teil 13

209 12 0
                                    

In der Küche traf ich glücklicherweise auf niemanden, was in einem Haus mit so vielen Bewohnern wirklich ein Wunder war. Aber ein sehr willkommenes Wunder. Ich hatte gerade keine Lust, mit jemandem zu reden. Ich schlich zum Kühlschrank und schnappte mir ein Bier, das ich gleich mit meinem Ring öffnete. Dann machte ich mich auf den Weg zu meinem Lieblingsplatz. Ich durchquerte gerade den Dachboden und wollte das Fenster am Ende des Raumes öffnen, als ich merkte, dass es bereits offen war. Misstrauisch ließ ich meine Hand zu der Pistole fahren, die an meinem Rücken unter dem Hosenbund klemmte. Ich zog sie heraus und betrat dann den kurzen Dachvorsprung. Da saß tatsächlich jemand. Die Haare erkannte ich sofort, und die Erkenntnis ließ mir das Blut in den Kopf schießen. Gerade wollte ich mich wieder davonschleichen, als er seine Stimme erhob und „Du kannst die Pistole wegstecken, ich werde dir bestimmt nicht wehtun" sagte. Ich schluckte. Verdammt, er hatte mich bemerkt. Jetzt konnte ich mich nicht mehr aus der Affäre ziehen. Also steckte ich die Pistole weg und betrat den kleinen Vorsprung, wo ich mich neben Loki niederließ. „Was machst du hier?", wollte ich wissen. „Kann nicht schlafen", antwortete er knapp. Mir fiel auf, dass er mich nicht ansah, während er sprach. Er hielt den Blick starr auf die Stadt vor uns gerichtet. „Du?", fragte er. „Ich kann auch nicht schlafen", antwortete ich seufzend. „Wieso nicht? Eigentlich müsstest du doch jetzt zufrieden sein", bemerkte er und lachte traurig. Ich war perplex. Dachte er das wirklich. Ich schluckte die aufkommende Wut kurzerhand herunter und bot ihm die Bierflasche an, die er auch annahm. „Ich...naja, ich hab Scheiße gebaut, weißt du?". „Hm", machte er nur. „Und du?", fragte ich vorsichtig nach. Es interessierte mich wirklich, was er davon dachte. „Tja, wie sich herausstellte hat mich meine Freundin doch nicht so wirklich geliebt und hat sich eher für mich geschämt", erklärte er, bevor er mir die Flasche zurückgab. Er hatte einen ordentlichen Schluck getrunken, und auch ich nahm einen, bevor ich antwortete. „Deine Freundin klingt ja wie 'ne richtige Bitch", sagte ich und lachte nervös. Er musste auch bitter lachen. „Ja, das könnte man meinen...", murmelte er geistesabwesend. „Und was hast du jetzt vor...mit deiner Freundin, meine ich", fragte ich vorsichtig weiter. Er zuckte seufzend mit den Schultern. „Ich weiß es nicht". Um ehrlich zu sein war das nicht die Antwort, die ich mir erhofft hatte, aber ich konnte es ihm auch nicht verübeln. Deshalb seufze ich auch. Dann schwiegen wir beide. „Kann ich dir was sagen?", brach ich die unangenehme Stille. Er nickte nur leicht. „Deine Freundin ist wirklich 'ne Bitch. Du verdienst es nicht, dass man so mit dir umgeht, und-". „Hör auf", unterbrach er mich grob. Sofort verstummte ich. „Du bist keine Bitch, Mathea. Und sage nicht noch einmal, dass ich sojemanden wie dich nicht verdienen würde- die Wahrheit ist nämlich, dass es genau andersherum ist. Stimmt, ich verdiene dich nicht, du bist nämlich viel zu gut für mich. Ich wusste das schon immer, und mir war auch klar, dass wir keine richtige Zukunft miteinander haben können, weil ich- weil ich nicht so der Beziehungsmensch bin. Ich mache Dinge immer kaputt, bevor sie so richtig gut werden können". Er schwieg wieder. Ich war geschockt. Auf der einen Seite brachten mich seine Worte beinahe zum Weinen und ich verspürte den starken Drang, ihn an meine Brust zu ziehen und erst wieder loszulassen, wenn er sich mal ordentlich ausgeheult hatte, doch auf der anderen Seite war ich über seine geringe Selbstwertschätzung so wütend, dass ich ihn am liebsten vom Dach geschubst hätte. Ich tat nichts dergleichen. Die einzigen Wörter, zu denen ich im Stande war, waren „Was redest du da für einen Unsinn?". Ich sah ihn ehrlich besorgt an. Loki war immer total selbstsicher und überzeugt von sich gewesen, nie hätte ich mir träumen lassen, dass er denken könnte, nicht gut genug für mich zu sein. „Ist doch wahr. Ich bin ein furchtbarer Gott und ein noch schlechterer Mensch, dabei bin ich eigentlich gar keiner", erwiderte er und lachte erneut bitter auf. „Du bist der beste Nicht-Menschen-Mensch, den ich kenne", versicherte ich ihm und musste ein bisschen grinsen, da es so lustig klang. Dann dachte ich allerdings an seine Worte und das Lächeln verschwand wieder von meinem Gesicht. „Ehrlich, Loki, ich habe mich verhalten wie ein kompletter Idiot und es tut mir leid". Während unserer gesamten Unterhaltung hatte er mir noch kein einziges Mal in die Augen gesehen, doch jetzt wand er mir sein Gesicht zu. Ich zuckte unweigerlich ein bisschen zusammen. Seine Augen waren gerötet, es sah beinahe so aus, als- nein, das war nicht möglich. „Hast du geweint?", wollte ich verdutzt wissen und ließ meine Finger sanft über seine noch feuchte Wange fahren. Er lächelte schwach. „Wenn du das jemandem erzählst, bringe ich dich um", erwiderte er und ich nickte stumm. „Ich- Gott, nein, das werde ich sicher nicht weitererzählen", versicherte ich ihm und musste dann auch ein bisschen grinsen. „Ich mag es, wenn du ein bisschen menschliche Emotionen zeigst". „Ach ja? Findest du das nicht- peinlich oder so?", fragte er ein wenig vorwurfsvoll, doch ich konnte den Scherz in seiner Stimme heraushören. „Keinesfalls. Ich finde das- süß", antwortete ich. Meine Hand lag noch immer auf seiner Wange und fuhr sanft darüber. „Verzeih mir bitte", flüsterte ich in die kalte Nacht. Sein Blick lag noch immer auf mir. Es fühlte sich an, als würde er durch meine Augen direkt in meine Seele schauen, und wer wusste schon, wozu dieser mächtige Magier tatsächlich fähig war. „Wie könnte ich nicht", sagte er schließlich und legte seine Hand zärtlich auf die meine. Mein Herz machte einen kleinen Satz, und ich fühlte mich so erleichtert, dass ich beinahe auf die ungefähr 50 Meter unter uns liegende Straße gesprungen wäre, vertrauend auf die Flügel, die mir in Gedanken gewachsen waren. Ich entschloss mich doch dagegen. Stattdessen zog ich Loki zu mir und gab ihm einen liebevollen Kuss auf den Mund, den er auch sofort erwiderte. „Ich liebe dich", hauchte ich gegen seine sanften Lippen und konnte förmlich spüren, wie sie sich zu einem Lächeln verzogen. „Ich liebe dich auch", antwortete er genauso leise und zog mich noch näher an sich. Als ich die Wärme seines Körpers bemerkte, wurde mir erst klar, wie kalt mir eigentlich hier draußen war. „Wollen wir uns nicht drinnen ins Bett kuscheln?", fragte ich deshalb verführerisch und Loki musste leise kichern. „Wenn du das willst". Ich wollte. Definitiv.

the taste of your hateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt