One. Harry.

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Mit leicht zitternden Fingern gab ich die Nummer ein, die meine Klassenlehrerin mir vor nicht einmal zwei Minuten in die Hand gedrückt hatte. Danach tippte ich auch den Zahlencode, der auch auf dem Zettel stand, in mein Handy.

Und dann war ich angemeldet.

Ich hatte nun einen Account bei Banto.

Einen Account, den ich gar nicht haben wollte. Zu groß war meine Angst, dass jemand mich erkennen würde und mich runter machen würde.

Auch wenn ich komplett gegen das neue Schulprojekt war, musterte ich die von meiner Schuler erschaffene Internetseite genaustens. Grasgrün war die Grundfarbe.

Eigentlich gab es nicht viel zu sehen. Man konnte weder einen Benutzernamen, noch ein Bild einstellen. Also bestand mein Profil einzig und allein aus der Nummer, die meine Lehrerin gerade wieder einsammelte.

Unten links gab es ein Menü in dem man bereits begonnene Chats weiterführen konnte, oben rechts ein, in dem man neue beginnen konnte.

Mit meinen dünnen Fingern tippte ich auf das Symbol um einen neuen Chat zu starten. Sofort erschienen auf meinem Bildschirm würfel die eine Zahl würfelten.

52794,

war die Zahl die oben stand, als die App automatisch ins Chatmenü wechselte.

Auch eine Tastatur erschien auf meinem Handy, weshalb ich den Chat mit einem einfachen 'Hi' begann.

52794: Hi. Wer bist du?

Ich: Schon vergessen, dass ich meinen Namen hier nicht schreiben kann?

52794: Ich habs ehrlich gesagt gar nicht mitbekommen. Mag ich dich?

Ich: Woher soll ich das wissen?

52794: Normalerweise lasse ich die Leute wissen ob ich sie mag.

Ich: Wüsste ich wer du bist, würde mir das vielleicht auch weiterhelfen...

52794: Oh... Das hab ich vergessen.

Ich: Wollen wir vielleicht versuchen uns ein bisschen kennen zu lernen? Wir können eh nichts daran ändern, dass wir miteinander schreiben müssen.

52794: Doch ich kann den Chat verlassen.

Ich: Dann musst du aber mit wem andren schreiben. Das bringt dir auch nicht so sonderlich viel.

52794: Stimmt. Okay ich bin ein Junge du?

Ich: Auch. Stufe?

52794: 12 du?

Ich: Auch:)

52794: Machst du mir irgendwie nach? :D

Ich: Nee. Du nimmst mir einfach die Worte weg:D

52794: Ach wenn das so ist:D

"So Kinder. Packt jetzt bitte eure Handys weg, ich denke fünf Minuten waren genug Zeit euch mit dem Programm vertraut zu machen. Vergesst nicht, dass ihr mindestens 500 Wörter schreiben müsst. Und ihr bekommt heute die letzte Frei, damit niemand ankommt, dass ihr zu wenig Zeit hättet", unterbrach unsere Klassenlehrerin meine Unterhaltung mit dem Unbekannten.

Mit einem bemüht neutralen Gesichtsausdruck packte ich mein Handy wieder weg. Schließlich sollte meinen Klassenkameraden ja nicht auffallen, dass mich der kurze Chat irgendwie verdammt Glücklich gemacht hatte.

Schnell räumte ich auch den Rest meiner Schulsachen in meine Tasche und verließ dann pünktlich mit dem Gong die Klasse.

Ich wollte nicht gehetzt wirken, doch ich konnte es kaum erwarten wieder in den Chat zu gehen.

Woran es lag, dass ich so gerne weiterschreiben wollte, wusste ich nicht. Vielleicht lag es daran, dass ich bisher noch nie mit jemandem geschrieben habe. Warum auch? Wenn etwas wichtiges war konnte ich schließlich auch Telefonieren, und ansonsten wartete ich einfach bis zum nächsten Mal.

Mit schnellen Schritten und gesenktem Kopf ging ich über den Schulhof. Ich wollte nicht entdeckt werden, wollte mich klein machen und unscheinbar bleiben.

"Hey Styles!", rief mich eine Stimme, weshalb ich wie erstarrt stehen blieb. Ich hasste es, wenn Leute mich ansprachen. Ich wollte nicht mit ihnen reden. Denn sonst würde ich, so naiv wie ich war, schnell vertrauen fassen, und das würde sowieso wieder nach hinten losgehen.

"Was denn?", fragte ich leise, drehte mich allerdings nicht um.

"Hast du Mathe schon gemacht?", fragte die Stimme hinter mir.

"Nein, das wollte ich heute machen, wieso?", antwortete ich möglichst neutral.

"Okay. Schade. Dann Tschau", mit diesen Worten verabschiedete sich die Person wieder von mir und ging zurück zu ihren Freunden.

Ich hatte Glück, dass ich an unserer Schule nicht gemobbt, oder verprügelt wurde. Bestimmt machten sich einige hinter meinem Rücken über mich lustig, doch eigentlich war ich eher jemand, der gar nicht erst betrachtet wurde. Meine Mitschüler redeten nur mit mir, wenn sie irgendwelche Hausaufgaben von mir abschreiben wollten, und darüber war ich auch froh. Schließlich war ich es, der Freundschaften verweigerte.

Mit schnellen Schritten ging ich weiter und stieg dann auch sofort in den Bus ein, der inzwischen schon angehalten war.

Elegant ließ ich mich auf den erstbesten freien Platz plumpsen und holte mein Handy mitsamt Kopfhörern aus der Tasche um Musik zu hören.

Nachdem ich aus dem stickigen Bus ausgestiegen war und die restlichen Meter zu meinem Haus gegangen war, öffnete ich mit meinem Schüssel die Haustür.

"Mama? Bin wieder da.", rief ich sofort, während ich die Haustüre wieder hinter mir schloss und mir meine Schuhe und meine Jacke auszog.

"Hallo Harry. Kommst du ein Stück Kuchen mit uns essen?", antwortete sie mir und erschien glücklich lächelnd im Türrahmen.

"Klar", seufzte ich, obwohl ich nichts lieber wollte, als mich in mein Zimmer zu verkriechen und wieder auf Banto zu gehen.

- 827 Words.

BANTO [Zarry FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt