Mutter von Susan / Margrit Mcgeen

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„Nein, mir geht es nicht gut. Danke der Nachfrage. Ich möchte einfach nur so schnell wie möglich dieses Gespräch über Sue…. Beenden.“

Margrit mochte Maik nicht. Wie sollte es ihr gut gehen, wenn ihre Tochter Leute, und noch schlimmer, sich selber umgebracht hat? Wie sollte sie damit umgehen, oder gar weiterleben?                                               

„Sie war nicht gerade ein fröhliches Kind, sondern eher nachdenklich und zurückhaltend.                        

Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie fort ist. Da kommt niemand mehr um halb drei nachhause und isst mit mir und mein Mann Mittag. Niemand den ich abends mehr ins Bett bringen kann. Niemand der einfach bei mir sitzt und mit mir lange aus dem Fenster starrt. Sie wird nie mehr wieder kommen.   Ich werde nie wieder ihre Stimme hören, ihren Geruch riechen oder ihre Berührungen spüren.             

Kennen Sie diese Leere in einen? Man ist umgeben von Menschen die dich durch diese dunkle Zeit leiten wollen, doch du kannst einfach kein Licht am anderen Ende des Tunnels sehen. So viele Leute und du fühlst dich trotzdem alleine. Kennen sie den Verlust von so einem geliebten Menschen in ihrem Leben?“  

Margrit machte es nichts aus, als Maik nicht antwortete. Sie wollte keine mitleidende Worte oder eine Geschichte seiner Seits. Sie wollte gar nichts. 

„Ich glaube, dass mein Mann eine große Rolle in dem allen spielte. Es machte Sue fertig mit anzusehen, wie er mich rum kommandierte und mich behandelte. Es ist keine glückliche Ehe die ich mit ihm führe. Ich habe ihn lediglich wegen des Geldes geheiratet. Ich war schwanger, hatte keine Bleibe, geschweige den einen Job gehabt. Bobby war der einzige der mich aufnehmen wollte und so blieb ich bei ihm. Seine Familie war reich und somit bekam er Geld von seinen Eltern, Großeltern, Tanten,… von allen.       

Er selbst war ein fauler Sack. Alkohol und Zigaretten, sind so wichtig, wie gutes Essen auf dem Tisch. Von mir natürlich zubereitet. Pünktlich, nicht eine Minute zu spät.

Er hat mich oft angeschrien und ist manchmal sogar Handgreiflich geworden. Er hat mich nie geschlagen, aber mich immer an den Handgelenken gepackt und mich geschüttelt, bis ich ihn direkt ins Gesicht gesehen habe. Später habe ich das natürlich gleich getan, aber er tat es trotzdem weiter.                                

Sue hatte es immer gesehen.

Sie hat mir oft gesagt, ich solle mit ihr abhauen. Einfach weg von Bobby. Hätte ich doch nur auf sie gehört. Hätte ich doch nur auf sie gehört….Vielleicht wäre dann das alles hier nicht passiert.“                                          

Margrit schloss ihre Augen und Tränen rannen ihre Wangen hinab. War es ihre Schuld, dass Sue tot war? Sue ist tot? Sie konnte es immer noch nicht glauben. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen. Manchmal war sie wütend und schleuderte Sachen wild durch die Gegend, doch immer öfter saß sie einfach nur da und weinte still und leise für sich selber. Sie glaubte sich gerade, hier bei Maik, in genau dieser Lage zu befinden.                                                                              

„Ich saß oft mit Sue am Fenster in ihrem Zimmer, nach solch einer Situation. Wir haben geschweigen oder gesprochen, aber meistens eher geschwiegen. Doch eines Tages fragte ich sie, ob Dad sie auch so behandelte, wenn ich nicht da war. Sie verneinte.                                                                   

Ich sagte ihr, dass mir blaue Flecke bei ihr aufgefallen seien und woher sie die hatte. Sie schwieg.                           

Ich fragte ob Dad ihr das angetan hatte. Sie schüttelte den Kopf.

Ich fragte, warum sie nichts mehr aß, aber sie schwieg.                                       

Sie wollte mit mir nicht darüber reden und so ließ ich sie damit in Ruhe. War es falsch? Hätte ich als Mutter eingreifen und so lange fragen sollen, bis sie mir es gesagt hätte, mich dann aber hasste?       

Ich glaube Ja, aber ich konnte es nicht. Sie war die einzige Person die ich noch in meinem Leben besaß. Sie liebte mich, und Oh Gott!

Ich liebe sie auch! Und zwar immer noch, obwohl ich nicht verstehe warum sie sich und andere Leute so etwas antuen konnte. Doch ich liebe sie immer noch. Für immer.                                                

Sue ich liebe dich, okay? Mama hat dich ganz, ganz, ganz doll lieb.“

                                                   

Margrit schluchzte und weinte, sie glaubte nie wieder aufhören zu können. Der Schmerz war zu groß, sie wusste, dass ihr Herz für immer gebrochen sein würde. Dankbar nahm sie das Taschentuch von Maik entgegen.

„Ich lag gestern Abend in meinem Bett erdrückt von Sorgen, gequält von Gedanken über die Zukunft und was mich dort wohl erwarten wird. Erinnerungen, erst verschwommen und dann wurden sie ganz klar. Nachmittage im Wald, aufgeschürfte Knie, Schaukeln bis man den Himmel berührt. Lachend, glücklich, sorgenlos. All diese Bilder flogen auf mich zu und ich wollte sie einfangen, so wie man Schmetterlinge in einem Glass einfangen möchte. Doch sie verschwanden so plötzlich wie sie gekommen sind. Was ist geschehen, habe ich mich gefragt und dann fiel es mir wieder ein: Ich bin erwachsen geworden. Ich hatte ein Kind, eine Verantwortung. Sue hatte mir ein Sinn gegeben zu leben. Jetzt ist niemand mehr da. Ich bin wieder alleine, wie vor 16 Jahren.                                                         

Ich möchte ohne Susan nicht weiterleben. Ich kann es nicht.“

                                                                                           

 Margrit trocknete ihre Tränen. Doch im Herzen bluteten sie weiter. Früher war sie verloren und hatte Angst vor der Zukunft gehabt, doch dann kam Sue und ließ ihr Leben auf blühen. Jetzt ist sie weg, und sie wieder alleine. 

                                                                                                                      

„Ja…ich meine nein. Nein, ich kannte Herr Amset nicht. Ich wusste auch nicht wieso sie ihn so zugerichtet hatte, mein Gott, ich weiß noch nicht einmal warum sie dass alles tat.                                           

Ich möchte auch nur Antworten haben wie Sie, also geben Sie mir bitte eine, nur eine plausible Antwort. Bitte!“

Margrit versuchte sich zu beruhigen und stimmte dann Maik zu, die Sitzung zu beenden. Margrit blieb sitzen und hörte mit halbem Ohr zu, als Maik auf der Türschwelle stehen blieb und zu ihr etwas sagte. Sie war hin- und hergerissen. Wollte sie sterben oder ohne Sue weiterleben?  

„Man kann nicht lächelnd in die Zukunft blicken, wenn die Augen noch voller Tränen der Vergangenheit sind (damit meine ich die Vergangenheit jetzt und die nach Susans Geburt). Aber vielleicht werde Sie nie Antworten auf ihre Fragen bekommen. Vielleicht ist es auch besser nicht mehr nach ihnen zu suchen.“Dass war was Maik sagte.

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