Warum Liebe blind macht

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Es gibt einen Moment im Leben, kurz nur aber klar. In dem du alles vergisst: die rasenden Autos neben dir auf der Straße und der Geruch nach Obst, vor dir, in einem Karton und der Regen, der dir auf der Nasenspitze kitzelt. Du weißt nicht, wann er passieren wird.

Jetzt, vor dem Spiegel aus Schaufensterglas siehst du ihn. Der Einzige, der dich in diesem Moment interessiert. Er kommt zu dir, kommt immer näher, bis er – aus einem wunderbaren Zufall – direkt neben dir steht, Schutz suchend vor dem Regen. Du willst ihn nur angucken, bis in alle Ewigkeiten, nur seine Augen betrachten, die winzigen Sommersprossen auf seiner Haut, die vollen geschwungenen Lippen. Dein Herz prickelt, schlägt schneller und hüpft auf uns ab. Eine Welle der Euphorie schwappt durch deinen Körper, als du merkst, dass er sein Gesicht wendet und direkt in deine klaren Augen blickt, als könne er erraten, auf welche Weise dein Körper Blut durch die Adern pumpt. Er öffnet seine herrlich rosa Lippen, als er zu sprechen anfängt. „Weißt du, wann dieser Regen endlich wieder aufhört?" Tiefe Stimme trifft helle, vielleicht etwas zu hohe Stimme, als ihr gleichzeitig sagt: „Hoffentlich bald", obwohl du das genaue Gegenteil denkst. Er soll hierbleiben. Bei dir.
Er betrachtet dich nun ebenfalls. Du kannst ihn nur anstarren, bis dass er sich wieder abwendet. Er scheint zu überlegen, dann dreht er sich wieder dir zu... und nimmt deine Hand. Er zieht deine Finger zu sich und drückt sie auf seine Brust. Dort spürst du sein Herz klopfen, laut, hörst es in deinem eigenen. Eure Herzschläge gleichen sich auf den jeweils anderen ab und schlagen bald im selben Takt. Er sagt: „Schließ deine Augen" und du lässt deine Lider sinken, unsicher, weil du nicht weißt, was er vorhat. Dunkel. Dunkel umfängt dich und schärft deine Sinne, von denen du aber nichts hören willst. Lieber möchtest du nur ihn spüren, sein Herz, seine Hand. Ihn. Er spricht mit zarter Stimme weiter. „Was spürst du?"

Und du sagst: „Liebe".

„Also das gleiche wie ich."

Und mit diesen Worten vereinen sich eure Herzen, steigen empor zu dem Regenbogen, der vom Himmel herabscheint, der sich mit Regen und Sonne vermischte und nun hell und bunt den Himmel verziert. Du blickst auf all die einsamen Menschen herab, die glauben, sie hätten ihre wahre Liebe gefunden, und doch nur allein waren, weil niemand sie wirklich liebte.

Denn wahre Liebe sucht man nicht, man findet sie.

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