Sechs - Keldan

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Zu seiner Erleichterung hatte Lawan sein Reich aufgesucht. Von allen war ihm dieser Bruder am liebsten.

Er hatte sein eintreten bemerkt doch dauerte es ganz schön lange bis er endlich bei seinem großen Bruder ankam.

"Was hast du dir so viel Zeit gelassen?"

Sein kleiner Bruder ließ sich in einen Sessel fallen.

"Ich habe meine Schwägerin kennen gelernt." Gab er freudig zurück. So war er immer, mit niemandem stritt er und er begehrte nichts außer seine Freiheit.

"Da bist du nicht der Erste." Irgendwie gefiel es Keldan nicht, wie schnell Talisa seinen Brüdern ohne sein Einverständnis über den Weg lief.

"Sie ist freundlich und hübsch." Sprach er weiter, dabei verlor der Ältere das Interesse an den Worten. "Sie langweilt sich nur." Sofort war Keldan bei der Sache.

"Wie?"

"Sie langweilt sich. Ist dir das nicht aufgefallen? Du bringst eine Menschenfrau her, die keine Aufgabe oder Beschäftigung hat, was hast du dir dabei gedacht?"

Seine Worte klangen tadelnd, doch nicht sein Tonfall.

"Aber Frauen beschäftigen sich doch immer mit etwas, es hatte sich noch nie einer beklagt."

"Natürlich nicht, würde jemand sagen, er würde sich im Schloss langweilen, würdest du ihn aus seinem Dienst entlassen und du darfst diese Frau nicht mit denen aus deinem Harem gleich stellen."

"Eine Frau ist eine Frau." Keldan zuckte nur mit den Schultern.

"Ach Bruderherz, sie ist deine Ehefrau. Du schläfst nicht nur mit ihr wie es dir passt, du verbringst Zeit mit ihr, ihr redet, ihr vertraut euch. Im Idealfall würdest du irgendwann nicht mehr andere Frauen haben wollen als sie."

Dafür, dass er jünger war, verstand er so einiges.

"Lawan wie lange hast du schon keine Frau gesehen? Ich könnte dir eine von meinen geben."

"Nicht in den vielen Frauen liegt das Glück." Lachte der Jüngere auf.

"Strebst du auch so ein langweiliges Leben wie unsere Eltern an?" Für Keldan gab es einfach nichts schlimmeres als auf Ewigkeiten mit einer Person das Bett zu teilen, obwohl er sehr genau über den Zeitvertreib des Vaters wusste.

"Du hältst es nur für langweilig, weil du nicht weißt wie sich das anfühlen kann. Wieso hast du sie geheiratet, wenn du nicht jemanden für lange suchst?"

Darauf wollte er selbst Lawan nicht antworten.

"Was soll ich denn tun, dass sie etwas zu tun hat? Ich kann sie schlecht die Aufgaben der Diener tun lassen."

"Frag sie doch einfach, sie sagt dir sicher mit was sie sich gerne Tagsüber beschäftigen würde."

Dem war sich Keldan nicht sicher. Als er am Morgen hörte wie Möbel verrückt wurde war er sofort zur Quelle geeilt, zu seiner größten Überraschung fand er Talisa vor. Das zierliche Ding welches schwere Sessel von einem Raum in den nächsten schob.

Ohne sich seinem Handeln bewusst zu sein, stand er schon dicht hinter ihr. Ihr Geruch nach wilden Blumen und Sonnenschein raubte ihm den Atem.

Dann drehte sie sich auch noch zu ihm und errötete, da war es geschehen, sein Herz hatte gerast, noch nie ist eine Frau vor seinen Augen errötet, keine der Frauen die er kannte hatte so auf ihn reagiert ohne, dass er etwas hatte machen musste.

Sie hatte verzweifelt versucht ihr Nachthemd hochzuziehen damit ihre Schultern nicht frei lagen, dennoch hatte er die weiße klare Haut erblicken können.

"An was denkst du? Keldan?"

Sein Bruder sah ihn fragend an. Keldan war an die Erinnerung an sie mal wieder komplett in sich versunken.

"Es ist nichts." Gab er schnell zurück.

"Weiß sie, von unserer Fähigkeit Gestalten anzunehmen?" Fragte sein kleiner Bruder. Jedem war bekannt, dass die Götter andere Gestalt annehmen konnte, doch sie war nicht von hier, sie wusste bis zu ihrem Eintreffen nichts von der Existenz der Götter.

"Ich denke nicht."

"Das ist doch wundervoll! Du kannst in einer anderen Gestalt zu ihr, Frauen vertrauen sehr schnell schönen Tieren. Womöglich erzählt sie dir etwas."

Keldan wollte seinem Bruder nicht sofort ins Gesicht sagen was für eine dämliche Idee das war, doch auf Drängen des kleinen Bruders nahm er die Gestalt eines möglichst prächtigen Vogels an.

"Mehr Farbe, aber kein Rot, versuch es eher mit Blau und Violett."

Er fühlte sich wie ein Idiot, als er aus dem Fenster schwang.

Sie war noch immer im Hof, langsam ließ er sich nieder.

Ihre Augen wurden groß. Er dagegen konnte nicht glauben woher sie so ein Kleid haben konnte.

Es offenbarte ihre Schultern, so wie ihr gesamtes Dekolleté

, wenigstens war ihr Haar offen damit verdeckte sie viel. Für seinen Geschmack nicht genug, er musste sich später um ihre Garderobe kümmern.

"Wo kommst du denn her?" Sie war auf den schönen Vogel zu gekommen, nicht sicher ob er fliehen würde.

"Du passt hier gar nicht rein, wahrscheinlich hast du dich verflogen."

Wie meinte sie das? Weil sein Reich düster war konnte es keine schönen Dinge geben?

"Oh Gott, ich rede nun auch noch mit einem Tier, so sehr langweile ich mich."

"Herrin!" Die Dienerin kam herbei. "Ihr solltet rein kommen, der Wind ist heute besonders stark."

"Drinnen ist es noch schlimmer, wenn ich weiter in meinem Zimmer bleiben muss werde ich alles auseinander nehmen!"

"Soll ich den Herren nach einer Beschäftigung für Euch bitten?"

"Nein danke. Ich will sicher nicht ihn um etwas bitten müssen womit ich meine Zeit beschäftigen könnte. Was denkt er sich eigentlich?!" Platzte es plötzlich aus der Frau.

"Holt mich her, heiratet mich und dann spielt er so ein Spiel mit mir! Verflucht, ich hätte damals mit dem Fürsten weglaufen sollen!"

Zuerst war Keldan überrascht, dass sie imstande war zu fluchen, dann erzürnte ihn der Gedanke, dass sie ihn nicht ernst nehmen wollte und danach war nur noch Wut. Wer war dieser Fürst mit dem sie hätte durchbrennen können?

"Herrin, seht ein Sturm zieht auf, Ihr solltet rein, der Herr scheint verstimmt zu sein."

"Ist er irgendwann mal nicht verstimmt? Sein Charakter ist unmöglich kein Wunder, dass sein Reich so aussieht!"

Sie hatte den Vogel hinter sich schon total vergessen. Aufgebracht verschwand sie wieder hinter den Mauern.

Keldan nahm wieder seinen Körper an.

Natürlich spiegelte sein Reich ihn selbst wieder, so war es nun mal. Ein Gott war mit seinem Reich verbunden, da konnte selbst er nichts daran ändern.

Er wusste nun um ihre Bedenken, doch hatte er noch immer keine Lösung für ihre Langeweile.

"Und?" Lawan konnte nicht warten und löcherte ihn sobald er im Zimmer aufgetaucht war.

"Zeitverschwendung."

"Echt? Wenn du willst rede ich mit ihr."

"Tu was du nicht lassen kannst, du bist hier immer willkommen."

Schließlich war Lawan der einzige Bruder dem er vertraut.








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