| 11 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Wirklich berührt von seinen Worten sah ich wieder nach draußen, lächelte aber vor mich hin. Seine Anspielung, dass er und womöglich auch die anderen für mich da waren, sorgte für ein warmes und wohltuendes Gefühl in meinem Inneren.

Der Tod meiner Eltern hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich hatte mich taub gefühlt. Nicht mehr als Teil dieser Erde. Als würde sich alles weiterdrehen, nur mein Leben nicht. Zwar war ich schon immer sehr selbstständig und hatte in den letzten Jahren nicht viel mit meinen Eltern zu tun, aber eine tiefe Bindung hatten wir dennoch. Trotz ihrer Arbeit und meinen Aktionen.

Die ganze Sache mit der Hydra war in erster Linie wahrscheinlich einfach nur ein Ablenkungsversuch, der ja scheinbar funktioniert hatte.

Nur nachts holte mich alles ein. Nicht nur der familiäre Verlust. Auch der Rausschmiss und die letzte Zeit hatten mir sehr zugesetzt. Die Trennung mit Ruby, die ich selbst zu verschulden hatte, war da nur die Spitze des Berges der Dinge, die in meinem Leben momentan schief liefen. Träume, die der Realität sehr nahe kamen und mir zeigten in welchem Loch ich eigentlich war, plagten mich nachts.

Doch sobald der Tag kam waren sie nicht länger von Bedeutung und ich konnte vergessen. Dabei wollte ich sie nicht vergessen. Keinen von ihnen. Weder meine Eltern noch meinen Onkel oder Ruby.

„Über was denkst du nach?", riss Jacksons Stimme mich wieder ins Hier und Jetzt.

Ich sah wieder zu ihm. „Hm?"

„Du siehst leidend aus." Sein Gesichtsausdruck veränderte sich und in seinen Augen blitzte Schuld auf. „Oh, ich wollte keine alten Wunden aufreißen, tut mir leid-"

„Nein", unterbrach ich ihn. „Ist schon gut."

„Wenn du reden willst, du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, ja?"

Ich grinste leicht. „Weiß ich." Ich hatte nicht vor ihm mein Leid zu klagen, aber irgendwann musste jeder mal reden. Zu lange hatte ich alles immer mit mir selbst ausgemacht. „Ich will sie nicht vergessen. Meine Eltern, mein ich. Aber andererseits schmerzt der Gedanke an sie und ich würde alles dafür tun, dass ich mit gutem Gefühl an sie denken kann."

„Das hört sich jetzt sehr plump an, aber...", fing Jackson an und lehnte sich wieder nach vorne, um mir näher zu sein, „Mit der Zeit wird es besser."

„Es ist doch aber schon bald drei Monate her."

„Es wird noch sehr viel länger dauern, Miles. Vielleicht Jahre. Jeder geht mit Verlusten anders um. Du eben mit Ablenkung", erklärte er. „Aber vielleicht würde es auch helfen, wenn du hin und wieder bewusst an sie denkst. An die schönen Zeiten. Sie sollten nicht mit einer negativen Erinnerung in deinem Gehirn abgespeichert werden."

Mit verzogenem Gesicht starrte ich ihn an. Ich konnte und wollte ihm nicht sagen, dass meine Panikattacken teils mit meinen Eltern zu tun hatten. Der Unfall war der letzte Moment, in dem ich sie gesehen hatte. Später bei der Beerdigung hatte ich sie nicht gesehen und selbst wenn, das blutüberströmte Bild hatte sich zu sehr in mein Gedächtnis gebrannt. So sollte ich sie wirklich nicht abgespeichert haben.

„Miles, ich würde wirklich gerne mit dir weiterreden, aber..." Unsicher sah er mich an. Ungern wollte er mich allein lassen, das sah ich ihm an. „Ein Bekannter holt mich gleich ab. Ich hab noch einen Termin. Aber wir können gerne später weiterreden, bei mir?"

Ich schüttelte mit dem Kopf. „Nein, danke, aber ich glaub für heute brauch ich keine Therapiestunde mehr."

Unbeholfen lachte er auf und legte etwas Geld auf den Tisch, um zu bezahlen. „Wäre ich wirklich ein Psychologe oder ähnliches, könntest du mich gar nicht bezahlen."

RIDERS ~ Lost MemoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt