Es kostete mich viel, mein verräterisches Grinsen zu verbergen. Die Freude darüber, in neunzehn Jahren etwas spannendes zu tun, - was nichts mit dem Webrahmen zu tun hat, - schlich sich immer wieder in meine Mundwinkel.
"Mich dünkt, du bist verliebt?"
Was?
Durch große neugierige Augen sah sie mich an.
Grandmère hatte wohl etwas von meinem Gemütszustand mitbekommen."Magst du etwa unseren Blumenjungen? Wie hieß er noch gleich, Fabrice?"
Was sollte ich denn dazu sagen? Mögen tat ich ihn schon, seit er mich damals mit seiner Zahnlücke frech angegrinst hatte. Heute war von der Lücke keine Spur mehr zu sehen. Wir waren auch keine Kinder mehr.
Ob ich ihn immernoch so sehr mochte wie damals, würde sich noch zeigen."Er scheint mir sympathisch zu sein."
Zumindest hoffte ich, dass er es noch immer war und Wort hielt, mir also meine angeorderte Garderobe brachte.Was sollte ich denn auch anderes sagen? Das ich hoffte, dass er mir als Frau in eine Bibliothek verhalf, um Spuren über meine Mutter zu finden, die Königin von Frankreich, die schon seit elf Jahren verschwunden war?
Wohl kaum."Sympatisch also.", grandmère ließ sich meine Antwort grinsend auf der Zunge zergehen.
"Also mir ist er sympathisch. Das Geschäft läuft gut, wir sind liquide, da steht einer kleinen fête doch nichts im Wege."Mit offenem Mund ließ sie mich bei den duftenden Austellungsgestecken zurück.
"Oh, das hat sich sogar gereimt!", munter summte sie vor sich hin.
Diese Frau! Ich musste zusehen, wie ich ganz schnell wieder aus dieser Bredouille kam.Meine Zeit, um einen Plan auszutüfteln, beschränkte sich auf morgen früh, wenn Fabrice zum sechsten Glockenschlag die neuen Schnittblumen liefern würde.
Mit ratterndem Kopf fegte ich den staubigen Fleuriste aus, räumte alle Ausstellungsstücke vom Podest des Schaufensters und bemerkte beim Fortbewegen ein seltsam hohles Geräusch. Es schallte bei jedem meiner Schritte wider.
Antoinette war schon immer ein rätselliebender Mensch gewesen. Vielleicht hatte sie mir eines hinterlassen.
Zunächst verlangsamte ich mein Schritttempo, bis ich vollends stehen blieb. In den Furchen zwischen den handbreiten Dielen suchte ich nach einem Zeichen meiner Mutter.
Vielleicht hatte sie ja irgendwo etwas versteckt, etwas für mich versteckt. Vielleicht lebte sie ja doch noch...
Nein.
Sie hätte mich niemals einfach so zurückgelassen. Wenn sie noch leben würde, wäre sie schon längst zu mir zurück gekommen.
Mein Unterbewusstsein spielte mir einen Streich, einen grotesken Streich.
Das Versteckspiel war vorbei, ich war kein kleines Kind mehr.
Ich erkannte die Paranoia in meinem Handeln, ignorierte sie nun und versuchte mich zusammenzureißen.Das kleine Tischchen und die Bank stellte ich zurück in das Schaufenster.
Als alles wieder an Ort und Stelle und von Staub befreit war, blieb mein Blick an der Riesenorchidee hängen. Sie rankte von dem großen Holzschrank, von dem an einzelnen Ecken grüne Farbe abblätterte, hinunter.
Mit einer kleinen Bewegung, streckte ich meine Hand aus und Strich über die glatten weißen Blüten des Gewächs.
Heute kam ich auch ganz ohne Stuhl ran. Damals hatte sie noch sehr viel weniger Blüten gehabt.
Maman hatte sie geliebt."Fleur, die Arbeit macht sich nicht von allein!"
Ich seufzte.
Leise meckernd machte ich mich an die Arbeit, was Madame gar nicht mitbekam, weil sie im hinteren Räumchen irgendein altes französisches Kinderlied sang.
Wenn das mal nicht ein Grund gewesen wäre, jemanden zu verscheuchen. Nicht zuletzt meinen Vater, der seit dem Verschwinden meiner Mutter auch nicht mehr gesehen wurde. Er wollte sie suchen, sie retten. Und er selbst kam auch nicht mehr nach Hause.
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Fleur Dubois
ChickLit"Erschlagen von der Mächtigkeit meiner Gefühle, die mich durch und durch zu kontrollieren schienen, ließ ich das Gemälde los. Lautlos segelte es zu Boden und verschwamm mit Erinnerungen aus meiner Kindheit zur Zeit dessen, als meine Mutter noch hie...