Neunzehn - Talisa

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Nur schwer schafte Talisa es die Augen zu öffnen. Alles schmerzte ihr.

Blitzelnd sah sie sich um.

Auf einer Seite des Bettes saß ein Mann, der ihr irgendwie vertraut vorkam. Er hatte auf dem Stuhl geschlafen, wurde aber durch ihren Versuch sich aufzusetzten wach.

Sofort war er da um sie zu stützen.

"Wie fühlst du dich? Was ist dir nur passiert?"

Er schien wohl auf eine Antwort zu warten, doch ihr Kopf war wie leer gefegt.

"Wo bin ich?" Fragte sie stattdessen und da merkte er, dass sie ihn nicht erkannte.

"Du weißt nicht mehr wer ich bin, oder?" Noch schimmerte Hoffnung in seinen Augen, doch sehr schnell verschwand sie. Er atmete aus und schenkte ihr dann ein Lächeln. "Nicht schlimm, ich bin Graf Taran, wir haben uns im letzten Winter kennengelernt. Ich habe um deine Hand angehalten. Wir haben dich im Wald gefunden."

"Wir?"

"Dein Bruder war bei mir. Verzeih, er hatte warten wollen bis du zu dir kommst, aber ich habe ihn fort geschickt, seine Frau erwartet jeden Augenblick das Kind."

Bilder ihrer Familie tauchten vor ihrem Auge auf. Einer ihrer Brüder erwartete ein Kind?

"Meine Eltern. Warum hat er mich nicht zu ihnen gebracht, oder sind diese zu weit entfernt?"

Jetzt wurde der Blick des Mannes etwas düster.

"Sie haben sich geweigert dich aufzunehmen."

Sie verstand nicht. "Das glaub ich nicht, Mutter würde immer für mich da sein. Ich muss zu ihr."

Schon war sie dabei aus dem Bett zu springen. Da war dieser Drang, der sie antrieb, sie musste zu ihrer Mutter.

Aber kaum stand sie aufrecht, da drehte sich das Zimmer um sie.

"Bitte mach vorsichtig." Der junge Mann war sofort bei ihr und hielt sie fest.

Augenblicklich war da ein Kribbeln in ihr und gleichzeitig fühlte es sich an als würde sie verbrennen. Eilig befreite sich Talisa von seiner Nähe, dabei lies sie sich zurück aufs Bett fallen.

Er schickte nach Wasser, bevor er sich wieder der Frau zu wand.

"Kannst du mir sagen was mit dir war? Dein Bruder sagte du wärst vermählt, doch niemand konnte sich mit dir in Verbindung setzten, niemand konnte dich finden."

Sie wusste nicht von was er sprach. Sie vermählt?

Niemals.

"Dabei hoffte ich noch immer, dass du niemanden als mich jemals ehelichen würdest." Fügte er etwas leiser hinzu.

Sie besah den Mann vor sich, dunkles Haar, braune Augen, ein schmaler Körper, nur etwas größer als sie. Sicher er war ansehnlich, aber ihr schien etwas zu fehlen, als würde ihm was fehlen. Fast als hätte sie andere Vorstellungen von einem Mann, den sie an ihrer Seite wünschte.

Sie besah ihre Hände, nicht ein Ring war zu finden. Es musste ein falsches Gerücht sein.

"Ich möchte zu meinen Eltern."

Sofort schüttelte Taran den Kopf.

"Sie würden dich nicht rein lassen, außerdem sind sie bei deinem Bruder, ihren Enkel besuchen."

Aber wieso? Wieso würden sie, sie nicht zu sich wollen? Sie hatte doch nichts falsch gemacht oder war die Vermählung der Grund dafür, aber sie trug keinen Ring.

Ihr Kopf began zu schmerzen, zu viele Gedanken kreisten in ihm.

"Und jetzt?" Ratlos sah sie ihren Gegenüber an.

Nun lichtete sich etwas sein Gesicht.

"Mag sein es ist etwas überstürzt und ich will dich auch nicht damit drängen, aber sollte in dir noch immer ein Funke von dem Gefühl sein, welches du damals für mich hattest. Dann steht mein Antrag noch, ich helfe dir dich von dem Mann zu trennen, den du nicht liebst und würde mit Vergnügen dein Ehemann werden."

Seine Worte klangen einladend, aber Talisa hatte das Gefühl ihnen würde es an Tiefe fehlen. Vielleicht täuschte sie sich auch nur.

"Ich werde jemanden zu dir schicken, nimm ein Bad, iss etwas und ruh dich aus. Sollte dir etwas fehlen scheu dich nicht zu fragen. Ich werde deinem Bruder schreiben."

Damit verließ er den Raum.

Etwas verloren sah sich Talisa in dem großen, fremden Raum um. Schwere Vorhänge verdeckten die Fenster, ein großer Tisch stand in der Mitte des Raumes. Alles schien eher praktisch als wohlig gestaltet zu sein.

Es gab nichts lebendiges in dem Raum.

Es klopfte und eine Dienerin trat ein, gefolgt von jüngeren Mädchen, die Eimer in das Nebenzimmer trugen.

Ihr wurde beim auskleiden geholfen, dann versank die junge Frau in dem warmen Wasser.

Das Wasser war nicht heiß genug um bis in ihre Knochen durch zu dringen und es kühlte viel zu rasch ab. Wieder überkam sie das Gefühl es müsste anders sein.

Ihr wurde ein Kleid bereit gelegt, während sie angekleidet wurde sah sie gedankenverloren aus dem Fenster. Die Sonne lugte hin und wieder zwischen den dicken Wolken hervor.

"Ich möchte spazieren gehen." Kam es plötzlich von ihr.

Sie wurde nach draußen in den Garten geführt, ziellos streifte sie umher, bis sie einen prächtigen Vogel entdeckte. Ruhig saß er auf einer Bank und besah sie, er machte keine Anstalten davon zu eilen. 

Talisa kam es so vor als hätte sie diese bewölkten Augen schon mal gesehen, dieser dichte Nebel in ihnen kam ihr so vertraut vor. 

"Merkwürdig." Flüsterte sie und kam noch einen kleinen Schritt näher an das Tier. "Du siehst nicht aus als würdest du hierher gehören."

Gedankenverloren sah sie ihn an, ehe sie seufzte und in die Ferne sah.

"Heiraten will er mich." Unbewusst rieb sie den Finger an dem ein Ring hätte sein sollen.

Mit einem mal schrie der Vogel laut auf, erschrocken wand sich die junge Frau zu ihm.

"Denkst du ich sollte nicht?" Nun musste sie lachen, sie war wohl verrückt geworden, mit einem Vogel zu sprechen.

"Mir bleibt wohl keine Wahl, ich hatte noch nie eine."

Wenn es stimmte und ihre Eltern sie nicht mehr nach Hause lassen, dann hatte sie keinen Platz mehr. Sie wollte auch keinem ihrer Brüder zur Last fallen.

Plötzlich sprang der Vogel auf und flog davon.

"Ich glaube ich habe ihn erschreckt."

Ein junger Mann schritt auf sie zu, sein braunes Haar fiel in Wellen um sein Gesicht und die grauen Augen strahlten voller Wärme.

Rasch sprang Talisa auf um sich zu verneigen, seine Kleidung deutete danach, dass er wohlhabend sein musste.

"Ich hoffe ich habe Euch nicht erschreckt." Noch immer sah er sie voller aufrichtiger Wärme an.

"Nein nicht doch, mein Herr."

"Nennt mich doch bitte Lawan."





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