Fleur Dubois III

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"Was machst du denn für ein Theater, Kind? Es kommt doch sonst niemand außer dein geliebter Fabrice und mein guter Freund Camille. So ist jeder von uns beiden in guter Gesellschaft."
Hoch erfreut schlug meine grandmère ihre Hände zusammen und schwebte von einem Raum in den nächsten, um noch ein paar Vasen zurechtzurücken oder von einem Tisch zum anderen zu bringen.

"Grandmère, ich frage dich bloß, ob meine Anwesenheit wirklich notwendig ist heute Abend."

"Naturalement, ich brauche euch alle drei für meine Skartrunde."
Mit einem letzten Zwinkern wandte sie sich von mir ab und ging ihrer Wege, die von einem Zimmer ins nächste führten. Meine grandmère war eben eine geschäftige Frau.
Ich kam ihrem Beispiel nach und bereitete die Häppchen gerade an dem runden Esstisch im Hinterzimmer, als vom Türklopfer Gebrauch gemacht wurde.

"Fleur, geh du doch unseren Gästen öffnen, ich bin hier noch kurz beschäftigt."

Mit gerader Haltung öffnete ich die Tür. Es war nicht Camille, sondern Fabrice.
Er wollte sicherlich einen guten Eindruck bei meiner Großmutter hinterlassen, die ihn schon als meinen Gatten abgestempelt hatte.

Ich grüßte ihn mit einem distanzierten Nicken. Mit wachsamen Blick trat er ein. Er wusste, was heute Abend für ihn auf dem Spiel stand.
Meine grandmère sah das wohl alles nicht als seriöses Rendez-vous an, sondern als Abend des Amusements.
Dementsprechend kannte sie kein pardon, als sie Fabrice Küsschen gab, die er, wenn auch zögerlich, erwiderte.
Überglücklich machte ich Kehrt, als es wieder pochte und ich dem lieben alten Camille die Tür öffnete.

"Den ganzen Tag konnte ich es kaum erwarten, dass es zur Abendstunde schlägt. Du nicht auch, Mädchen?"

Mit herzerwärmenden Lächeln wackelte Monsieur ins Innere des Hauses auf den runden Tisch zu.
Ich folgte ihm und begegnete Fabrice vernichtenden Blicken, die er auf mich abschoss.

Oh ja, Camille, das konnte ich den ganzen Tag nicht abwarten.

Aus Anstandsregeln schank ich den Gästen und meiner grandmère ein und wir stießen an.
Grandmères Trunkspruch war dabei mein Ruin.

"Auf dass unsere Freundschaften noch weitere Jahrzehnte anhalten mögen!", leiser fügte hinzu, "und zwar nicht nur geschäftlicher Natur."
Es trieb mir die Schamesröte ins Gesicht, besonders, als sie mich und Fabrice einen etwas zu lange andauernden Blick würdigte.

Ich trank den Punsch wie Wasser und schank so unauffällig wie möglich nach.

Fabrice war mir wohl schon zuvor gekommen, denn er besaß die Frechheit, erneut zum Prost anzusetzen. Das setzte voraus, dass er schon einen mehr gebechert haben musste. Er hob an: "Und auf das das Gesinde um die Freundschaft geschäftlicher Natur nicht zu bangen braucht."

Beschwingt stieß grandmère mit dem Gesinde an, während ich ihrem Beispiel nur zögerlich folgte.

Er hatte meine Autorität in Frage gestellt. Wie sonst konnte ich jetzt noch meine emotionale Distanz zu ihm wahren? Ich wollte nichts mit seiner Familie, noch mit ihm zu tun haben.
Immerhin war sein Vater der Grund dafür gewesen, weshalb meiner nicht mehr hier bei uns war.
Ja, er hatte in meiner Kindheit nicht sehr viel Zeit hier verbracht, er wurde eben in der Universität gebraucht und sein Rat war sehr gefragt. Zumindest, bis herauskam, dass er meiner Mutter Lesen und Schreiben beigebracht hatte. Dennoch hatte ich immer gewusst, wo papá war. Das konnte ich heute nicht mehr behaupten.
Fabrice Vater spielte dabei keine irrelevante Rolle.

"Wer hat Lust auf eine Runde Skart?"
Allen Anwesenden war klar, dass grandmère kein Nein akzeptierte, weshalb es erst gar keine Widerworte gab.

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