Einundzwanzig - Talisa

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Die ersten, grellen Strahlen der Sonne drängten sich in die Dunkelheit ihrer geschlossenen Augen.

Sie kniff sie noch einmal fest zusammen in der Hoffnung, das aufdringliche Licht zu verbannen.

Doch leider ohne Erfolg.

Murrend ergab sie sich ihrem Schicksal und gab auf weiter im Bett liegen zu wollen.

Talisa fühlte sich, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie konnte das Gefühl nicht los werden, schrecklich geträumt zu haben. Dabei konnte sie sich an nichts erinnern.

Es klopfte zaghaft, bevor eine der Dienerinnen ihren Kopf herein streckte.

Überrascht die junge Frau schon auf den Beinen zusehen, kam sie rasch herein gefolgt von zwei weiteren.

"Der Herr erwartet Euch zum Frühstück."

Sofort wurde an ihr gezupft und gezogen. Talisa konnte sich einfach nicht vorstellen so etwas gewohnt zu sein. Mit ihr wurde nur das nötigste gesprochen.

Nachdem die drei Frauen zufrieden mit dem Resultat der jungen Dame zu sein schienen, wurde sie in einen prachtvollen Raum geführt.

Zu prachtvoll.

Sie blieb Abrupt stehen. Ihre Finger kribbelten. Dieser Moment kam ihr vertraut vor.

"Alles in Ordnung?"

Die Dienerin sah sie mit hoch gezogenen Brauen an. Schnell schüttelte Talisa das Gefühl ab.

Zu Ihrer rechten Seite erstreckte sich eine Wand aus Fenster, die von der Decke bis zum Boden führten. Links war ein großer Kamin eingelassen.

Kunstvolle Figuren thronten auf ihren Podesten.

In der Mitte des Raumes stand ein schwerer, glänzender Tisch. Alles schien sie mit seinem Glanz erdrückend wollen.

Dennoch setzte sie sich und blickte fragend zu ihrer Begleitung.

"Verzeiht, der Herr scheint sich wohl etwas zu verspäten."

Talisa wusste nicht wie lange sie so saß, bis ein Diener herein kam.

"Ich muss Euch im Namen meines Herren um Verzeihung bitten. Er musste sich kurzfristig einer wichtigen Angelegenheit widmen. Er bittet Euch ohne ihn anzufangen."

Eine kurze, herzlose Verbeugung und sie war wieder alleine in der Stille.

Lustlos stocherte sie in dem Essen herum, schob es von einem Tellerrand zum nächsten und zerkleinerte es.

Dieser Mann, der bereit war sie trotz bestehender Ehe zu heiraten, ließ sie schon beim Frühstück sitzen.

Niemand war im Raum. Niemand mit dem sie zumindest sprechen konnte. Würde so ihr Leben als seine Gemahlin aussehen?

Wollte sie so ein Leben?

Nein.

Hauchte es irgendwo tief in ihr. Sie wusste nichts mit sich anzufangen. Sehnsuchtsvoll wanderte ihr Blick zu den Fenstern hinaus ins Freie. Sie sah ein Teil der Mauern, die die Burg einschlossen und nach ihnen folgte Wiese. Was hätte sie dafür getan über diese Weite zu laufen.

Etwas drängte sich in das idyllische Bild, ein dunkler Schatten, wie eine Wolke oder eher Nebel erschienen am Horizont und schienen auf die Burg zu zukommen.

Talisa stand auf, umrundete den Tisch und trat an eines der Fenster, um besser sehen zu können.

Hochkonzentriert kniff sie die Augen zusammen. 

Konnte das sein?

Sie wollte es nicht wahr haben, doch ihre Augen spielten ihr keinen Streich.

Eine Kutsche nährte sich, als würde sie aus dem dunklen Nebel herauskommen und diesen noch ein Stück mit sich ziehen, ehe er langsam verblasste.

Wurden Gäste erwartet?

Gebannt sah sie zu wie die Kutsche sich immer weiter nährte. 

Dann bemerkte sie den Herrn des Hauses auf den Hof zügig schreiten. Taran, sah nicht so aus als hätte er diesen Besuch erwartet, seine Kleidung wirkte schlicht. Während er die Dienerschaft auf dem Hof anwies, kam ein anderer herbeigeeilt und reichte dem jungen Mann eine etwas prächtigere Jacke. 

Am liebsten wäre sie sofort hinunter, doch sie wollte auch niemanden verärgern, sie war hier nur Gast und war sicher nicht erwünscht, bei dem Empfang.

Das Tor wurde geöffnet und die Pferde traten herein ohne einmal gehalten zu haben.

Alles war schwarz, die Tiere hatten eine dunkle Färbung, die gesamte Kutsche war dunkel, selbst die Vorhänge an den Fenstern, die in die Türen eingelassen wurden.

Ein Diener sprang von hinten herunter um zur Tür zu eilen.

Der Mann, der nun hervortrat raubte ihr den Atem. Sein helles Haar war unordentlich nach hinten gekämmt, aber auf eine Art und Weise, die ihn nicht schluderig aussehen ließ. Er trug ein schwarzes Hemd und darüber eine schwarze Jacke, deren Goldapplikationen im Sonnenlicht schimmerten. Er war größer als Taran und schien auch kräftiger zu sein. Zumindest vermutete es Talisa wegen seinen breiten Schultern.

Die beiden Herren sprachen kurz miteinander, dann änderte sich die Stimmung. Taran schien nun weniger erfreut, seine Schultern sackten leicht herunter. Schnell straffte er sich, um dann mit einer kurzen Geste den Fremden herein zu bitten.

Dieser nickte und ließ seinen Blick an der Burg entlang schweifen, bis er die junge Frau am Fenster erblickte. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas sehnsüchtiges oder war es nur eine Täuschung wegen der Ferne? Auch Taran folgte seinem Blick, damit weckte er Talisa aus ihrer Starre.

Sie fühlte sich ertappt und trat wieder in den Raum.

Plötzlich ging die Tür auf und einige Diener kamen herein. Der Tisch wurde für eine weitere Person gedeckt. Nun überkam die Frau Unruhe.

Die Beiden kamen hier her.

Am liebsten wäre sie fort in ihr Zimmer. Nachdem sie erfolglos versucht hatte etwas aus der Dienerschaft heraus zu bekommen, stand sie neben ihrem Stuhl und wartete.

Nicht lange und schwere Schritte nährten sich. 

Taran kam zuerst herein, nickte Talisa kurz zu, doch ihre Augen waren auf den Mann hinter ihm geheftet. Sein Lächeln wirkte schüchtern, doch seine grauen Augen sprachen von Selbstsicherheit. Ihr grau bezauberte sie, als würde es von Wolken verdunkelt werden. Ihr kam der Anblick seltsam vertraut vor.

 Taran ergriff das Wort.

"Der Herr heißt Keldan, er behauptet dein Ehemann zu sein." Bei den letzten Worten wurde seine Stimme leiser.

Verblüfft sah die junge Frau zu dem Mann. Nichts rührte sich in ihren Erinnerungen, doch ihr Körper fühlte sich an, als wollte er unbedingt zu ihm.

"Ich entschuldige mich, dass es so lange gebraucht hat. Doch hatte ich gehoffte du würdest nach einer gewissen Zeit zu mir zurück kommen, sodass wir über alles sprechen könnten."

Der tiefe, kratzige Ton seiner Stimme jagte ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken. Mit einem Mal fühlte sie sich schlecht, er hatte auf sie gewartet und sie hatte sich nicht mal an in erinnern können. Ehe sie etwas zu ihm sagen konnte, war es wieder Taran der sprach.

"Sie erinnert sich nicht mehr. Weswegen Sie auch verstehen, dass ich sie nicht einfach mit Ihnen mitgehen lassen kann."

"Und ich hoffe Ihr versteht, dass ich meine Ehefrau nicht länger alleine bei Euch lassen kann."

Taran blieb keine andere Wahl. "Dann bleibt, bitte so lange, wie es benötigt wird. Sollte es stimmen wird sie sich sicher bald erinnern können."

Sie meinte einen Schatten über Keldans Gesicht huschen zu sehen. 






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