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Caramel

Langsam verlieren die Bäume ihre Blütenblätter und der frische Wind weht durch meine Haare.
Herbst ist einer meiner bevorzugten Zeiten. Eine Zeit in der ich alles anziehen kann.
Alleine wegen der Kleiderwahl ist es einer meiner besten Zeiten.
Ich erlebe noch nächsten Herbst mit.
Und dann war's das?

Meine Mutter hat immer noch nicht das Wissen über meine Lage.
Ich konnte es nicht über's Herz bringen sie noch tiefer sinken zu lassen, als sie es schon ist.
Ständig mit der Angst zu leben, dass ihr Sohn und ihr Ehemann verunglücken können.
Dass mein Bruder eine leichte Schusswunde abbekam, sorgte für eine Isolierung über eine Woche.
Dann wird sie diese Nachricht noch tiefer in ihr Loch ziehen.

Ich habe es gut als Geheimnis aufbewahrt in den letzten Monaten, aber ihre Sorge um mich steigt ständig mit der Zeit.
Von überall räumt sie meine Haare auf und kommt angerannt, wenn das Ziehen an meiner Brust an Stärke annimmt.
Sie drängt mich mehrfach einen Arzt aufzusuchen.

Das habe ich schon getan...
Nur weiß sie das nicht. Ich kann es ihr nicht erklären.
Heute hat sie mich wieder von allen Seiten in die Ecke gedrängt und hat mir keine andere Möglichkeit gelassen, als ihr verletzende Worte zu zu schreien und aus dem Haus zu eilen.

Während sie auf unserer Couch sich Gedanken darum macht, was mit ihrer Tochter los ist, zerbreche ich hier auf der einsamen Bank meinen Kopf, wie ich sie dazu bringe, mir zu verzeihen.

Vor einiger Zeit hatte ich den innigen Wunsch, dass mir diese Last, die Jahre auf mir lag, weggenommen wird.
Die Akzeptanz des Todes hat es erleichtert.
Ich war willig diese Welt zu verlassen.
Wieso fällt mir das jetzt so schwer?
Wieso kann ich nicht neutral gegenüber dieser Nachricht sein?

Mit gesenktem Kopf sehe ich auf meine Schuhe, die mit den gefallenen Blättern rum spielen.
Da zwischen liegt auf dem Boden mein Armband, den ich von ihm zum Geburtstag bekommen habe.
Der Mann, der gescheitert ist seine Vaterrolle zu übernehmen.
Er war niemals bei mir.

Wird er es sein, wenn er erfährt, dass seine Tochter sterbenskrank ist?

...In mein Sichtfeld treten zwei Schuhe und ein leichter Flair von Tabak und Zimt steigt in meine Nase.
«Findest du unser Aufeinandertreffen nicht auch Klischeehaft?»
Das Raue seiner Stimme verpasst mir eine Gänsehaut auf meinem Körper.

Um ein Aussehen zu dieser Stimme zu finden, wollte ich den Kopf heben.
Er jedoch hockt sich runter und seine Hand greift nach dem Armband, das auf dem Boden liegt.
Durch die geschlossene Distanz wird der Duft intensiver und meine Fragen im Kopf mehr. Wer ist er?

Mehrere Narben befinden sich an seinem Gesicht und seinem Halsbereich.
Als meine Augen jedoch auf seine treffen, verbleiben wir Sekunden in dieser Haltung.
Er sieht still hoch zu mir und ich runter zu ihm. Seine Augen, die mir damals den letzten Stupser gegeben haben, um meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen...
Am dem Tag, als ich die Wahrheit erfahren habe, dass ich an Krebs erkrankt bin und es nicht positiv für mich ausschaut.
Er war es, der mir geholfen hat.

«Wirst du wieder anfangen zu weinen? Sonst verschwinde ich von hier.»
Ganz plötzlich heben sich seine Mundwinkel und zwei etwas tiefere Gräben bilden sich Oberhalb seiner Lippen.
Ich habe eine Schwäche für Grübchen.

Vorsichtig spüre ich seine kalten Hände an meinem Handgelenk, den er langsam zu sich zieht.
Still schweigend macht er wieder das Armband um mein Handgelenk und bleibt vor mir gehockt.

«Du musst nur noch meine Hand halten, dann ist das Klischee perfektioniert.»
Schon wieder erschienen diese Vertiefungen und füllen die Leere in mir.

Tränenfließend schüttele ich meinen Kopf und breche unseren Blick ab.
Wieso schafft ein Fremder es mit einem einzigen Blick meine Emotionen hoch zu bringen?

Ein Vibrieren bricht diesen Moment ab und seine Distanz zu mir nimmt ein wenig zu. «Verstanden. Fünf Minuten.»

Ein letztes Mal hockt er sich zu mir runter und nimmt ganz vorsichtig meine Hand in seine.
Als Fremder sollte ich meine Hand entziehen, aber durch das Tattoo an seinem Hals wird deutlich, dass er meinen Vater kennt.
Wieso ist er dann in Speyer, wenn er eigentlich neben meinem Vater sein sollte?

Seine Hand wandert nach hinten zu seinem Nacken und kurz darauf hält er die Kette mit dem RK in seiner Hand.
«Gib nicht auf.»
Ganz vorsichtig öffnet er meine Hand und legt seine Kette in meine offene Handfläche.
«Es ist schwer. Aber du wirst es schaffen. Dein Vater glaubt an dich. Er wird kommen, um dich und deine Mutter zu besuchen. Versprochen.»

Versprochen.
Er hat es mir versprochen, genau wie es mein Vater jedes Mal getan hatte, immer an meiner Seite zu sein.

@Caramel

@Caramel

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A/N:

Die nächsten sind wieder die Alten mit ein paar Abänderungen hehe.

𝐈𝐧 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐞𝐝𝐮𝐜𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt