Kapitel 35 (3/3)

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Ich nicke müde. »Uns bleibt kaum mehr Zeit. Lessiko meinte, er wollte das Haus in zwanzig Minuten in die Luft jagen.«

»Dieser verrückte Bastard!«, flucht Victor, bevor er meine Hand nimmt und mich mitzieht. Ich stolpere ihm aus dem Raum hinterher. Wie vermutet gibt es keine einzige Wache. Dadurch können wir den Flur entlang, in eine der Gästetoiletten flüchten.

Victor öffnet den Spiegelschrank über dem Waschbecken. In ihm befinden sich Deoflaschen, Papiertücher und ein Lufterfrischer. Er duckt sich herunter und fummelt an der Decke des Schrankes herum. Sobald er wieder zu mir kommt, prüft er die Munition einer Pistole, die er hervorgezaubert hat.

»Hing die die ganze Zeit da?«

»Für den Notfall.«

Ich blase meine Wangen auf. »Mutig.«

»Als nächstes suchen wir Adrian und Elliot. Ohne sie sind unsere Chancen schwindend gering.«

»Was ist mit Courtney?«

Victor zieht die Tür einen Spalt breit auf und prüft den Flur. »Denkst du, ich setzt alles aufs Spiel, um eine fremde Frau zu retten?«

»Sie ist meine Schwester! Naja... wenn auch nicht blutsverwandt.«

»Wir werden sehen...«, murmelt mein Boss vor sich hin, als würde er gar nicht über meine Worte nachdenken. Er schnappt erneut meine Hand, sieht sich ein letztes Mal um und rennt mit mir über den Flur.

Neben der Küche begrüßt uns ein beißender Gestank. Auf dem Boden verteilt liegen Victors Gefolgsleute in ihrem eigenen Blut. Er schenkt ihnen keinen Blick, doch meine Augen wandern über die armen Leute, die ihr Leben gelassen haben.

Zusammen suchen wir die Zimmer ab, darauf bedacht, nicht in die Hände unserer Feinde zu laufen. Als Victor das Lesezimmer betritt, wird er von einer geballten Faust begrüßt, die ihn mitten im Gesicht trifft. Fluchend taumelt er zur Seite. Mein Kopf wirbelt über seine Schulter zu Adrian, der sich hinter der Tür versteckt hatte und die Hände vor den Mund schlägt.

»Oh Gott! Sir! Wie kommen Sie... Ich... Es tut mir so schrecklich leid!« Außer sich vor Entsetzen, fummeln seine Hände rastlos vor der Brust herum. »Da war dieses Mädchen... Sie hat meine Kabelbinder durchschnitten und meinte, sie würde eine der Wachen zu uns schicken, die Schlüssel für Elliots Fesseln hätte... Ich hätte doch nicht.. es tut mir so...«

An der hinteren Wand neben der Leiter für die höheren Regale sitzt Elliot, der seine Lippen in äußerster Zurückhaltung zusammenpresst. Im Gegensatz zu Adrian ist er noch an die Stangen der Regalhalterung gekettet.

Stöhnend wischt sich Victor das Blut von der Lippe. Mit einem eiskalten Blick drückt er Adrian die Schlüssel unserer Handschellen in die Hand. »Mach ihn los«, lautet sein messerscharfer Befehl. Wären wir nicht in einer misslichen Läge, hätte Victor ihn wahrscheinlich schon rund gemacht.

Adrian nickt hastig und eilt zu Elliot. Nach mehreren Versuchen stellt er fest: »Er passt nicht.«

Victor wischt sich angestrengt durchs Gesicht. »Du wirst Jesse aus dem Haus bringen. Ich werde mit den beiden Arschlöchern abrechnen und einen Schlüssel suchen.«

»Wartet...«, werfe ich ein und drehe mich im Kreis. »Wo ist Courtney?«

»Als wir aufgewacht sind, war sie noch bewusstlos gewesen. Vor dem Mädchen kam eine Frau herein und sagte, dass sie und einige andere lebende Bedienstete aus dem Anwesen fliehen wollen. Mehr könnte sie nicht tun, meinte sie, und nahm Ihre Freundin mit sich, Mr Carter«, erklärt Adrian, was mich die Stirn runzeln lässt.

»Ist das jetzt gut?«

»Keine Ahnung, aber wir müssen uns beeilen. Ihr wird schon nichts passiert sein«, überzeugt mich Victor nur mäßig.

Dennoch folge ich ihm und Adrian, als wir das Studierzimmer verlassen, um durch die Flure zu streifen. Meine beiden Begleiter tauschen Informationen aus und beraten, wie man mich am besten aus dem Haus bringen könnte. Doch ihre Pläne werden zunichte gemacht, als wir an der oberen Treppe zum Wohnzimmer ankommen, keine zwanzig Meter entfernt vom Studierzimmer.

Vor den langen Fenstern, die eine malerische Aussicht auf die hellen Schneefeldern bietet, befinden sich unsere Zielobjekte. Meine Augen wandern den Raum entlang. Hektor wühlt durch eine Kiste voller Dokumente, während Lessiko in einem der schwarzen Sessel fliegt und lustlos gegen die Decke starrt.

Das wäre unsere Chance, sie zu erwischen, doch ihre zwei Bewacher am Hauseingang, halten Victor ab, sie einfach zu erschießen. Wir sind in der Unterzahl und schlecht bewaffnet.

»Was, wenn er nicht unterschreibt?«, murmelt Hektor vor sich hin. »Uns bleibt keine Zeit. Sobald Victors Leute merken, dass er zu lange fehlt, werden sie nach ihm suchen.«

»Das wird schon...«, meint Lessiko halbherzig. Er fummelt an den Nähten seiner Handschuhe herum. Plötzlich dreht sich sein Kopf herum und seine glitzernden Augen liegen genau auf mir. Mit pochendem Herz weiche ich sofort hinter die Wand zurück. Wie war das möglich?

»Hat dich jemand gesehen?«, fragt Victor leise.

»I-Ich weiß nicht... Woher sollte er wissen...«

»Da hab ich mir wohl zu viel Zeit gelassen...« Lessiko schwingt die Beine von der Lehne und stützt sich auf. »Sieht aus, als hätten meine Berechnungen einen Fehler enthalten. Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, dich langsam ersticken zu sehen, aber naja...«

»Führst du wieder Selbstgespräche?«, jammert Hektor, der seinem Cousin kaum zugehört hat. Genervt löst er sich von den Unterlagen. Er will schon ausholen, um Lessiko ein Ohrfeige zu verpassen, doch dieser fängt seinem Arm mühelos ab. Überrascht weicht Hektor zurück.

»Tut mir leid... Hab ich jetzt nicht nach dem Skript gehandelt?« Lessiko zieht einen Teaser aus seinem Mantel und stürmt auf Hektor zu. Mit einem lauten Knistern blitzen die Stromstöße durch seinen Körper. Ein leises Schreien verlässt seinen Mund, bevor er auf dem Boden zusammenbricht. Mit zuckenden Muskeln rollt er sich zusammen, die Augen vor Schmerzen zusammengekniffen.

Hektors Wachmänner, die eigentlich sofort Alarm schlagen sollten, rühren sich keinen Millimeter – nicht einmal richtig zu atmen trauen sie sich. Denn als ihre verzerrten Augen an ihrem Körper entlangwandern, beginnen zwei winzige, kreisförmige Geräte an ihren Jacken rot zu blinken.

»Was passiert da gerade?«, hauche ich.

»Sensoren.« Adrian schluckt hart. »Wahrscheinlich für die versteckten Bomben.«

Lessikos schrilles Lachen lässt unsere Köpfe zu ihm wirbeln. Er breitet die Arme vor uns aus, wie ein Schausteller vor seinem Publikum. »Sobald mein Herz zu schlagen aufhört, wird das Haus explodieren!«

Victor tritt aus dem Schatten des Flurs und mahlt mit den Zähnen. »Du kleiner Verräter... Hast du das von Anfang an geplant?«

»Nun, ich rechnete nicht damit, dass ihr euch so schnell befreien würdet. Eigentlich würde das Gift in Hektors Körper erst im fünf Minuten wirken. Da ihr nun aber da seid, muss ich etwas umplanen...« Er zwinkert amüsiert. »Ich wünsche viel Spaß bei der Show!«

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