Prolog

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Ich schlage die Türen beiseite. Keuchend stütze ich mich auf den Knien ab und versuche zu Atem zu kommen. Von meinen Haaren tropft der Regen zu einer Pfütze am Boden, weil es draußen aus Eimern schüttet.

Mit einem Seufzen richte ich mich auf und laufe weiter in den Supermarkt, der von weitem den Nachthimmel wie eine Lichterkette erleuchtet hat. Den Einkaufswagen schenke ich keine weitere Beachtung, weil ich weiß, dass ich sowieso niemals das Geld besitzen würde, ihn zu füllen. Stattdessen hole ich aus der Hosentasche einen wiederverwendbaren Beutel und streife durch die leeren Gänge.

Kaum jemand ist zu der späten Stunde noch unterwegs, weshalb ich nicht lange brauche, um bei den reduzierten Fertignudeln anzukommen. Großzügig schaufle ich ein paar der Becher hinein. Auch vom Studentenfutter kommen einige Tüten mit. Damit wäre mein Einkauf schon erledigt, doch ich kann mich nicht abhalten, an der Schokoladentheke stehenzubleiben und meinen Blick über die gute Auswahl wandern zu lassen. Schon die verblüffenden Namen der Sorten zeigen mir, dass ich keine von denen jemals probieren könnte. Mit Likör, in einer künstlerischen Form oder im Mund zerlaufend... gute Schokolade können sich eben nur gutbetuchte Menschen leisten.

Mein Blick bleibt an einer Frau mittleren Alters hängen. Sie biegt gerade mit ihrem prall gefüllten Einkaufswagen an der Ecke ab und stellt sich dann neben mich. Im praktischen Sitz des Wagens späht ein kleines Mädchen mit zwei Zöpfen zu mir auf und blinzelt mich neugierig an. Der Mann von der Theke kommt aus dem Hinterzimmer und ich schenke dem Mädchen ein Lächeln zum Abschied bevor ich gehe.

Ich komme am Getränkestand vorbei, an dem auch die Frau mit ihrem Kind gestanden hat. Softgetränke oder Bier kosten mehr als der gute alte Wasserhahn, deshalb will ich auch hier nicht anhalten. Trotzdem bleibe ich überrascht stehen und hocke mich hin. Denn unter dem Regal blitzt etwas hervor und als meine Finger darunter gleiten, muss ich mit großen Augen feststellen, dass es ein Geldschein ist.
Ganze Einhunter Dollar.

Hastig sehe ich mich um und drücke das Geld an meine Brust, bevor ich aufstehe und gleich nochmal meinen Kopf in alle Richtungen wende. Wenn ich sicher bin, dass mich niemand gesehen hat, schaue ich schluckend auf das Stück Papier, das mir einen genauso vollen Einkaufswagen bescheren könnte, wie der Frau zuvor.
Der ist ihr wahrscheinlich rausgefallen, denke ich angestrengt nach und beiße mir auf die Lippe. Aber ich kann nicht sicher sein. Wenn ich ihn zurückgebe, könnte sie mich auch einfach anlügen. Dann bin ich der Gelackmeierte.

Ich öffne meine kleine Tüte und sehe mir das wenige Essen an, das für die nächste Woche reichen müsste und es doch nicht würde. Selbst wenn ich jeden Tag nur drei Portionen Fertignudeln esse, käme ich lediglich die nächsten vier Tage damit durch.

Das ist zu wenig, rasen meine Gedanken und zeitgleich grummelt mein Bauch, der mich dafür bestraft, dass ich ihn vernachlässige. Ich habe Hunger. Für diesen Monat ist das Geld schon aufgebraucht. Miete, Strom, Wasser, das musste alles irgendwie gezahlt werden. Dennoch... das geht nicht.

Ich beiße mir erneut auf die Lippe, dann laufe ich zur Kasse und lege meinen Einkauf auf das Fließband. Hinter mir taucht auch die Frau auf und tut es mir gleich. Das wäre meine Möglichkeit, ihr das Geld zu geben, aber ich halte den Einhundert-Dollar-Schein lieber dem Kassierer hin, als ich fertig bin. »Den habe ich unter den Regalen gefunden.«

»Unter den Regalen? So viel Geld?«, fragt der Mann misstrauisch, nimmt den Schein aber entgegen, damit er ihn begutachten kann.
Plötzlich ertönt ein heller Schrei und unsere Köpfe wandern zu der Frau hinter mir, die jetzt mit ihrem Finger auf mich zeigt. »Den suche ich schon die ganze Zeit unter Tränen, du Dieb! Sowas muss man sich also bieten lassen? Erst beklaust du mich und dann kommt das schlechte Gewissen durch?«
Mein Mund steht offen und meine Augen weiten sich, bevor ich realisiere, was mir vorgeworfen wird. »Was? Nein! Ich habe ihn doch nicht geklaut, der lag wirklich bei den Getränken!«

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