A v a m p i r e s t o r y

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Die dunkelroten Linien auf dem Papier bildeten langsam eine Form, sie verbanden sich und wurden zu einem. Marcus schaute mir vom Blatt entgegen. Selbst dort war er wunderschön. Ich zog noch ein paar Striche, die seine wundervollen Augen vollendeten und legte dann die Feder auf den groben Holztisch. Kritisch betrachtete ich mein Werk. Seine Lippen waren noch nicht ganz perfekt. Ich besserte sie aus, als eine Bewegung im Augenwinkel meine Aufmerksamkeit erregte. Ein paar Flügel flatterten, dann ließ sich das kleine Vögelchen auf dem Papier nieder. Sein mit roten Federn bedeckter Bauch atmete gleichmäßig, während mich das Rotkehlchen anschaute. Obwohl noch niemand auf dem Schulhof war, fühlte ich mich nicht allein. Nicht mehr.

Der Vogel trippelte ein wenig umher und sah mich dann bettelt nach einem Stückchen Brot an, dass - halb versteckt - in meiner Brot-Tüte lag. Da ich es sowieso nicht essen würde, brach ich ein paar Krümel davon ab und legte es neben das Zeichenpapier.

Ein Geräusch hinter mir ließ mich und das Rotkehlchen gleichermaßen zusammenzucken. Der vertraute Geruch von Wiese und Parfüm stieg mir in die Nase. Als sich Schritte näherte, erhob sich der Vogel in die Luft und flatterte eilig davon. Einen Augenblick später griffen zwei Arme um mich und drückten mich in eine Umarmung. Sein Geruch war jetzt stärker. "Marcus!" Mein Freund setzte sich neben mich auf die Bank und zog die Kopfhörer aus seinen Ohren. "Hey." Seine dunklen Haare fielen ihm verschwitzt in die Stirn. "Wo kommst du her?" Er lächelte. Oh, wie mich dieses Lächeln verrückt machte!

"Ich war Joggen. Und habe dir etwas mitgebracht." Er hielt etwas hinter seiner Hand versteckt. Erwartungsvoll sah ich ihn an, doch er starrte mich nur mit seinen strahlenden Augen an. "Marcus?" Ich grinste. Er schien vollkommen gedankenverloren. "Ah... entschuldige." Er sah mich immer noch nur an. Nicht, dass mir das nicht genug wäre. Seine Hand kam näher, schob eine Haarsträhne beiseite. Dann holte er endlich etwas hinter seinem Rücken hervor. "Hier. Die sind für dich." Blaue, rote, gelbe und weiße, wilde Blütenhälse reckten sich mir entgegen und ich nahm den Strauß vorsichtig in die Hand. "Dankeschön", sagte ich gerührt. Meine Stimme brach und ich musste schlucken. Marcus...

Er sah mich glücklich an, fragte dann: "Welche gefällt dir am besten?" Ich überlegte nicht lange. "Das Gänseblümchen." Er nahm es und steckte es hinter meinem Ohr fest. Eine Gänsehaut breitete sich an der Stelle aus, wo er meine Haut berührte. Er schien es nicht zu bemerken.

"Danke sehr", hauchte ich und lächelte ihn an. Seine braunen Augen ruhten auf mir. Ich liebte sie so. Je nachdem, wie die Sonne auf sie fiel, waren sie Karamellfarben, dunkelbraun oder fast rötlich. Wenn man sich nicht rechtzeitig von ihnen löste, konnte man darin versinken. So tief, dass alles um einen herum verschwindet. Alles, außer das Gefühl von Nähe und Verbundenheit. Dieses Gefühl hatte er mir gezeigt. Bei keinem anderen empfand ich diese Tiefe von Gefühlen. Ich wünschte, ich könnte mehr Zeit mit ihm verbringen.

Doch ich merkte schon erste Schauder, die sich in mir breitmachten. Er musste gehen. "Marcus-"
"Die Zeichnung ist wunderschön." Er fuhr mit dem Zeigefinger vorsichtig über die zarten Linien. Er erkannte sich offensichtlich nicht. Noch nicht. "Danke." Hastiger als ich wollte, räumte ich alles zusammen und stopfte es in meine Tasche. Ich zitterte schon. Hoffentlich sah er das nicht. "Hey, was ist los? Habe ich etwas Falsches gemacht?"
"Nein, schon gut."
"Du zitterst ja." Marcus stand auf. "Ist alles in Ordnung?" Er nahm meine Hände in seine. "Ja, mir ist bloß kalt." Ich bekam ein Lächeln zustande, entzog mich ihm aber schnell und wollte verschwinden. Ich war schon fast an den alten Kastanienbäumen, als er mich einholte. "Wir sehen uns aber doch noch in der Pause, oder?"
"Ja, klar." Er nickte und ließ sich zurückfallen. Ich atmete ein paar Mal tief durch, doch sein Geruch kroch immer noch in meine Nase. Der Geruch seines süßen Blutes wand sich um meinen Verstand, ich musste mich bemühen, einen Schritt vor den anderen zu setzen und nicht auf der Stelle zurückzukehren. Ich wünschte, ich könnte ihn länger aushalten.


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Falls euch dieser kleine Ausschnitt gefallen hat, würde ich mich sehr über Sternchen und Kommentare freuen. Bei 30 Sternen werde ich einen weiteren Text über die beiden veröffentlichen ;)
Bis dahin wünsche ich euch noch einen schönen Tag.



LG Pantherkiss

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 26, 2023 ⏰

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