5 - [Die Schwester]

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Ruby war sauer. Völlig aufgelöst zählte sie jede mögliche Situation auf, die hätte passieren können.

Ich war beeindruckt, wie aggressiv und gleichzeitig ruhig ihre Stimme doch blieb. Niemand in der Cafeteria bekam mit, wie sie mich ausschümpfte.

Die Klingel zum Unterricht ertönte. Schnell entfloh ich der Predigt von ihr. Ich verstand warum sie beunruhigt war, doch ich hatte gerade andere Probleme, als eine Fehlstunde auf dem Zeugnis.

Mein Problem war Ayla und meine Gefühle. Ich wusste nicht, was ich ihr gegenüber empfinden sollte.

Ich wusste nicht einmal, ob ich ihr noch, unter die Augen treten konnte.

Meine Gedanken drehten sich nur um sie. Ich war so in meinen Gedanken und Sorgen vertieft gewesen, dass ich nicht einmal bemerkte, wie ich in sie hinein lief.

Mein Herz fing an schneller zu schlagen, als sie begann mich an zu Lächeln.
,,Claire!" Trällerte Sie freudig auf. Ohne mich reagieren zu lassen, zog sie mich in eine Umarmung.
,,Wir können heute nichts machen. Ich habe etwas wichtiges zu tun" Jammerte sie deprimiert.

Ich war etwas enttäuscht und doch erleichtert. Ich war noch nicht bereit, mich meinen Gefühlen zu stellen. Geschweige denn, sie überhaupt zu verstehen.

***

Die Schule fand ihr Ende. Ich war allein. Ruby schrieb mir, dass sie etwas mit ihren neuen Freunden unternahm, und Ayla hatte etwas vor.

Egal in welche Richtung ich schaute, überall hingen Bilder der vermissten Kinder.

Vorher waren sie mir nie aufgefallen. Je mehr ich darüber nach dachte, umso größer wurde der Schauer, der meinem Rücken hinunter lief.

Überall wo diese Bilder hingen, sah es so aus, als würde die Farbe der Welt verblassen. Es war ein trauriger Anblick.

Ich bog in die Seitenstraße meines Hauses ab. Das Auto meiner Mutter stand in der Einfahrt.

Ich öffnete die Tür, nur um ein Zettel meiner Eltern vorzufinden. Sie wollten mir mitteilen, dass sie bis zum Abend, nicht mehr wiederkommen würden. Sie hatten wohl das Auto meines Vaters genommen.

Beunruhigt schloss ich alle Türen und Fenster ab. Ich informierte Ruby darüber, doch meine Nachricht wurde nicht gesendet.

Vielleicht hatte Ruby einfach nur schlechtes Internet? Versuchte ich mich selbst zu beruhigen.

Meine innere Unruhe fing langsam an, sich nach außen hin zu zeigen.

Ich lief in mein Zimmer und setzte mich, an meinen Schreibtisch. Ich fuhr meinen Laptop hoch und ging sofort auf die Webseite der Schule.

Ich öffnete das Schülerregister meiner Jahrgangsstufe.

Baker, Hannah
Newman, Jake
Reid, David
Smith, Adam
Stein, Carmen

So hießen sie offiziell mit vollem Namen.

Ich gab all ihre Namen, auf verschiedenen Internetseiten ein.

Fotos, Videos, Jahresrückblicke...alles war zu sehen. Keiner Ihrer Accounts war auf privat gestellt.

Hannah schien wohl die Natur zu mögen. Jake war wahrscheinlich im Football Team. David liebte seine zwei Hunde und Carmen ihre Freunde.

Nur Adam stieß heraus. Nur er hatte Bilder des Meeres gemacht. In einem seiner Bilder, stand eine undeutliche Silhouette, schwer erkennbar, im Hintergrund.

Die Art und Weise, wie diese Person dort stand, war beängstigend. Sie war gekrümmt und wirkte sauer.

Adam und Ayla waren zusammen, warum gab es also keine gemeinsamen Fotos?

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