fünf

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Als ich aufwachte, hörte ich Stimmen, die von Unten zu mir nach Oben drangen. Ich erkannte sie sofort. Auch nach all den Jahren war das Geplapper der drei unverwechselbar. Meine Brüder. Natürlich hatte Henrik sie direkt angerufen. Warum sollten wir auch erst mal alleine unsere Probleme aus der Welt schaffen? Ich stöhnte frustriert auf. Ein rascher Blick auf mein Handy verriet mir, dass ich ganze vier Stunden geschlafen hatte.

Ich rollte mich aus dem Bett und macht mich auf den Weg nach unten. Mein Herz begann zu rasen und meine Hände wurden immer schwitziger, je näher ich dem Stimmengewirr kam. „Beruhige dich Lin, es ist deine Familie, sie werden dich schon nicht umbringen." Das redete ich mir zumindest ein, doch so ganz konnte man es ja nie wissen.

Ich trat ins Wohnzimmer. Dort saßen alle drei und starten auf den großen TV, der an der Wand hing. Keiner schien mich zu bemerken, daher nahm ich mir einen Augenblick Zeit, sie genauer zu betrachten. Noah und Johannes hatten immer noch beide hellblonde Haare. Sie kamen mehr nach meiner Mutter, die braunen Augen, die uns alle verbanden, hatten sie jedoch, genau wie ich und Henrik, von unserem Vater.

Johannes hatte sich kaum verändert, doch Noah war erwachsener geworden. Die kindlichen Züge in seinem Gesicht hatten kantigen Platz gemacht und auch seine Schultern waren deutlich breiter. Mit einem Mal wurde mir schmerzlich bewusst, was ich alles verpasst hatte. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter. Jetzt war ich hier.

Da mich immer noch niemand bemerkt hatte, trat ich einen Schritt hinein und räusperte mich.

Drei braune Augenpaare waren auf mich gerichtet und musterten mich ausgiebig. Keiner von uns sagte ein Wort. Während die Jungs mich offenbar scannten, wusste ich nicht genau, wo ich hinschauen sollte.

♦♦♦

Wir alle hatten uns an den großen Esstisch in der Küche gesetzt. Uns war klar, dass wir reden mussten, doch ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Zu viele unausgesprochene Dinge hingen zwischen uns.

Irgendwann stand Johannes mit einem Seufzen auf und verschwand. Kurz darauf kam er mit einer Flasche Gin und vier Gläser in der Hand wieder. „Das ist ja nicht zum Aushalten", sagte er und stellte alles auf dem Tisch ab.

Wortlos schenkte Henrik uns einen Fingerbreit Gin in die Gläser und verteilte sie schließlich an alle. Ich nahm es ihm ab und leerte es in einem Zug. Auch wenn sich mein Herzschlag mittlerweile wieder beruhigt hatte, lagen meine Nerven immer noch blank. Solche Gespräche waren absolut nichts für mich. Ich zog es vor, nicht über meine Gefühle zu reden, sondern machte alles mit mir selber aus. Oder aber ich verschloss alles so tief in meinem Inneren, dass nicht mal ich selbst mich damit auseinandersetzten musste. Letzteres kam mir im Augenblick am verlockendsten vor.

Ohne auf eine Aufforderung zu warten, füllte Henrik mein Glas erneut. Diesmal deutlich mehr als nur ein Finger breit.

„Mama hat uns angerufen.", durchbracht Johannes die Stille. Seine Stimme klang warm und vertraut. „Sie hat gesagt, dass du hier seist, ohne wirklich einen Grund zu haben. Sie hat sich Sorgen um dich gemacht."

„Mama macht sich immer Sorgen um mich", sagte ich tonlos.

„Und zwar berechtigt. Meinst du nicht?", bei der Schärfe in Henriks Stimme zuckte ich zusammen. Ich merkte, wie Tränen in meine Augen stiegen. Ich wollte mir nicht die Blöße geben, vor allen in Tränen auszubrechen. Den Blick gesenkt, nahm ich einen weiteren Schluck Gin aus meinem Glas. Ich genoss die Wärme und zählte innerlich bis drei, bevor ich meinen Blick hob und ihn wieder anschauen konnte. In seinen Augen lag ein Schmerz, der mir einen Stich verpasst. „Wie meinst du das?", meine Stimme klang dünn und unsicher, so gar nicht nach mir.

„Wie soll ich das schon meinen Lin? Du bist vor drei Jahren mehr oder weniger über Nacht ausgezogen und hast dich seitdem nicht einmal mehr blicken lassen. Du meldest dich so gut wie nie und jetzt stehst du hier und sagst uns wieder nicht was Sache ist. Verdammt Lin wir sind deine Brüder. Ich dachte, du vertraust uns. Ich dachte, du vertraust mir." Henrik war aufgestanden und lief in der Küche auf und ab. In seinen Augen tobte ein Sturm. Ich musste ein Schluchzen unterdrücken. Er hatte recht. Ich hatte sie alle im Stich gelassen. Ich hatte allen den Rücken zu gekehrt, ohne es überhaupt gewollt zu haben. Eine einzelne Träne lief verräterisch an meiner Wange hinab.

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