Kapitel 6

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Wenn man etwa eine halbe Stunde aus der Stadt fährt, kann man schon von Weitem das Meer sehen. Den hellen, sauberen Strand, die Promenade mit einer Meile voller Läden und den leuchtenden Hafen – Das alles kann man sehen, selbst jetzt in der Nacht. Denn überall brennen Lichter.

Wir halten auf dem Besucherparkplatz. Wenn ich aussteige, muss ich direkt an meiner Krawatte zuppeln. Ich verziehe das Gesicht, wenn ich an mir heruntersehe. Weil das Jackett schwer und steif wie Beton ist, komme ich mir jetzt endgültig wie ein lebloses Objekt vor, mit dem man nur spielen kann. Im Großen und Ganzen komme ich mir einfach komplett bescheuert vor.

»Warum mussten wir das neu kaufen?«, frage ich Adrian, der zu mir tritt und das Auto mit einem Knopfdruck auf seinem Schlüssel sichert.

»Der Boss wollte es so«, entgegnet mir Adrian ruhig.

Aber ich keife: »Und wenn der Boss will, dass ihr von einer Brücke springt, dann macht ihr das auch, oder was?«

»Selbstverständlich«, meint Adrian. Ich bin mir nicht sicher, ob seine hochgezogenen Augenbrauen abschätzig oder belustigt wirken sollen. Ich schlage mir jedenfalls die Hand vor den Kopf.

Weil die Promenade hier beginnt, müssen wir ein Stück zu Fuß gehen. Dabei kommen wir an vielen verschlossenen Läden vorbei. Ich riskiere einen Blick hinein, was ich dann doch schnell bereue. Hier gibt es keine Badelatschen oder Bernsteinschmuck zu kaufen. Da sind Kleider und Hüte ausgestellt, deren Preis ich gar nicht auszusprechen wage. Und die eine Sonnenbrille... alleine für dieses teure Stück würde ich Leibwächter engagieren.

»Kann es sein, dass hier meistens nur Leute hinkommen, die – wie soll ich's sagen? – am Ertrinken in ihrem eigenen Geld sind?«, frage ich und fummele weiter an dieser blöden Krawatte, die einfach viel zu eng sitzt. Nachdem wir im Einkaufszentrum zu Mittag gegessen haben, wurde der ganze Nachmittag damit verbracht, mir diesen peinlichen Anzug zu kaufen.

»Das ist der Yacht-Hafen, Mr Carter. Hier wird meistens mit höheren Summen gehandelt«, erklärt Adrian.

»Ach verdammt!«, jammere ich, weil der Knoten meines Schlips so fest sitzt, das ich ihn nicht aufbekomme. »Das bin einfach nicht ich! Meinen letzten Anzug hatte ich an, als wir in der Schule ein Theaterstück aufführen sollten. Muss ich das denn wirklich tragen?«

Elliots Hände verschwanden in seinen Hosentaschen. Auch meine beiden Begleiter tragen förmliche Kleidung. Ein schmales Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Der Boss wird nichts dagegen haben, wenn du alles ausziehst und nichts trägst.«
Ich laufe rot an, presse meine Zähne aufeinander und schaue dann beschämt nach unten. Dann bin ich ganz still, weil es nichts bringt, mit denen zu diskutieren.

Am Ende der Promenade steht ein beleuchteter Springbrunnen, der selbst um diese Uhrzeit noch eingeschaltet ist. Nach rechts würde es eine weiteren Einkaufsmeile entlanggehen. Links hingegen ist der Yacht-Hafen erbaut. Wenn mein Blick hinunter zu den Stegen gleitet, weiten sich meine Augen.

Natürlich kein Segelboot mit Fähnchen, was habe ich mir gedacht?, schießt es mir durch den Kopf, während ich hart schluckend zu dem kleinen Kreuzfahrtschiff sehe, zumindest kommt es mir wie ein solches vor. Auf dem gigantischen Teil haben sicherlich über zweihundert Gäste Platz. Und natürlich glänzt das perfekt verarbeitete Material blankgeleckt. Ich reibe meine Hände an der Hose, wenn wir die Stufen zum Hafen hinuntergehen. Wir laufen den Holzsteg entlang und schon stehen wir vor dem teuren Luxusschiff.

»Mr Carter«, sagt Adrian und deutet mir an, zuerst auf die Yacht zu gehen. Ich habe mir eingebildet, es würde schaukeln, wenn ich es betrete, aber das Ding ist viel zu schwer, als dass mein Gewicht etwas ausmachen würde. Meine beiden Aufpasser folgen mir, wenn ich durch die Tür ins Innere der Yacht trete. Dann atme ich tief durch.

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