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Jungkook's PoV.:

Für mich gab es wohl kaum etwas schöneres, als das Geräusch von prasselnden Regentropfen. Ich konnte ihnen stundenlang zuhören. Sie drängten das Chaos in meinem Kopf beiseite und beruhigten mich auf eine Art, wie es nicht einmal meine Medikamente tun konnten. Sie ließen mich vergessen, dass ich über mehrere Schläuche und Kabel an lebenserhaltene Geräte angeschlossen bin. Ich hatte Krebs im Endstadium. Die Krankheit fraß sich seit meiner Kindheit durch meinen Körper und raubte mir mit 17 Jahren den letzten Verstand. Ich konnte weder laufen, noch aufrecht sitzen. Lediglich meine Arme funktionierten ein bisschen. Aber auch nur, weil ich zwei Mal wöchentlich zur Physiotherapie ging. Gezwungenermaßen, denn meine Eltern bestanden darauf. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten sie die ganzen Therapien absagen und die Geräte um mich herum abstellen können. Es war aussichtslos. Früher oder später würde ich sowieso sterben. Also warum meinem Leid kein Ende setzen?

Der Tod machte mir keine Angst mehr. Für mich war er wie langersehnter Freund, den ich unbedingt in meine Arme schließen und nie wieder loslassen wollte. Doch die Geräte um mich herum, ließen das nicht zu. Sie hielten mich am Leben. An ein Leben, dass ich mit jeder Faser meines Körpers verabscheute.

Ein Klopfen an der Zimmertür riss mich plötzlich aus meinen Gedanken. Ich rollte den Kopf zur Seite und sprach ein heiseres: „Herein". Kurz darauf öffnete sich die Tür und zum Vorschein kam meine persönliche Pflegekraft Kim Sohyun. Sie hatte ihre langen braunen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden und strahlte über das ganze Gesicht. „Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich dir", sagte sie, während sie einen Rollwagen hinter sich hereinzog. Ich antwortete nicht. „Wie geht es dir heute?", wollte sie wissen. „Ich liege im Sterben", erwiderte ich daraufhin schroff und Sohyun holte einmal tief Luft. „Ich gebe zu, das war eine dumme Frage", gestand sie. Ich brauchte ihr nicht zuzustimmen. Zum einen, weil ich nicht die nötige Kraft dafür aufbringen konnte und zum anderen, weil mir Sohyun's Eingeständnis reichte.

„Wieso ist es eigentlich schon wieder so dunkel hier", sie stemmte ihre Hände in die Hüften und sah sich dann in meinem Zimmer um, „Du sollst dir doch wenigstens das kleine Nachtlicht anmachen. Ich weiß, dass du es so lieber magst... Aber auf Dauer ist das nicht gut für deine Augen".

Ich drehte den Kopf zurück zur Fensterseite.

„Jungkook", sagte sie ernst und dann hörte ich ihre Füße über den Linoleum Boden wandern. Im nächsten Moment knipste sie die kleine Lampe auf meinem Nachttisch an. Mein Zimmer wurde von einem gelblich warmen Licht durchflutet und ich verzog das Gesicht. „Na siehst du. Jetzt kannst du auch das neue Bild gegenüber von deinem Bett vernünftig sehen. Wahrscheinlich ist es dir noch gar nicht aufgefallen, was?", mutmaßte sie und fing an meine Werte auf den Monitoren abzuchecken. Angestrengt blinzelte ich durch den Raum, bis ich das neue Bild entdeckte. Es war ein Ölgemälde, dass von einem schrecklich goldenen Rahmen umrahmt wurde. Das Bild zeigte eine herbstliche Waldlichtung. Der Boden war mit bunten Blättern übersäht und in der Ferne – über Felder und Wiesen hinweg – konnte man eine riesige Burg erkennen, auf dessen höchster Turm eine weiße Fahne wehte.

„Dir ist es also wirklich noch nicht aufgefallen", stellte Sohyun fest, als sie meinen verwunderten Blick sah. Sie fuhr fort: „Mein Vater hat es gemalt und dem Krankenhaus gespendet. Als ich es gesehen habe, musste ich sofort an dich denken und habe zugesehen, dass das Bild in dein Zimmer kommt".
„Und was soll dieser hässliche Bilderrahmen?", brachte ich hervor, ohne auf ihre Worte einzugehen. „Der Bilderrahmen ist doch nicht hässlich! Das ist Antik!", platzte es aus ihr heraus. Ein amüsiertes Grinsen brach auf meinen Lippen aus. Allerdings versuchte ich es sogleich zu kontrollieren, denn meine Lippen waren spröde und drohten aufzuplatzen.

„Ich dachte es würde dir gefallen. Aber wenn es dir wirklich nicht gefällt, kann ich es auch gerne wieder mitnehmen", sichtlich genervt griff sie hinter meinem Nachtschrank und holte dort einen kleinen Klapptisch hervor. Sie breitete ihn über meine verdeckten Beine aus. Kurz darauf folgte eine kleine Schüssel, ein Becher Wasser und eine Tablette. Ich festigte den Griff um die Fernbedienung in meiner linken Hand, ehe ich den Schalter darauf betätigte. Mit einem tiefen Brummen richtete sich der Kopfteil meines Bettes auf und ich konnte in die mir vorgesetzte Schüssel hineinschauen. Darin dampfte Gemüsesuppe. Wie beinahe jeden Tag.

„Lass es hängen", sagte ich und versuchte mit schwachen Fingern die Tablette zu nehmen. Doch sie war so klein, dass sie zwischen meinen steifen Fingern immer wieder wegrutschte. Schließlich hielt Sohyun sie mir in ihrer gewölbten Hand hin und ich konnte problemlos danach greifen. Ich nahm sie in den Mund und schluckte sie zusammen mit dem Wasser, welches Sohyun mir an die Lippen hielt, herunter. Ein bitterer Geschmack blieb auf meiner Zunge zurück. Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus und ich verzog angeekelt das Gesicht. „Hier, iss schnell was. Das schmeckt besser", Sohyun hielt mir einen vollen Löffel von der Gemüsesuppe entgegen und ich kam ihren Worten nach. Auch, wenn ich die flüssige Nahrung echt nicht mehr schmecken konnte. Aber mir blieb nichts anderes übrig, denn mein Magen ließ sich auf nichts anderes ein. Keine Nudeln, kein Reis. Ich konnte nicht einmal mehr Obst essen, weil ich danach Kotzen musste.

„Ach übrigens", ergriff Sohyun wieder das Wort, während ich auf einem aufgeweichten Stück Karotte kaute, „Eigentlich wollte Doktor Yoo heute zu dir kommen und mit dir über die Ergebnisse deiner letzten Chemotherapie sprechen. Aber das wird wohl auf morgen verschoben. Es gab nämlich vor drei Stunden einen riesigen Autounfall mit mehreren Toten. Nur ein paar Leute haben überlebt und müssen jetzt Notoperiert werden", erklärte Sohyun mir. „Mhh", brummte ich. Zugegeben verärgerte es mich ein bisschen, denn morgen würden meine Eltern zu Besuch kommen und ich wollte das Gespräch über meine Chemotherapie eigentlich ohne sie abhalten. „Deswegen kann ich heute auch nicht allzu lange bei dir bleiben. Aber ich glaube das stört dich nicht, mh?", sie lächelte matt und führte wieder einen Löffel Suppe zu meinem Mund. Ich deutete ein schulterzucken an, ehe ich die Flüssigkeit herunterschlürfte. Sohyun's Miene änderte sich. Es war eine Mischung aus Traurigkeit und Mitleid, die sich wie eine schwere Decke um meinen Körper schloss und mich zu ersticken schien. Mein Appetit verging und ich hatte große Mühe, den nächsten Löffel Suppe herunterzuschlucken. Als ich es geschafft hatte, lehnte ich meinen Kopf zurück auf die Matratze.

„Ich bin müde", ohne ihre Reaktion abzuwarten, betätigte ich wieder den Schalter meiner Fernbedienung und das Kopfende meines Bettes fuhr zurück nach unten. „Schon gut. Aber du musst noch Zähneputzen", erwiderte Sohyun leise. Offenbar hatte sie den Umschwung in meiner Stimme bemerkt. „Brauch ich nicht", nuschelte ich. „Jungkook", Sohyun sah mich erwartungsvoll an. „Kannst du das Licht ausmachen, wenn du rausgehst?", fragte ich nach und schloss einfach die Augen, um sie auszublenden. „Du weißt, dass ich deinen Eltern von diesem Verhalten berichten werde", sprach sie. Kurz darauf hörte ich, wie sie das Geschirr zurück auf den Rollwagen räumte. Auch der Klapptisch auf meinem Bett wurde weggestellt und schließlich erlisch endlich das Licht. Schritte entfernten sich. Die Tür wurde aufgemacht und ich konnte Sohyun noch ein letztes Mal sprechen hören. „Gute Nacht, Jungkook", sagte sie. Dann verschwand sie endlich.

Ich gab ein zufriedenes Seufzen von mir und öffnete meine Augen wieder. Mittlerweile war es draußen richtig dunkel geworden. Einzig und allein das Licht der Straßenlaternen spendete etwas Licht. Die Regentropfen an der Fensterscheibe glitzerten in ihrem Schein und es sah so schön aus, dass mein Herz ganz schwer wurde. Was würde ich bloß darum geben, noch ein einziges Mal den Regen auf meiner Haut und den Wind in meinen Haaren zu spüren.

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Hallöchen ihr Lieben! Willkommen bei meiner neuen Story. Es ist nun doch die TaeKook Story geworden und ich hoffe das erste Kapitel hat euch gefallen :3 Lasst mir gerne eure Meinung da ~

Ich habe schon einiges vorgeschrieben und hoffe einen guten Puffer zu haben, damit ich euch mindestens jede Woche updaten kann. Da ich gerade eine Ausbildung mache, kann ich aber nichts versprechen.

Viel Spaß euch beim Lesen!

My Time // TaeKookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt