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Jungkook's PoV.:

Ich vermied den Trampelpfad, als ich aus dem Wirtshaus trat. Meine gesunden Füße trugen mich stattdessen durch die engen Zwischenräume der Wohnhäuser entlang. Hier waren kein lauter und stinkender Trubel und ich konnte mir Zeit lassen, um ein Gefühl für das kleine Dorf zu kriegen. Je weiter ich raus ging, desto größer wurde der Platz für die einzelnen Hütten. Durch ihre jämmerlich zusammengenagelten Holzdielen konnte ich mir teilweise sogar einen Blick ins Innere verschaffen. Ich wollte nicht spionieren, aber letztendlich überkam mich die Neugierde und ich schaute hier und da in die Hütten rein. Sie bestanden lediglich aus einem Raum. In der Mitte lag meist ein Feuerplatz, über dessen ein Kessel hing. Wahrscheinlich bereiteten sie darin ihr Essen zu. Einen Schlafplatz gab es auch, welcher in den meisten Haushalten aus einem Strohhaufen und Tierfellen bestand. Was genau das für Tiere gewesen waren, konnte ich nicht sehen. Lediglich, dass ein paar Häute längeres Fell hatten, als andere.

Ich entdeckte auch endlich die Frauen, über dessen Aufenthalt ich mich schon gewundert hatte. Sie kochten, oder schrubbten den Boden. Eine von ihnen hatte einen riesigen Bottich mit Wasser vor sich stehen und wusch darin ihre Wäsche. Immer wieder rieb sie den cremefarbenen Stoff einer dreckigen Tunika aufeinander. Ich schlich um ihre Hütte herum, denn ich hatte die Vermutung, dass sie ihre Wäsche in der prallen Nachmittagssonne aufhängen würde. Eine Wäscheleine hinter ihrem Haus bestätigte meinen Verdacht. Das dünne Seil war von einem Dach zum nächsten Dach gespannt. Es hing sogar schon Wäsche daran. Bettlaken, Handtücher, Taschentücher und auch Kleidung. Von langen Hosen, bis hin zu kurzen Hosen. Tunika, Hemden, Socken und Unterwäsche. Wahrscheinlich durften die umliegenden Häuser auch ihre Sachen über das Seil hängen.

Unauffällig sah ich mich um. Bis auf einen streunenden Hund, konnte ich allerdings keine Bewegungen registrieren und so schlenderte ich beiläufig unter der Wäscheleine entlang. Mit erhobener Hand tastete ich die Kleidungsstücke ab. Sie waren alle trocken, bis auf ein paar Ausnahmen. Ich zögerte nicht lange, bevor ich mir eine lange Hose und eine Tunika von der Leine riss und losrannte. Ich rannte trittsicher und flink zwischen den Hütten entlang. Über herumstehende Kübel und Eimer hinweg. Als ich eine der letzten Hütten passierte, blieb ich jedoch ruckartig stehen und visierte die Schuhe an, die vor der Eingangstür standen. Ich griff danach und rannte weiter.

Mein Weg führte mich aus dem Dorf raus. Ich rannte über das frische grüne Gras, bis ich mich dem ersten Hügel näherte und mein Tempo drosseln musste, weil mir der Atem ausging. Der Aufstieg kostete mich sämtliche Willenskraft. Stöhnend und ächzend krabbelte ich den Hügel hoch. Als ich oben angekommen war, brach ich zusammen. Ich landete mit dem Gesicht voran im Gras und schloss die Augen, um dessen himmlischen Duft einzuatmen. Dann drehte ich mich auf den Rücken und ließ die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut tanzen. Die Tatsache, dass meine Beine von der ganzen Rennerei schmerzten und meine Lungen zu explodieren drohten, störte mich nicht. Vielmehr genoss ich das Gefühl. Vor allem das der kitzelnden Grashalme unter meinen Fußsohlen.

Als sich mein rasendes Herz beruhigt hatte, setzte ich mich auf und blinzelte vorsichtig gegen die Helligkeit an. Der Anblick, der sich mir daraufhin bot, war atemberaubend. Der Hügel bot einem die perfekte Übersicht über das Dorf. In der untergehenden Sonne leuchtete jede einzelne Hütte in Bernsteinfarben. Die Menschen sahen aus wie Ameisen in ihrem Bau und ich konnte nun auch den Marktplatz entdecken, auf dem bereits Blumengirlanden und Laternen aufgehängt wurden. Die hügelige Landschaft und der Wald, dessen Bäume in weiter Entfernung zu meiner linken aufragten, waren von einem goldenen Schimmer überzogen. Das hier war allemal besser als der Ausblick aus meinem Krankenhaus in Busan. Dort hatte ich immer nur graue Wohnblöcke und Straßen voller Autos gesehen.

Ich winkelte die Beine an und umklammerte sie mit beiden Armen, um Halt zu finden. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Diese Welt schien so perfekt, so wunderschön. Aber vor allem wirkte sie so real. Doch die untergehende Sonne machte mir Angst. Ich hatte das ungute Gefühl, dass die herannahende Nacht diese Welt verschlucken und nicht mehr hergeben würde. Dann wäre ich verloren.

Ich schaute auf meine Füße herab und streckte eine Hand nach ihnen aus. Es glich einem Wunder, dass sie gesund waren, und ich auf ihnen laufen konnte. Dass ich meinen Zehen jede mögliche Bewegung abverlangen konnte. Dass ich mit ihnen wackeln, oder Grashalme aus der Erde rupfen konnte.
Während ich sie so ansah, wurde mir bewusst das ich diesen Traum nicht aufgeben wollte. Nein, denn ich wollte leben. Noch nie wollte ich etwas so sehr. Ich wollte leben und diese Welt hier erkunden. Ich wollte Freunde und Arbeit finden. Ich wollte mich selbst finden. Ich wollte mich selbst erfahren. Ich wollte einfach leben und die Zeit, die ich im Krankenhaus durch den Krebs verloren hatte, wieder aufholen.

Ich warf einen letzten Blick auf den goldgelben Horizont. Dann griff ich nach den Schuhen, die ich mir von dem Haus am Rande des Dorfes geklaut hatte. Sie waren nichts Besonderes. Bloß heruntergelaufene Schlappen, ohne feste Sohle und ohne Verzierungen. Ich vermutete, dass sie aus Tierhäuten bestanden, denn der braune Stoff fühlte sich ledrig an und stank bestialisch. Er wurde mit cremefarbenen Fäden zusammengehalten und reichte mir bis zum Schienbein. Mein Blick fiel auf die bescheidenen Klamotten, die ich mir ausgesucht hatte. Einen Moment zögerte ich, denn ich wollte nicht beobachtet werden, wenn ich mich umzog. Dann streifte ich mir mein Merchandise T-Shirt von Iron Man über den Kopf und warf mir stattdessen die weiße Tunika über. Danach folgte die Hose. Sie war lang und luftig, mit einem schmalen Band auf Hüfthöhe, um sie dort festzuziehen. Als ich aufstand und an mir heruntersah, kam ich mir vor wie ein Geist. Die Sachen sahen an meinen langen, dünnen Gliedern viel zu groß aus. Als würde ich die Sachen von meinem Vater tragen. Er hätte sich dumm und dämlich gelacht, wenn er mich in dieser Montur gesehen hätte.

Der Gedanke zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich setzte mich zurück in das Gras, welches in der untergehenden Sonne warm geworden war, und schaute über die weite Landschaft hinweg. Über den Ort, an dem ich für immer und ewig bleiben wollte. Eins stand in diesem Moment für mich fest; Ich würde heute Nacht kein Auge zu machen.

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Shame on me, aber ich habe es nicht geschafft dieses Kapitel zu meinen Wünschen zu bearbeiten. Aber naja, nicht jedes Kapitel kann perfekt sein. Als Entschuldigung für mein überaus spätes Update gibt es diese Woche zwei Updates ^^ Und damit kommen wir auch endlich dem Treffen von TaeKook näher~

My Time // TaeKookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt