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Jungkook's PoV.:

Meine Eltern kamen am Vormittag. Sie klopften leise an, für den Fall das ich noch schlief, und streckten dann vorsichtig ihre Köpfe durch den Türspalt. Als ich ihre Blicke erwiderte, kamen sie rein. In den Händen meiner Mutter raschelte ein Blumenstrauß. Ich konnte mir den vorwurfsvollen Blick nicht verkneifen, doch sie lächelte bloß und umarmte mich. „Hallo, mein Schatz", ein Kuss auf meine Wange folgte. Ihre Lippen waren kalt von der frischen Herbstluft draußen. „Na, wie geht es dir?", fragte mein Vater und streichelte über meinen Kopf. „Ganz okay", antwortete ich, obwohl das fernab der Wahrheit war. Erst vor zwei Stunden hatte ich meine Tabletten genommen und nun beschlich mich ein träges Gefühl. Es fiel mir schwer die Augen offen zu halten, geschweige denn zu reden.

„Du siehst müde aus", lächelte meine Mutter traurig. „Ach was", versuchte ich zu bestreiten und schaute wieder auf den Blumenstrauß in ihren Händen herab, „Hatten wir nicht eine Abmachung?".

„Was meinst du?", hakte sie gespielt nichtsahnend nach. „Die Blumen", erklärte ich. „Ich habe versucht sie aufzuhalten, wirklich", kam es von meinem Vater, der sich gerade seiner olivfarbenen Jacke entledigte. Als er fertig war, half er meiner Mutter aus ihrem roten Mantel. „Aber sie wollte nicht hören", fuhr er fort. „Die Blumen sind schön", bestritt sie empört. „Das sind sie auch. Nur hat unser Sohn ausdrücklich gesagt, dass er keine Blumen mehr bekommen möchte", sprach mein Vater und ersparte mir damit die Diskussion. „Sein Zimmer sieht so langweilig aus. Ein bisschen Farbe muss sein. Sieh nur was ich für wunderschöne Sorten ausgesucht habe", sie hielt mir den Strauß entgegen, „Ein bisschen Gelb für Freude und ein bisschen Orange für Glück. Das Grün drumherum steht für Kraft und Gesundheit. Und das Weiß für-...".
„Reinheit", brachte ich hervor. „Reinheit und Frieden", meine Mutter nickte zustimmend, ehe sie den verwelkten Strauß auf meinem Nachtschrank gegen den Neuen eintauschte. Sie verschwand kurz im Bad, um frisches Wasser zu holen.

„Tut mir leid", entschuldigte sich mein Vater. Er ließ sich zu meiner linken Seite auf der Bettkante nieder und nahm meine Hand in seine. Zuerst tätschelte er sie bloß, doch dann streichelte er zärtlich mit dem Daumen darüber. Ich spürte die dicken Schwielen seiner Handinnenfläche. Er arbeitete als Bauarbeiter, weswegen seine rauen Hände nicht zu vermeiden waren. Sie hatten sich schon immer so angefühlt. Für die meisten mochte das ein unangenehmes Gefühl sein, aber mich erinnerte es an Zuhause. In diesem Moment war ich nicht der siebzehnjährige Jeon Jungkook, mit Krebs im Endstadium. Ich war der vierjährige Jungkook, der in seinem Kinderzimmer im Bett lag und auf seine Gute-Nacht Geschichte wartete. „Ich habe wirklich versucht sie davon abzuhalten. Aber du kennst deine Mutter. Sie ist ein kleiner Dickkopf und bekommt immer ihren Willen", sagte er, als ich ihm nicht antwortete und bloß auf unsere ineinander verschränkten Hände starrte. „Das habe ich gehört", trällerte sie, während sie zu uns zurückkam. Sie platzierte die neuen Blumen und sah sich ihr Werk voller stolz an.

Genau in diesem Moment klopfte es ein zweites Mal an meine Tür und Doktor Yoo kam herein. Im Schlepptau lief seine Assistentin Kim Goeun. Sie war eine enge Freundin von Sohyun und laut ihr gingen Goeun und Doktor Yoo miteinander aus. Aber ob das wirklich der Wahrheit entsprach, konnte ich nicht genau sagen. Jedenfalls sahen sie ziemlich gut nebeneinander aus.

„Hallo Jungkook", lächelte Doktor Yoo mir zu und mit einer Verbeugung zu meinen Eltern sagte er, „Frau Jeon, Herr Jeon – es freut mich das wir uns wiedersehen. Wie geht es Ihnen?".

„Uns geht es soweit ganz gut. Gibt es Neuigkeiten zu der Chemotherapie unseres Sohnes?", antwortete meine Mutter, während sie eine Hand auf meine Schulter legte. Ich spürte, wie sich ihr Griff verfestigte. Als würde sie verzweifelt daran Halt suchen. Dabei bestand ich nur noch aus Haut und Knochen und konnte ihr wohl kaum den nötigen Halt geben. „Nun ja...", fing Doktor Yoo an und seine runden Augen wanderten zu mir zurück. Er ließ sich von Goeun ein Klemmbrett geben. Ich vermutete, dass darauf die Ergebnisse meiner letzten Untersuchung standen. Sie hatten mehrere Bluttests und Röntgenbilder durchgeführt, um zu schauen ob meine vierte Chemotherapie anschlug. Der folgende Blick von Doktor Yoo reichte aus, um mir meine Frage zu beantworten.

My Time // TaeKookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt