Fleur Dubois VII

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"Qu’est-ce que c’était que, mademoiselle?"

Was war das denn, junge Dame?

Grandmère schien meine Abwesenheit wohl doch bemerkt zu haben..

"Etwa ein nächtlicher Ausflug mit deinem Verehrer?"

Verehrer? Sie dachte doch nicht etwa... Ich hatte mich zwar mit Fabrice getroffen, doch er war keineswegs mein Verehrer...

"So abenteuerlustig und aufmüpfig kenne ich dich ja gar nicht."

Wunderbar, denn so war ich für gewöhnlich auch nicht!

Unter normalen Umständen hätte ich mich nie im Leben mit einem jungen Mann um diese Stunde getroffen.
Fabrice jedoch war nicht einfach ein junger Mann, kein gewöhnlicher junger Mann. Er war ein Freund und er half mir, die Wahrheit über meine totgeschwiegenen Eltern herauszufinden. Langsam überkam mich das Gefühl, dass sie vielleicht doch noch am Leben waren... Es war wohl viel mehr eine naive Hoffnung, als ein reales Gefühl.

"Hast du denn gar nichts dazu zu sagen, oder hat es dir wahrhaftig die Sprache verschlagen?"

Um meine Stimme zu festigen, räusperte ich mich kurz.

"Verzeihung, grandmère. Es wird nicht wieder vorkommen."

Meine Ohren hatten sich auf eine weitere Standpauke vorbereitet. Die  wiederum überraschenderweise ausblieb.

"Nicht doch, Kindchen. Ich sagte nicht, dass ich etwas dagegen habe."

Wie bitte?
Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht damit.
Verdattert sah ich sie an, als grandmère grinste und in ihrer Rede fortfuhr.

"Doch nur, wenn du mit Fabrice unterwegs bist. Der scheint mir vertrauenswürdig und aufrichtig."

"D’accord. "
In Ordnung, war das einzig sinnvolle, was ich dazu zu sagen hatte. Was dachte sie denn, mit wem ich sonst wohl nachts die Straßen unsicher machte?
Abgesehen davon, weshalb gab sie sich so gelassen? War es nicht vollkommen inakzeptabel, sich als lediges Mädchen bei Nacht weg zu schleichen und einen Jungen zu treffen? Hätte sie nicht mindestens empört sein müssen?

Grandmère aber erklärte wider Erwartung mit einem Nicken in Richtung Treppe, das Gespräch für beendet. Ich nahm ihr stilles Angebot zur Flucht an und verschwand mit eingezogenem Kopf nach oben in mein Kämmerchen.

Inzwischen durfte es weit nach Mitternacht gewesen sein. Das bestätigte mir auch die Kirchenglocken, die pünktlich zu zwei Uhr in der Früh schlug. In vier Stunden erwachte der Alltag zu neuem Leben, weshalb ich mich hurtig in mein Bett begab und mir auf der Stelle die Augen zu fielen.

Quelle journée! - Was für ein Tag!

Wie an jedem Morgen, der kein Sonntagmorgen war, war ich schon zeitig aus den Federn und im Fleuriste am wuseln. Fabrice ließ nicht lange auf sich warten. Da stand auch schon seine große Gestalt km Türrahmen.

Er stellte den hölzernen Kasten ab und ich drückte ihm den gebürtigen Lohn in die Hand, als er wieder einen Schritt auf mich zu machte. Instinktiv wich ich zurück. Ich mochte es generell nicht, wenn mir Leute auf die Pelle rückten.

"Ich möchte dich wirklich zu nichts drängen, Fleur, aber-", sagte er in Zimmerlautstärke.

An seinem Hemdeskragen zog ich ihn mit mir in die Ecke, um der Aufmerksamkeit von grandmère zu entgehen. Was im Nachhinein wohl eher zum Gegenteil geführt hatte.

"Bist du von allen guten Geistern verlassen?", herrschte ich ihn an.

Er schien nicht verstanden zu haben, weshalb ich so außer mir war und blickte mich durch diese blauen Augen verwundert an.

Fleur DuboisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt