Julias pov:
Ich wollte meinen Sohn und seine Mate nicht belauschen, wirklich nicht, aber bei dieser Lautstärke konnte ich nicht anders als zuhören. Ich unterstütze Kilian in vielem, aber diesmal nicht. Er will den Charakter von Aurora unterdrücken und hat sie als schwaches Mädchen hingestellt, dass ohne ihn keine Chance hat zu überleben. So überzeugt er sie auf keinen Fall davon, hier zu bleiben. Ich höre, wie das Mädchen die Treppe hinauf huscht. Hoffentlich will sie nicht abhauen. Ich habe die Kleine schon in mein Herz geschlossen. Sie ist zwar erst 16, doch in ihren Augen kann ich einen unterdrückten Schmerz sehen, der alles übertrifft, was ich jemals gesehen habe. Sie hat sich wahrscheinlich unbewusst eine starke Maske erschaffen, um diesen ganzen Schmerz vor anderen zu verbergen. Diese Jäger*innen sind wahre Monster, nicht wir. Niemals würde ein Werwolf einem Welpen so Schaden. Langsam gehe ich die Treppe hoch und vernehme leise, aber hektische Schritte in Auroras Zimmer. Ich klopfe an und öffne die Tür. Auroras dunkle Augen treffen meine und einen Augenblick lang, kann ich ihre Gefühle sehen, bevor ihre ausdruckslose Maske sich aufgebaut hat. Schmerz, Trauer und Verrat. Neben ihr liegt ein alter Rucksack, in dem sich Kleidung befindet. Wie kann ich Ihnen helfen? Ihre Stimme ist kühl und emotionslos. Diese Kontrolle ist mir fast schon unheimlich. Ich habe gehört, du und Kilian hattet Streit? Misstrauisch verschränkt sie ihre Arme vor der Brust. Und Sie wollen jetzt was? Ein Frauengespräch, dass mich von der Unfehlbarkeit und Großartigkeit Ihres Sohnes überzeugt? Ich schüttle den Kopf. Nein Liebes. Ich will dir sagen, wie stolz ich auf dich bin. Bisher hat niemand sich getraut, meinem Sohn die Stirn zu bieten. Ich weiß, dass er einige unschöne Dinge gesagt hat, um es harmlos auszudrücken und du jetzt verschwinden möchtest. Aber Kilian bereut all diese Dinge schon, dass weiß ich. Ich will ihn nicht in Schutz nehmen. Hätte Riley so mit mir geredet, hätte ich ihm garantiert eine verpasst. Sie sind meiner Meinung? Ich nicke lächelnd. Aber natürlich. Du bist nicht mehr allein, Liebes. Einen winzigen Augenblick lang kann ich Überraschung in ihren Augen erkennen, bevor sie sich wieder verschließt. Plötzlich mustert die Kleine mich, noch immer jegliche Emotionen verbergend. Welchen Grund hat Ihr Mitleid? Jetzt bin ich überrascht. Was? Sie haben plötzlich Mitleid mit mir. Warum? Ich bin weder verletzt, noch hilflos. Weißt du, Liebes, Verletzungen müssen nicht nur physischer Natur sein. Es stimmt, dass du äußerlich keinerlei Verletzungen hast, aber ich habe das Gefühl, dass dein Inneres mit Wunden und Narben nur so übersäht ist. Innerlich bist du alles andere als unschuldig und hilflos. Das zu erkennen, braucht ein wenig Lebenserfahrung, die mein Sohn noch nicht hat. Er denkt, du bist ein schwaches, hilfloses Menschenmädchen und will dich um jeden Preis beschützen. Er kann den Schmerz und das Leid nicht erkennen, dass du in deinem Inneren verborgen hälst.
Auroras POV:
Was wissen Sie schon über meine Vergangenheit? Die Worte kommen ziemlich giftig und wütend heraus. Ich habe Angst. Noch nie hat mich jemand so angesehen wie sie. Sie soll verschwinden, bevor sie noch mehr sieht. Sie eine beleidigte Antwort geben, dass sie mir nur helfen wolle und dann verschwinden! Aber Julias Stimme ist sanft und entschuldigend. Gar nichts. Ich weiß, dass ich kein Recht habe, zu reden, als ob ich alles wüsste, denn das tue ich nicht. Warum? Warum klingt sie so verständnisvoll? Warum schreit sie mich nicht an? Warum verhält sie sich so verdammt irrational? Was wollen Sie dann von mir? Ich achte darauf, möglichst viel Misstrauen in meine Stimme zu legen, um die Angst zu überdecken. ich möchte dir helfen. Blödsinn. Sie schüttelt ihren Kopf und verzieht dabei schon wieder ihre Lippen. Warum zur Hölle machen die das immer?
Aurora, wir sollten ihr vertrauen. Zum ersten mal in unserem leben möchte uns jemand helfen. Wir sollten ihre Hilfe vorerst annehmen.
Warum sollte sie uns helfen wollen, Ylvie? Das ist garantiert eine Falle.
Selbst wenn, wir sind schneller und stärker als sie. Wenn sie uns eine Falle stellt, räumen wir sie einfach aus dem Weg.
Na gut, aber auf deine Verantwortung!
Wie wollen Sie mir helfen? Jetzt zeigt sie auch noch ihre Zähne und setzt sich aufs Bett. Fangen wir vielleicht erstmal damit an, dass du mir Fragen stellen kannst. Außerdem habe ich dir doch gesagt, dass du mich Julia nennen kannst. Ich zucke mit den Schultern. Okay. Warum verzieht ihr Werwölfe immer euren Mund und zeigt die Zähne? Julia sieht mich verdutzt an. Liebes, weißt du nicht, was ein Lächeln ist? Wollen Sie mich jetzt mit Gegenfragen nerven? Hastig schüttelt sie den Kopf und sieht mich schon wieder so verdammt mitleidig an. Ich beginne, diesen Ausdruck zu hassen. Wenn wir den Mund verziehen, lächeln wir. Ein Lächeln ist ein Zeichen der Freundlichkeit und wenn wir fröhlich sind lächeln wir auch. Aha, das hat mein Vater nie gemacht. Warum willst du mich davon abzuhalten zu gehen? Ich mag dich und Riley und Kilian werden dich ebenso vermissen wie ich, wenn du uns verlässt. Warum sollte ich an einem Ort bleiben, an dem ich unentwegt unterdrückt werde oder alle verjagt werden, die mich auch nur aus dem Augenwinkel ansehen? Puh, das ist schon schwieriger zu beantworten. Ein Pluspunkt ist hoffentlich, dass wir dich niemals an deinen Vater verraten würden. Kilian will dich nicht wirklich unterdrücken. Er will dich beschützen und geht das alles falsch an. Und das Verjagen ist, weil du so wunderschön bist. Er hat Angst, dass andere Männer dich ihm wegnehmen, weil du noch nicht markiert bist. Du meinst also, wenn Kilian mich markiert hat, bleibt die ganze Eifersuchtssache in einem vernünftigen Rahmen? Julia nickt und beobachtet mich abwartend. Ich seufze und zucke mit den Schultern. Wenn Kilian sich vernünftig entschuldigt gebe ich ihm noch eine Chance, nur eine Chance. Und du sagst ihm nichts. Die Frau vor mir lächelt mich an. Danke, Liebes. Kommst du mit runter zum Essen? Riley hat gekocht. Mal sehen, ob es schmeckt. Mein Gefährte kocht zwar liebend gerne, kann es aber einfach nicht. Mit diesen Worten zieht Julia mich zur Tür hinaus
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Jägerin im Wolfspelz
Werewolf„Einen Werwolf töten? Ich dachte, die ...Ehre... bekomme ich erst mit 17." Mein Vater drückt stolz die Brust raus. „Ich weiß, dass du bereit bist. Mein hartes Training war nicht umsonst." Training? Das nennt er Training ? Ich habe seit meiner Geburt...