11 - Was einen Vampir ausmacht

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Erst etwa zur Mittagszeit des nächsten Tages wachte ich wieder auf, ohne genau zu wissen, was passiert war. Silvester schien ich jedenfalls verschlafen zu haben. Etwas verwirrt und mit dröhnendem Schädel setzte ich mich im Bett aufrecht. Mir war übel, oder auch flau, das war schwer festzustellen, deshalb stand ich langsam auf und ging zu meiner kleinen Kochnische, wo noch ein trockenes Brötchen vom Vortag lag, das ich nahm und hinein biss.

Meine Kehle war so trocken, dass ich direkt etwas Leitungswasser hinterher trinken musste. Ich erholte mich langsam, auch wenn ich eine Art Schleier vor den Augen behielt, während nach und nach die Erinnerungen an den Vortag zurückkehrten. Alex und Rova hatten mir allerhand unglaubwürdige Geschichten erzählt und mir damit einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Vampire... das hörte sich auch einen Tag später noch bescheuert an. Danach war ich mit Rova allein. Er hatte mir eine Tablette oder Kapsel eingeflößt, ... mit einem Kuss!

Wie schön hätte es sein können, ihn zum ersten Mal zu küssen? Er zog es jedoch vor, meine Gefühle für ihn nur auszunutzen. Ich wünschte mir so sehr, mit jemanden darüber sprechen zu können. Aber wem, außer Alex, würde ich so etwas schon anvertrauen können? Dem Armen ging es am Abend zuvor gar nicht gut. Er konnte noch so sehr den Starken markieren, es war doch eindeutig, dass auch er jemanden an seiner Seite brauchte, nach allem, was er mit Rova durchzustehen hatte.

Entschlossen, Alex zu zeigen, dass ich dieser jemand für ihn sein konnte, klopfte ich an seine Tür. Leider öffnete er mir nicht, weshalb ich mich dazu hinreißen ließ, zu lauschen. Als ich Schritte vernahm, klopfte ich erneut und forderte ihn auf, gegen die verschlossene Tür rufend, mich einzulassen. Meine Hartnäckigkeit zahlte sich aus, denn plötzlich klinkte es kurz und heftig, worauf sich die Tür ruckartig einen Spalt breit öffnete. Alex stand allerdings nicht dahinter, deshalb schob ich die Tür vorsichtig auf und beobachtete, wie er sich gerade wieder an den Schreibtisch lehnte. Ich ging in den kalten Raum hinein. Alex' Empfang war so kühl wie die Raumtemperatur, aber ich wusste ja wieso, also war es okay.

„Was willst du?"

Es war gar nicht so leicht, ihm ins Gesicht zu blicken, denn nun trug er nicht mehr nur eine, sondern gleich fünf große Striemen über seinem nackten Oberkörper. Was um alles in der Welt hatte Rova nur mit ihm gemacht? Lange mustern konnte ich ihn aber auch nicht, denn das gehörte sich nicht. Es anzusprechen, schien mir obendrein unmöglich.

„Warum könnt ihr beiden nicht einfach ehrlich zu mir sein? Stattdessen tischt ihr mir irgendwelchen Unsinn auf. Wenn du Rovas Spiel nicht spielen willst, dann...-"

„Sei nicht so zickig! Ich glaub es ja nicht. Rova war gestern nochmal bei mir und beschwerte sich bei mir darüber, dass du es einfach nicht kapieren willst. Scheiße, er ist richtig ausgerastet. Er gibt mir die Schuld daran, dass du so naiv bist. Der Typ hasst mich. Sari hätte das hier alles besser gemacht. Sie hatte ein Gespür für solchen Gefühlsfirlefanz. Weißt du, was er mir sagte? Er wünschte sich Pete oder ich wären an ihrer Stelle gestorben. Nun gibt er mir auch noch die Schuld an ihrem Tod, dabei ist er es, der dieses hochgiftige Zeug überall rumliegen lässt."

Wütend warf er den Bürostuhl neben sich um und trat noch einmal dagegen. Ich fürchtete mich nicht vor ihm, sondern verstand seine Verärgerung sehr gut. Ich bewegte mich zu ihm, weil ich ihn beruhigen wollte, doch er stieß mich zur Seite in Richtung seines unordentlichen Bettes. Ich stolperte nach hinten, blieb mit den Beinen an der Bettkante hängen und fiel. Das Bett federte meine Arme und meinen Hintern aber zum Glück sehr weich ab.

„Ein schlechter Zeitpunkt, um mir nahe zu kommen, Prinzesschen",

drohte er, während er sich zittrig an den Mund fasste und auf mich zukam. Ich wollte mich aufrichten, doch da war er schon direkt vor mir. Ich Dummkopf merkte erst, dass ich die Situation völlig falsch eingeschätzt hatte, als er sich über mich beugte und meine Oberarme auf die Matratze drückte. Rova hatte doch nicht etwa recht damit gehabt, als er meinte, Alexander habe vor Gier nach mir gezittert?

Erzwungenes GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt