Kapitel 20

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Zögerlich Richtung Ursprung des Schreis bewegend, bemerke ich nun, dass die Tür zum Labor nicht die einzige ist, die offensteht. Kaum sichtlich zeigen rote Leuchten an den Kartenlesegeräten die Versperrung der Türen im Flur an. Doch an einer blinkt grünes Licht, wie beim Labor zuvor. Deshalb stehe ich bald vor eben jener Tür. Ich versuche sie aufzuziehen – Tatsächlich schaffe ich das schwere Eisen zu bewegen. Doch drinnen ist es düster, kaum durch die flackernden Glühbirnen beleuchtet.

Abermals rät mir mein Bauchgefühl davon ab weiterzumachen. Und wie immer ignoriere ich den gut gemeinten Rat meiner Instinkte. Also drücke ich die Tür ein weiteres Stück auf und stecke meinen Kopf in den Raum.

Ein kalter, widerlicher Schauer krabbelt wie Kakerlaken und Ameisen meinen Rücken hinab. Das erste, was durch meinen Kopf schießt, ist: B-Blut...!

Mit weichen Knien und einer völlig steifen Hand am Türknauf zwinge ich mich weiter in den Raum. Meine Augen werden immer größer, im Unglaube, was ich vor mir sehe.

Diese Sachen... Ich seh zu dem Rolltisch, der an der hinteren Wand des Raums steht. Für mich wirkt es wie eine Arbeitsfläche, die man in Krankenhäusern verwendet. Tatsächlich liegen darauf auch Gegenstände, die aussehen, als wären sie direkt aus einer Operation gekommen. Skalpelle, Nadeln, irgendwelche Zangen...

D-Das ist nicht wahr... Meine freie Hand verkrallt sich in meinen Haaren. Tosende Kopfschmerzen malträtieren meine Stirn. Eine Einbildung... Wieder eine Halluzination... Ist das... ein Horror-Film? Das ist nicht echt, nicht echt, nicht echt...Während ich gedanklich den letzten Satz wiederhole und wiederhole, sammeln sich Tränen in meinen Augen.

Auf dem Tisch befinden sich noch mehr Werkzeuge, die wirken, als hätten sie sich erst vor kurzem durch lebendige Haut geschnitten. Als hätten sie... jemanden gefoltert.

Ich kann es nicht lassen, mache einen Schritt vorwärts, drehe mich hinter die Tür... und flüchte panisch rückwärts, als sich plötzlich ein schreckliches Bild vor mir ausbreitet. Gleichgewicht habe ich bei meinen ruckartigen Bewegungen keines mehr, weshalb ich einfach auf meinen Hintern falle. Dann krabbele ich verstört nach hinten, schnappe laut nach Luft.

W-Wieso... W-Was...?

Dort... sitzt ein glatzköpfiger Mann in einen Holzstuhl. Doch sitzen ist falsch. Weil seine Gelenke an den Lehnen und Stuhlbeinen mit Panzertape festgebunden sind, ist er einfach mitsamt seinem Stuhl zur Seite gekippt. Aus seinen geschlossenen Augen müssen, den roten Rändern zufolge, Tränen gequollen sein, die über seinen abgeklebten Mund liefen, auf die dreckigen Sachen tropfen. Seine Kleidung ist zerrissen, vom Dreck des Kellers verschmutzt. An Armen, Gesicht und Hals prangen große, vereiterte Schnittwunden.

»B-Bitte nicht...«, flehe ich zwecklos. Gleich darauf presse ich meine Hände auf den Mund. Zum Glück scheint er nicht auf mich aufmerksam geworden zu sein. Denn nun erkenne ich auch, wer dieser Mann ist. Es war der Anführer der Verräter, die mich auf Victors Yacht ertränken wollten. Das Bild seines betrunkenen Lachens und dieser mörderischen Augen werde ich niemals vergessen.

Seltsamerweise beruhigt sich mein rasendes Herz bei dieser Erkenntnis. Allerdings lässt mich das nicht erleichtert ausatmen – ganz im Gegenteil – Auf einmal fürchte ich mich vor mir selbst. Warum bin ich erleichtert?, denke ich, ein nervöses Lachen ausstoßend. Ich rutsche mit dem Rücken zur Wand, ziehe die Beine an und schlinge meine Arme um die Knie.

Victor ist ein grausamer Bastard... Meine Lippen zusammenpressend läuft mir eine einzelne Träne aus meinem Auge. Das kann nicht wahr sein... Er tötet Menschen, er foltert sie sogar... Scheiße, warum wünsche ich mir gerade in seinen beschützenden Armen zu liegen?

Plötzlich klappert es im Flur. Danach ruft eine Stimme: »Jesse? Bist du noch hier unten?«

Eilig wische ich mir über die Augen. Ich springe auf und flüchte aus dem Raum, bis ich im Labor ankomme. Lessiko tritt die Treppe hinab, während ich so tue, als würde ich gerade aus seiner kleinen Basis kommen.

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