Kapitel 1 - Unternehmen Barbarossa

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Disclaimer:
Ich bin kein Historiker, lasse mich aber von tatsächlichen Ereignissen inspirieren. Am Ende des jeweiligen Kapitels gebe ich etwas historischen Kontext und erkläre, was tatsächlich passierte und was ich für die Geschichte verändert habe. Da diese, mit "*Anmerkungen" gekennzeichneten Stellen an sich für die Geschichte jedoch nicht zwangsweise nötig sind, können diese übersprungen werden. Alle Charaktere der Geschichte sind fiktiv. Die Geschichte soll nicht dazu dienen Nationalsozialisten zu vermenschlichen. Das nationalsozialistische Weltbild und ihre Rhetorik wird in der Geschichte dargestellt, aber ich distanziere mich deutlich davon und erwarte von dem Leser/der Leserin, dass die Rhetorik und das verdorbene Weltbild der Nazis kritisch hinterfragt und reflektiert werden. Ich gebe eine Leseempfehlung ab 14 Jahren aufgrund von Gewalt, Traumaverarbeitung und dem Befassen mit der nationalsozialistischen Ideologie, wichtiger ist mir beim Leser/ der Leserin aber das grundlegende Verständnis, dass sich die Zeit des Nationalsozialismus niemals wiederholen darf. Gewalttaten werden teils grafisch beschrieben, ebenso werden PTSD, Depression und Suizid behandelt. Wenn du selbst mit diesen Problemen kämpfst empfehle ich, diese Geschichte nicht zu lesen, bis es dir besser geht. 
Viel Spaß beim Lesen und danke, dass du meiner ersten Geschichte hier eine Chance gibst!

Ein Reh zupfte mit dem Maul vorsichtig die Blätter eines noch jungen Baumes ab. Der Kopf blieb unten, während sich die Ohren drehten und auf versteckte Gefahren lauschten. Plötzlich schreckte das Reh auf. Es witterte Gefahr. Doch woher? Einen Augenblick lang hob es den Kopf und schaute sich um, bevor es im Dickicht des Waldes verschwinden würde.

Das war Marusyas letzte Chance. Sie hielt den Atem an und die Welt um sie herum wurde für einen Moment komplett still. Für sie existierte nur noch das schlichte Jagdgewehr in ihrer Hand und das Reh, das mitten im Fadenkreuz stand. Dass sie noch immer auf dem harten Boden lag und sich ein Dornenstrauch in ihre Seite bohrte nahm Marusya gar nich mehr war.

Sanft atmete sie aus und betätigte den Abzug. Ein Knall zerriss den Frieden, der die Lichtung beherrscht hatte. Vögel, die singend in den Bäumen gesessen waren, flogen lauthals klagend auf. Blut spritzte und das Reh fiel zur Seite, ohne auch nur einen klagenden Ton von sich geben zu können.

Marusya hatte getroffen. Sie konnte das breite Grinsen, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitete, nicht unterdrücken. In das nächste Dorf um einzukaufen konnte sie erst in der nächsten Woche und das war ihr letzter Schuss gewesen. Hätte sie verfehlt, hätten Marusya, Großvater und ihr kleiner Bruder Alexei hungern müssen.

Von Glücksgefühlen durchströmt hüpfte sie auf ihre Beute zu. Ihr Fuß blieb an einer Wurzel hängen und sie stürzte in den Dreck, doch das konnte ihre Stimmung nicht trüben, zumal sie durch die Jagd sowieso von oben bis unten von Schmutz bedeckt war.

Als sie ihre Beute erreicht hatte, verstummte ihr Lachen und ein Gefühl der bereuenden Trauer machte sich breit. Das Reh lag ausgestreckt auf dem Boden und der Schädel war zerfetzt worden. Blut und Schädelinhalt sickerte auf den Boden. Der Anblick war grausam, doch Marusya musste sich nicht übergeben, worauf sie etwas stolz war. Beim ersten mal als sie getötet hatte, hatte sie sich eine halbe Stunde lang übergeben müssen. Ihr wurde noch immer etwas schlecht, aber sie gewöhnte sich langsam daran. Großvater konnte nicht mehr richtig jagen und Alexei war noch zu jung, also lag es an ihr, Essen nach Hause zu bringen.

„Wenigstens musstest du nicht leiden", murmelte Marusya, während sie sich neben das Reh kniete. Das Reh war tot gewesen noch bevor es auf dem Boden aufgeschlagen war. Hätte sie den Körper getroffen, wäre etwas von dem wertvollen Fleisch verloren gegangen und sie hätte das Reh womöglich noch stundenlang verfolgen müssen, bevor es verblutet wäre. „Glück gehabt", dachte sie, während sie leise eine Entschuldigung murmelte.

Marusya [Pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt