Ein Erlebnis ist durchaus erwähnenswert, weil es eine ziemlich nachhaltige Wirkung hatte. Ich war mit meiner Frau in einem Bekleidungsgeschäft, wollte mal in der Damenabteilung verschiedene lange Mäntel ausprobieren. Gerade war ich dabei, den zweiten Mantel anzuziehen, als sich eine Verkäuferin näherte und dann die "weisen" Worte äußerte, dass mir die Mäntel ja gar nicht passen könnten, weil sie für Frauen geschnitten seien. Und Männer und Frauen hätten nun mal eine ganz unterschiedliche Figur. Ok, bei Röcken und Strumpfhosen wusste ich inzwischen, dass das ohne Belang ist. Auch bei Long Cardigans. Entweder es passt oder nicht, unabhängig vom Geschlecht. Aber bei Mäntel und Kleidern geriet ich doch sehr stark ins Zweifeln. Wenn das schon eine Fachverkäuferin sagt, immerhin hat die das ja gelernt. Der Schluss daraus: Kleidung für Damen eignet sich nur und allein für Frauen. Kleidung für Herren eignet sich nur für Männer.
Gedanklich ins Wanken geriet ich aber durch den Umstand, dass ich häufiger von Frauen hörte, dass sie ihre Kleidung in Herrenabteilungen kaufen, weil sie in den Damenabteilungen nichts Passendes für sich finden würden. Frauen, denen das gemachte Angebot einfach nicht gefällt. Frauen, die für die Norm zu groß oder zu klein sind. Frauen, deren Füße zu breit sind als dass sie sich in enge Damenschuhe zwängen könnten. Ok, niemand redet davon, dass solche Frauen, die Herrenartikel tragen, lieber Männer wären oder Crossdresser, Transvestit, Fetischist oder sonst was wären.
Warum also in der Umkehrung? Wenn Männern Kleidungsstücke aus der Damenabteilung gefallen und sie passen - warum werden sie dann durch stupide, dümmliche, hirnlose Stereotypen niedergemacht? An mir selbst hatte ich es getestet: in einer Hose vor dem Spiegel stehend, war ich ein Mann. Im Rock vor dem Spiegel war ich noch immer der selbe Mann. So langsam entlarvte ich solche Zuschreibungen wie Fetischist oder Crossdresser als eine riesengroße Lüge. Alles totaler Quatsch! Entweder werden diese Begriffe bei beiden Geschlechtern konsequent angewandt, was für mein Verständnis auch Emanzipation bedeutet. Aber sie nur auf das männliche Geschlecht zu beziehen, ist nichts weiter als eine geistige Perversion, die Emanzipation für einen Witz hält.
Ich wollte einfach meinen Kleidungsstil bereichern. Sachen tragen, die ich in Herrenabteilungen nirgendwo finde. Gäbe es Strumpfhosen, Röcke, Kleider, Long Cardigans in Herrenabteilungen, würde ich dort kaufen. Ich habe nicht mehr eingesehen, dass Kleidung für Frauen schön sein darf, Kleidung für Herren aber zweckmäßig sein muss. Anzug mit Krawatte sollte zweckmäßig sein? Hat mir das mal jemals jemand sinnvoll erklären können? Verstanden hab ich es nämlich nie.
Beim Wandern stellte ich z.B. fest, dass bei strömenden Regen eine Hose einfach nur teuflisch ist. Sie wird nass und klebt von der Ferse bis zum Unterleib auf der Haut. Ein nasser Rock hält noch immer genügend Abstand zum Unterleib, fühlt sich also wesentlich angenehmer an. Sowas nenne ich Zweckmäßigkeit. Beim Autofahren an einem sehr heißen Tag brannte mir die Sonne wegen der Hose fast ein Loch in den Oberschenkel. Mit einem Rock hatte ich so ein Problem nie. Sowas nenne ich Zweckmäßigkeit. Ich könnte da noch etliche Beispiele nennen.
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Als Mann im Kleid
Non-FictionKleidung hat kein Geschlecht! Ich bin ein Mann, der heute nur noch Röcke und Kleider trägt. Irgendwann trieb mich die Neugier und Experimentierfreude, wie es sich eigentlich anfühlt, Strumpfhosen, Röcke und Kleider zu tragen. Anfangs war eine große...