Schwarze Wochen

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 »Komm Mila, wir müssen uns beeilen!« rief Anton seiner kleinen Schwester zu, setzte selber seinen Rucksack wieder auf und entfernte sich vom Bahnsteig. »Ich komme ja.« antwortete Mila etwas genervt, während sie die Treppe zu den Gleisen hinunterstieg.

 Anton zählte im Kopf die Schritte, die er von der Station wegmachte, die er fast sein ganzes Leben lang als sein zu Hause betrachtet hatte. Bei vierzig drehte er sich noch ein letztes Mal um und warf einen Blick auf die Überseequartier Station. Ihm gingen die Geschehnisse der letzten grausamen Wochen durch den Kopf.

 Alles hatte damit angefangen, dass sein Vater von seiner Expedition wieder kehrte. An dem Tag war er sehr schlecht gelaunt und kehrte Abends nicht in das Familien Zelt zurück. Anton hatte gedacht, er wäre mit seinen Männern trinken oder würde etwas mit Oberst Konstantin besprechen. 

Am nächsten Tag war Jan aber immer noch nicht da und Anton begann, sich Sorgen zu machen und ihn zu suchen. Er suchte bei den Stalkern, wo er aber nur zwei von Fünfen antrief. Martin und Pjedro hatten ihm erzählt, dass Armin und Frank mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und unerklärlichen Narben in die Krankenstation eingewiesen worden wurden, jedoch wusste niemand wo der Chef der Gruppe war. Dann jedoch rann Mila auf die Drei zu und erzählte ihnen, dass sie ihren Vater gefunden hatte. 

Jan lag auf den Gleisen, wo er am Abend ohnmächtig geworden war. Aus heiterem Himmel. Außerdem hatte er die gleichen Symptome wie Frank und Armin, jedoch deutlich mehr ausgeprägt, weshalb sich Anton große Sorgen machte. 

Sein Vater war erst zwei Mal sehr schwer krank gewesen: Einmal hatte er eine schwere Grippe gehabt, mit der er drei Wochen auf Station gewesen war und noch ein Mal, wo er sich an einem Pilz vergiftet hatte. Doch dieses Mal war das Problem, dass niemand wusste, an was er erkrankt war. Mila und Anton wurden von ihrem Vater fern gehalten und durften ihn zuerst nicht besuchen, was die ganze Situation für sie noch mehr erschwerte. 

Seine achtzehn-jährige Schwester und er fühlten sich so allein wie noch nie. Pjedro und Martin waren mit dem Militär Lkw SLT Elefant an die Oberfläche gefahren, um die Kabel zu holen, die sie im Auftrag von Alex Konstantin gefunden hatten und außer ihnen hatten die beiden niemanden. 

Innerhalb von zwei Tagen wiesen bereits sehr viele der Menschen an der Überseequartier die Symptome auf und bald legten sich die Ärzte darauf fest, dass es ein Virus war, welches sich höchstwahrscheinlich über Hautkontakt verbreitete. Es war etwas nie dagewesenes. Bald wurde eine Quarantäne Pflicht eingeführt. Sobald man eines der Symptome aufwies, war man verpflichtet in seinem Zelt zu bleiben. Derweil verschlechterte sich der Zustand der Stalker und unter den anderen Infizierten gab es erste Tote. Die Gesichter der schwer infizierten verfärbten sich dunkel bis schwarz und ihre Gliedmaßen wurden blau. Jan, Armin und Frank lagen in einem der Zimmer der Krankenstation, die schon bald überfüllt wurde. Irgendwann wurde auch Franks Körper blau und als Jan das sah, bekam er aus heiterem Himmel eine Panikattacke. Er hatte den Ärzten von seinen Erlebnissen an der Oberfläche erzählt, von dem Schiff und den Leichen und davon, was der im Sterben liegende ihm erzählt hatte. 

Nach fünf Tagen gab es bereits fünfzehn Tote und die Lage an der Station spitzte sich weiter zu. Es galt eine Ausgangssperre für alle, bis auf Leute mit relevanten Berufen wie Krankenpfleger oder Stalker. Ab dem fünften Tag durften Mila und er auch wieder Jan sehen, mussten jedoch ABC Schutzanzüge und Atemmasken tragen, da noch nicht hundertprozentig klar war, wie das Virus, welches die Ärzte mitlerweile "schwarzer Witwer" benannt hatten sich verbreitete. Als sie ihren Vater sahen waren Anton und Mila geschockt. Sie waren eigentlich darauf vorbereitet, aber ihn jetzt so schwach wie noch nie und mit verfärbten Gliedmaßen zu sehen war für die beiden ein schreckliches Erlebnis. Mila fing an zu weinen und stürmte aus dem Zimmer. Anton jedoch blieb da. Er sprach mit seinem Vater, der seit Jahren auf ihn und seine Schwester aufpasste. Er erzählte ihm alte Geschichten, zum Beispiel wie er als kleines Kind versucht hatte die Hühner die an der Überseequartier gehalten wurden zu fangen. Und Jan bekam es mit. Er lächelte leicht, kaum erkennbar. Und dann sagte er zu Jan »Junge. Versprich mir etwas.« Anton war erstaunt, dass sein Vater noch fähig war zu reden. Armin lag schon seit zwei Tagen in Koma. Aber er antwortete »Ja Vater. Ich tue alles, wenn es dir nur helfen kann!« »Nicht nur mir mein Junge. Anton. Es ist zwar niemandem wirklich bewusst, aber das Virus wird sich weiter über die U-Bahn ausbreiten. Es wird früher oder später die ganze befallen. Du kannst nicht nur mir helfen, Anton, sondern der ganzen Metro. Es gibt etwas, was das Virus vielleicht eindimmen oder ganz stoppen könnte. Eine Medizin. Du musst sie finden! Suche nach den Seemännern.« Ohne nachzudenken, was genau sein Vater gerade gesagt hatte sagte er »Ja, Jan. Ich suche sie.« Er hatte nur verstanden, dass es ein Gegenmittel gab. 

[Metro 2033] Giftiges GutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt