Sieben - Talisa

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Wie vorausgesagt brach ein heftiger Sturm aus.

Sie hatte den Vogel total vergessen, erst als sie schon in ihrem Zimmer aus dem Fenster sah fiel er ihr wieder ein.

"Edolien, was war mit dem Vogel?"

Ihre Dienerin sah sie fragend an, sie hatte das schöne Tier wohl nicht bemerkt. Talisa dagegen hatte gestaunt einen so zutraulichen und schönen Vogel in einer so düsteren Welt zu sehen.

Kurz ließ sie ihren Blick noch einmal über den Hof wandern, ehe sie sich im Zimmer umsah.

Was sollte sie denn nun tun?

"Darf ich eintreten?"

Erschrocken über die plötzliche Stimme drehte sich Talisa um. Dort stand der junge Mann in den sie noch eben rein gelaufen war.

Er strahlte eine solche Wärme aus, dass die Frau ohne zu zögern nickte und ihm einen Platz anbot.

"Und wie fühlst du dich hier? Ganz schön erdrückend, oder?"

Sie war sich nicht ganz sicher was sie darauf sagen sollte. Schließlich war er dennoch der Bruder von Keldan, da konnte sie doch nicht darüber sprechen wie schrecklich kalt sie diesen Ort fand.

"Keine Sorge ich mag es hier auch nicht sonderlich. Keiner von uns mag es hier, ich denke Keldan hat es mit Absicht so erschaffen damit keiner von uns sich hier wohl fühlt."

Lawan redete ohne sein warmes Lächeln zu verlieren.

"Ich weiß nicht so recht was ich mit meinem Tag anfangen soll." Setzte sie vorsichtig an. "Heute habe ich zuerst mal die Möbel verschoben um es für mich erträglich zu machen."

Der junge Mann sah sich um. "Ich hab mich schon gefragt weshalb du mich in deinem Schlafzimmer empfängst."

"Der andere Raum ist einfach nicht meins. Weißt du, ich finde der Raum in dem ich meine Gäste empfange, sollte zu meinem Wesen passen und glaub mir dieser Raum dort ist alles andere als mein Wesen."

Lawan lachte. "Du musst Nachsicht mit meinem älteren Bruder haben, er hat nicht so viel Erfahrung mit dem Umgang von Frauen."

"Aber-"

"Versteh es nicht falsch, er hat einige Frauen, aber über die muss er sich keine Gedanken machen. Was hast du bei dir Zuhause gemacht?"

"Ich habe Bücher gelesen, Geschichten über Abenteuer, Piraten, Drachen, verwunschene Königreiche oder ich spielte Klavier, damit habe ich sicher die meisten Stunden verbracht."

Alleine die Erinnerung an ihr Klavier im Musikzimmer ließ die junge Frau lächeln, aber auch die Bibliothek die sie mühevoll mit den interessantesten Büchern gefüllt hatte.

Sie hatte sogar ein Händchen und eine sehr große Vorliebe für die Stickerei.

Doch hier fehlte alles.

"Dann bitte Keldan doch um ein Klavier und Bücher aus deinem alten Zuhause."

"Ich werde ihn ganz sicher nicht um etwas bitten." Entgegnete sie trotzig. Sie wollte nicht von diesem Mann aus ihrem Zuhause gerissen werden, nur um in Gefangenschaft leben zu müssen und sich dann noch dazu herablassen um ihn nach Beschäftigung zu bitten.

Niemals!

Lawan betrachtete sie mit seinen grauen Augen eingehend.

"Ihr seid euch sehr ähnlich, nicht dass es deshalb noch ein böses Ende nimmt."

"Wie sollen wir uns nur ähnlich sein?" Talisa war niemals spöttisch oder herablassend, aber bei diesem Mann setzte bei ihr alles aus. Auch wenn sie noch nicht so lange lebte, niemals war ihr je so ein Mann wie Keldan über den Weg gelaufen.

Der junge Mann neben ihr schüttelte nur seinen Kopf. "Sag mir lieber ob es nicht vielleicht einen anderen Mann in deinem Leben gab. Bestimmt oder?"

Augenblicklich musste sie an den Grafen denken. Es war letzten Winter gewesen, als sie sich zum ersten mal kennenlernten.

"Es gab wirklich jemanden?" Mit großen Augen beugte sich der Mann vor.

"Es war nichts ernstes. Mein Vater wollte die Verbindung nicht gut heißen, weshalb nichts daraus geworden ist."

Sie verschwieg, dass er ihr angeboten hatte mit ihm fortzulaufen und sie genau das vorgehabt hatte, nur dass ihr Vater sie genau an dem Abend ins Zimmer einsperren ließ. Talisa war nie an dem vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht und sie wusste sie hatte damit ihre Chancen bei dem Grafen verwirkt.

Sie hatte nie wieder versucht ihn aufzusuchen oder Kontakt mit ihm aufzunehmen.

"War es eine tragische Liebesgeschichte?" Lawan riss sie aus der schmerzenden Erinnerung.

"So tragisch war es nun auch wieder nicht."

"Soll ich meinen Bruder um mehr Unterhaltung für dich bitten?"

"Aber nicht in meinem Namen, das habe ich auch schon Edolien verboten. Ich werde ihn solange ich hier bin um nichts bitten."

"Ganz wie du meinst du hast mein Wort."

Er stand auf.

"Musst du schon gehen?"

"Keine Sorge ich denke ich werde öfter hier vorbeischauen als sonst. Also kein Grund für Trübsal." Er strich ihr eine der wilden Strähnen hinters Ohr.

Talisa wusste, dass es nicht richtig war, doch konnte sie ihr Herz nicht daran hindern einen kleinen Sprung zu machen. Lawan war so anders als sein Bruder, er hatte so viel Wärme, so viel, es ließ sie fast vergessen wo sie war und weshalb.

"Und du wirst sehen, schon morgen wirst du dein Klavier und die Bücher haben."

Fast schon ungläubig sah sie ihm hinterher als er ihre Räume verließ.

Sie wollte ihm einfach nicht glauben, dass sie das Klavier bekommen würde. Was tat dieser Gott eigentlich den ganzen Tag?

Aus purer Langeweile legte sich die junge Frau viel zu früh ins Bett nur um dann schlaflos an die Decke zu starren. Über ihrem Bett war ein leichtes Tuch gespannt. Ihr war schon in der ersten Nacht aufgefallen, wie in diesem Tuch einzelne Punkte schimmerten, fast wie kleine Sterne.

Sie hatte noch einen Brief an ihre Mutter geschrieben, diesen in einen Umschlag gelegt und versiegelt, doch ihr blieb nichts anderes übrig als ihn zu dem anderen in die Schublade zu legen.

Edolien hatte ihr schließlich erklärt, dass der Kontakt mit den Menschen nicht erlaubt war.

Talisa erwachte am nächsten morgen, ehe die Dienerin da war. Sie hatte gar nicht bemerkt wann sie genau eingeschlafen war, doch nun hatte sie vor in dem stillen Flur entlang zu schleichen. Sonst folgte ihr immer die Dienerin auf jedem Schritt.

Jedoch kam die junge Frau gar nicht erst dazu, der prächtige Salon schien ihr größer als am Tag davor, sehr schnell merkte sie weshalb.

Ein wunderschöner Flügel, stand nun stolz in einer Ecke des Raumes, sie war in diesem Augenblick viel zu beschäftigt dieses Instrument zu bestaunen und bemerkte das neue Regal mit seinem Inhalt nicht.

Voller Freude setzte sie sich auf den Schemel, ehrfürchtig flog sie mit ihren Fingerspitzen über die glänzenden Tasten. Dann konnte sie sich einfach nicht mehr zurückhalten, sie legte ihre ganze Freude in das Stück welches im Klang so sauber durch den Raum drang, wie sie es noch nie gehört hatte.








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