Verzweifelt schreie ich auf. "Seth!" Kreische ich panisch. Nichts. Der Junge grinst nur. "Du naives Kind!" Zischt er. Mit letzter Kraft versuche ich, seinem Griff zu entkommen, doch es nützt nichts. Ich bin ihm unterlegen. Ich werde sterben. Seth hatte recht. Ich bin zu schwach. Ich hatte niemals eine Chance auf den Sieg. "Runter von ihr." Ertönt eine Mädchenstimme. Ich kenne diese Stimme. Ich drehe meinen Kopf nach rechts. Da steht jemand. Levinia. Und sie sieht- anders aus... Sie funkelt den Jungen wütend an. Ihre goldblonden Haare wehen ihr leicht um ihr Gesicht, sie sieht nicht mehr schüchtern aus. In ihrer rechten Hand hält sie einen Säbel. Der Junge kichert nur. Irgendwie klingt das nicht normal. Es klingt... Krank... Hysterisch. "Geh von ihr runter!" Schreit Levinia plötzlich und kommt ein paar Schritte auf uns zu. Der Junge hört sofort auf zu lachen, sein Blick wird leicht panisch. Das Messer ruht immernoch an meiner Kehle. Eine falsche Bewegung seinerseits, und ich bin tot.
Levinia richtet ihr Säbel auf den Jungen, der zurückweicht. "Verpiss dich, oder ich mach dich kalt." Zischt sie. Der Junge bewegt sich nicht. "Die haben gesagt, sie ist nicht gefährlich." Flüstert er zu sich selbst. Fassungslos sehe ich dabei zu, wie Levinia ausholt. Der Säbel bohrt sich mit der Schneideseite in den Hals des Jungen. Dieser krächst, versucht zu schreien- Wieso stirbt er denn nicht?! Levinia zieht den Säbel aus dem Hals und ich schubse den Jungen von mir, strampele ihn von mir weg. Ich will nicht sehen, wie er aussieht, kann meinen Blick aber nicht von ihm wenden. "Wer nicht hören will, muss fühlen!" Murmelt Levinia sauer. Dann hebt sie ihren Arm. Schnell wende ich meinen Blick ab und verziehe das Gesicht. Man hört ein widerliches Geräusch, schlagartig wird mir schlecht, wie ein... Schmatzen.
Dann knallt die Kanone. Noch immer schaue ich nicht zu dem Jungen, ich will es nicht sehen. "Es ist vorbei." Keucht Levinia. Ich nicke nur, zu geschockt, was gerade passiert ist. "Du hast... Mir mein Leben gerettet." Murmele ich. Levinia lacht leise. Nicht so ein Lachen wie das des Jungen, nein. Ein müdes Lachen. "Nein, im Ernst. Danke. Du hast mir mein Leben gerettet. Das hättest du nicht tun müssen. Du hast dabei dein eigenes riskiert." Levinia hört auf zu lachen. "Komm mit." Flüstert sie und dreht sich um. Ich folge ihr. Wir rennen weg vom Füllhorn, weg von dem Jungen, zurück in den Wald. Nach ein paar Metern sind wir im sicheren Gestrüpp und setzten uns hin. Levinia begutachtet ihr Säbel. Mit einem Finger streicht sie über das frische Blut. Ich erinnere mich, wie geschockt sie reagiert hatte, als sie ihren ersten Menschen getötet hatte. Sie war den Tränen nahe gewesen. Was war nur mit ihr passiert? "Alles... Okay?" Beginne ich. Levinia lächelt. "Also, mir geht es super. Und dir?" Wie locker sie das sagt, so als ob ich nicht gerade fast von einem Jungen ermordet wurde, so, als wäre das gerade nicht passiert. "Nein, dass meine ich nicht. Du wirkst... Anders." Murmele ich. Levinia hört auf, mit ihrem Finger über das Blut zu streichen und schaut mich an. "Heleyn. Du denkst doch nicht im Ernst, dass ich wirklich diese kleine... zerbrechliche Mädchen bin, oder? Wäre ich sonst hier?" Sie schüttelt den Kopf. "Nein, ich bin hier, weil ich kämpfen kann. Weil ich die Spiele gewinnen soll. Sonst nichts." Levinia kniet jetzt und beugt sich leicht nach vorne. "Das war alles nur Tarnung. Alles abgesprochen. Ich bin ein Karriero. Als ob ich rumheule, nur weil ich jemanden getötet habe." Sie lacht leise. "Ich sage nicht, dass es mir nichts ausmacht," fügt sie dann hinzu, "Ich tue das da draußen nur, um zu überleben. Mehr nicht." Sie steht auf und hält mir ihre Hand hin, nach welcher ich greife und mich hochziehe. "Komm, ich will wissen, welche Idioten sich als nächstes aufs Schlachtfeld stürzen." Sie deutet mit einem Nicken zum Füllhorn hin und geht auf die Lichtung zu. Am Rand bleibt sie stehen und hockt sich hin, jederzeit bereit, wieder aufzuspringen und jemanden umzubringen. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass es Levinia gut geht, und dass sie mich gerettet hat erst recht. Und vielleicht ist es gar nicht so schlecht, sie an meiner Seite zu haben. Ich gehe auf sie zu und hocke mich neben sie. Dann suche ich den Rand des Waldes um uns herum ab, ob Seth irgendwo hier ist. Nichts. "Seth geht es wohl gut. Denk ich mal." Flüstert Levinia, als ob sie Gedanken lesen könnte. "Immerhin habe ich noch keine Kanone gehört." Das sie so kalt ist macht mir irgendwie Angst. Aber wenn sie mich töten wollte, hätte sie es schon getan, oder?
Irgendwo neben uns raschelt es wieder im Gebüsch und ein Tribut, ein blondes Mädchen, stolpert auf die Lichtung. Langsam geht sie auf das Füllhorn zu, bleibt aber ungefähr auf der Höhe stehen, auf der der Junge in die Luft gesprengt wurde. Sie schaut sich um, natürlich weiß sie, dass eine falche Bewegung sie umbringen würde. Jetzt erst fällt mir auf, dass das rothaarige Mädchen weg ist. Ich vernehme eine Bewegung hinter dem Füllhorn, das muss sie sein.
Das blonde Mädchen atmet tief ein, dann hebt sie ihren Fuß, setzt ihn vor sich hin- Nichts passiert. Freudig atmet sie aus, doch sicher ist sie immernoch nicht. "Überall um das Füllhorn und um die Tische sind Landminen von den Spielemachern eingeschaltet worden. Ist doch klar." Flüstert Levinia mir zu. Ich nicke, sowas hatte ich mir schon gedacht. Das Mädchen lasse ich nicht aus meinen Augen. Sie macht noch einen Schritt, noch einen, es passiert nichts. "Man, hat die Glück." Meint Levinia. "Oder sie ist einfach nur extrem schlau." Gebe ich zurück. "Vielleicht kommt sie aus drei, da lernen die viel über Landminen und sowas. Technologie halt." Levinia schaut mich beeindruckt an. "Mensch, so dumm bist du ja gar nicht!" Staunt sie grinsend. Ich verstehe nicht, wie sie in so einer Situation noch so gelassen sein kann. Das Mädchen hat die Hälfte des Weges bereits geschafft. Noch vier, drei, zwei, einen Schritt- Sie kommt an den Tischen an. Sie atmet tief durch, genau wie ich auch. 'Vielleicht kann man genau den gleichen Weg gehen...' denke ich mir. 'Einfach dem Mädchen folgen und zu den Tischen gelangen...' Das Mädchen ist bereits weg, doch ein Junge hat scheinbar die gleiche Idee wie ich. Er rennt aus seinem Versteck, die gleiche Strecke, wie das Mädchen auch. Hinter dem Füllhorn bewegt sich wieder etwas, die Rothaarige, sie verfolgt jeden seiner Schritte. Plötzlich schießt ein Pfeil aus dem Wald, er fliegt auf die Beine des Jungen zu.
Ein Schrei verrät mir, dass derjenige, der den Pfeil abgeschossen hat, getroffen hat, im nächsten Moment explodiert etwas, dann die Kanone. Der Junge ist so ungünstig gefallen, dass er eine der Minen ausgelöst hat. "Oh, jetzt haben alle Angst, was?" Ruft jemand und zwei Gestalten, die eine Dritte hinter sich herschleifen, betreten die Lichtung. "Niemals..." Haucht Levinia. Ich weiß schon, wer das ist.
Rafail und Aurela. Und sie haben Seth dabei.
Feedback?:) Und wie findet ihr die Geschichte jetzt so? Ist ja ziemlich viel passiert;)
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Die Tribute von Panem- Die 25. Hungerspiele
FanfictionFünfundzwanzig Jahre Hungerspiele- Das muss gefeiert werden! Für das erste Jubel-Jubiläum hat sich das Kapitol etwas besonderes ausgedacht. Die Spiele sollen besser werden denn je! #2 in Panem