wir werden uns nun zurückziehen und beraten, bitte warten Sie hier." Er erhob sich und blickte die anderen Geschworenen an, um Ihnen zu zeigen, dass sie das sie es ihm gleichtun sollten.

Gemeinsam verließen sie den Saal, während ich hier stand. Innerlich, mit einem halben Nervenzusammenbruch, den ich nach außen hoffentlich erfolgreich versteckte.

Objeción | Einspruch, Euer Ehren!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt