Kapitel 16

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»Wo sind wir?«, frage ich stirnrunzelnd. Adrian hält mir die Tür auf, damit ich aus dem Wagen steigen kann. Einen abschätzigen Blick zurück auf das polierte Fahrzeug werfend, trete ich zu Victor, der vor dem Hochhaus steht. Er lässt die Hände lässig in seine Taschen gleiten und blickt das lange Gebäude auf. Ich lehne mich zu ihm herüber, um leiser weiterzusprechen: »Und vor allem: Warum haben wir deine gesamte Belegschaft mit?«

Hinter uns steigen Lessiko und Hektor aus, um sofort mit Adrian und Elliot zu streiten zu beginnen. Wir sind zwar mit zwei unterschiedlichen Autos gekommen, aber ihre Gesichter sprachen schon vor der Fahrt Bänder. Victors Blick wendet sich um, sodass er direkt auf mir liegt. »Was denkst du?«

Wir sind gegen zwanzig Uhr von Victors Villa aus ins Zentrum der Stadt gefahren. Jetzt stehen wir vor einem der Hochhäuser, das genauso aussieht, wie seine Schwestern und Brüder um es herum.

»Ein Bürogebäude?«, mutmaße ich »Du hast aber nicht die anderen mitgenommen, weil du jetzt irgendwelche Firmenchefs abknallen willst, wie in den Krimi-Filmen?«

»Knapp daneben«, schnaubt Victor amüsiert.

»Halt bloß dein großes Maul, du verfickter Augenbrauen-Heini!«, brüllt plötzlich Elliots Stimme von hinten. Ich drehe mich um. Er steht am Straßenrand Hektor gegenüber, der die Arme vor der Brust verschränkt. Adrian flüstert ihm irgendwas ins Ohr und Lessiko wirkt mit seinen eingezogenen Schultern und den scheuen Augen, die nervös über unsere Köpfe schweben, wie ein ausgesetzter Welpe.

»So primitiv, dabei scherze ich doch bloß. Deine Bettgeschichte weiß sich besser zu benehmen«, schnurrt Hektor schmunzelnd.

Elliot packt seinen Gegenüber am Kragen. »Noch ein falsches Wort, dann reiße ich dir den Kopf ab!«

»Lass ihn los!«, mahnt Adrian eindringlich. Er zieht seinen Kollegen mühevoll von Hektor weg. »Er will dich bloß provozieren!«

»Sollten wir nicht lieber...«, versucht Lessiko das Wort zu ergreifen. Als würde er um Erlaubnis zum Sprechen bitten, streckt er die Hand nach oben.

Daraufhin keift Elliot: »Halt du dich raus da!«, was Lessiko resigniert einen Schritt rückwärts machen lässt.

»Warum denn so aufgebracht, mein Bester?« Hektor deutet mit einer wischenden Bewegung auf seinen Gegenüber.

Elliots Augen zucken unter seiner Wut. »Dir prügele ich noch dein scheiß Grinsen aus dem...«

»Ruhe.«

Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich Victors ruhige, aber messerscharfe Stimme vernehme. Augenblicklich verstummen seine Untergebenen und wenden sich ihrem Boss zu. Dieser wirft einen eisigen Blick über die Schulter, der selbst mich frösteln lässt. Dann wartet er nicht länger, sondern betritt das Gebäude. Weil ich mir unsicher bin, laufe ich ihm einfach nach, direkt durch die leere Empfangshalle.

Heimlich spähe ich zu dem Mafiaboss auf. Mir ist klar, warum die Leute vor ihm Angst haben. Er hat seine Männer vollkommen im Griff. Seine bloße Präsenz kann einen lähmen, wenn er es will.

Als Victors Augen sich plötzlich auf mich legen, sehe ich ertappt beiseite. Dafür schaue ich mich jetzt um. Tatsächlich wirkt die Empfangshalle wie in einem ganz normalen Bürogebäude. Ein Tresen, einige Sessel... nichts besonderes.

»Willst du jetzt... arbeiten?«

Victor schnaubt belustigt. Anscheinend findet er es spannender mich im Dunklen tappen zu lassen. Peinlich berührt wische ich mir durchs Gesicht.

Gefolgt von Victors Leuten durchqueren wir die Halle und fahren mit dem Fahrstuhl in die fünfte Etage. Ich zögere, als vor dem Eingang der Etage zwei Wachmänner neben einer roten Absperrung stehen. Doch Victor geht ohne Umschweife weiter. Zuerst mustern uns die Männer im Anzug, doch als sie wohl Victor als Lassini-Boss erkennen, richten sie sofort ihr Kreuz, um einen stolzen Anblick abzugeben. Dumpfer Bass dringt aus der Etage an meine Ohren, Stimmen, Musik... Fast kommt mir das ganze wie ein exklusiver Club vor.

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