10- Bruder Sewolts Geschichte

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10- Bruder Sewolts Geschichte

Bruder Vallentin und Endres hatten sich ins Gras gesetzt und etwas vom Proviant gegessen. „Bruder Sewolt kam vor etwa zehn Jahren ins Kloster. Er ist noch gar nicht so alt, wie er aussieht", begann Vallentin zu erzählen. „Wie alt ist er denn?", fragte Endres. „Mitte dreißig", antwortete Bruder Vallentin. „So hätte ich ihn nicht geschätzt", gestand Endres. „Er sieht deutlich älter aus", stimmte ihm der Mönch zu und fuhr fort:

„Er hat einen Zwillingsbruder, der aber nicht bei uns im Kloster ist. Es ist eine ziemlich verwirrende Geschichte, aber alle im Kloster wissen von Bruder Sewolts Vergangenheit. Er wuchs mit seinem Zwillingsbruder und sieben anderen Geschwistern auf einem Rittergut auf. Sein Vater war Ritter und er und seine Männer zogen durch die Lande und halfen den Menschen auf den Dörfern zum Beispiel bei der Ernte.

Der Vater nahm seine Kinder oft mit und während Sewolt das Helfen mochte, war sein Bruder Mathes immer griesgrämig gelaunt. Er hat oft den Dorfbewohnern etwas gestohlen oder sie geärgert, worüber sein Vater natürlich nicht sehr erfreut war. Doch dann suchte der König Ritter für seine Armee und wollte einen guten Preis zahlen, da verließen die Hälfte der Männer das Rittergut, um sich dem König anzuschließen.

Im folgenden Winter starb Sewolts Vater plötzlich und er hatte alles Sewolt vererbt, da er dachte, dass er das Erbe am gerechtesten aufteilen würde. Als Mattes davon erfuhr, drohte er Sewolt ihn umzubringen, wenn er die Burg und alle verbliebenen Ritter nicht ihm überlassen würde. Das tat Sewolt auch, aber dann beanspruchte Mattes auch alles andere für sich: das Gesparte, die Schätze, einfach alles was in der Burg zu finden war.

Dann drohte er auch noch seiner Mutter und seinen Geschwistern, die alle jünger sind als er und Sewolt, sie ebenfalls umzubringen, wenn sie sich ihm nicht anschlossen oder innerhalb eines Tages verschwanden. Seine Mutter widersprach ihm und wollte ihn ins Gewissen reden, aber da hatte er schon das Schwert gezückt. Im letzten Moment stellte sich Sewolt vor seine Mutter und seine Geschwister und rettete ihnen somit das Leben.

Seine Mutter und all seine Geschwister bekamen einen Tag Zeit ihre Sachen zu packen und zu verschwinden. Das taten sie auch und seitdem hat Bruder Sewolt sie nicht mehr gesehen. Mattes hatte indes alle Ritter um sich versammelt, um mit ihnen einen Plan auszuhecken. Sie wollten als Raubritter umherziehen. Sewolt versuchte sie davon abzuhalten, aber Mattes wollte nicht auf ihn hören. Als er noch einmal davon abgesehen hatte, Sewolt umzubringen, gab er auch ihm einen Tag Zeit, seine Sachen zu packen.

Sewolt musste das Rittergut unter dem Gespott der Ritter und seinem Bruder verlassen, bis er nach einer langen Reise dann hier im Kloster ankam. Seitdem ist er hier bei uns, während sein Bruder als Raubritter durch die Gegend zieht. Da das Kloster einen großen Schatz besitzt, hat Sewolt Angst, dass sein Bruder es ihm irgendwann heimzahlt und das Kloster überfällt. Er hat deshalb auch alle Wertsachen versteckt und jetzt will er auch noch den Schatz finden, um ihn auch in Sicherheit zu bringen."

„Das wäre ja was, wenn Mattes das Kloster ausrauben wollte", meinte Endres verständnislos. „Er macht vor nichts halt...", seufzte Vallentin. „Er hat Spaß daran, Menschen zu quälen und ihnen Leid anzutun und die wenigen Sachen, die sie besitzen zu rauben. Solche Menschen sollten in der Hölle schmoren!" Er nahm sich noch eine Scheibe Brot. „Das ist dann aber die letzte", mahnte Endres. „Das war jetzt die sechste Scheibe!"

„Du hörst dich schon an wie die anderen", sagte Bruder Vallentin. „Doch du hast Recht. Ich muss weniger essen." Danach ruhten sie sich eine Weile im Gras aus. „Was denkst du, was dich im Dorf erwartet?", fragte Bruder Vallentin schließlich. Endres ließ sich Zeit mit der Antwort. „Ich weiß es nicht", gab er schließlich zu.

„Wahrscheinlich ist alles zerstört." „Warum willst du ins Dorf zurück?", wollte Bruder Vallentin wissen. „Ich will wissen, was mit meiner Mutter passiert ist", antwortete Endres. „Das kann ich verstehen", stimmte ihm Vallentin zu. „Es ist meine Schuld, dass sie nicht mit ins Kloster gekommen ist", murmelte Endres. „Alles meine Schuld!"

„Ist es bestimmt nicht", meinte Bruder Vallentin tröstlich. „Du kannst nichts dafür. Du hast Lorentz gerettet, da konntest du nicht auch noch nach deiner Mutter sehen." „Doch", erwiderte Endres. „Das hätte ich tun sollen. Wenn sie nun tot ist?"

Bruder Vallentin seufzte schwer. „Das kann ich dir nicht sagen", murmelte er. „Aber manchmal hilft es, wenn du fest an etwas glaubst. Dann geht es auch meistens in Erfüllung." „Du meinst, wenn ich fest daran glaube, dass meine Mutter noch am Leben ist, dann geht das auch in Erfüllung?", versicherte sich Endres. Bruder Vallentin nickte. „Versprochen!"


Im Reich der Wölfe - Neumond (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt