Hermine stockte der Atem und ein eiskalter Schauer durchfuhr ihren gesamten Körper, als die Augen von Draco Malfoy die ihren fixierten. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, entfuhr ihren Lippen unweigerlich ein undefinierbarer Laut. Noch im selben Moment wurde ihr bewusst, dass sie wie ein verschrecktes hilfloses Reh wirken musste und sie konnte nicht zulassen, dass ihr erster Eindruck ein solcher war. Sie war die Person, die fortan für sein zukünftiges Leben verantwortlich war, also musste sie genau als diese auftreten. Professionell und selbstsicher.
Hermine straffte ihre Schultern und ging, mit selbstbewussten Schritten, auf den Tisch zu, an dem Draco Malfoy saß. Doch je näher sie der Gestalt kam, die sie dort erwartet hatte, umso mehr sah es aus, als würde ein vollkommen anderer Mensch an Dracos Stelle sitzen.
Es waren definitiv seine Augen. Sie würde sie unter Millionen anderer immer wieder erkennen. Doch von dem einst so gut aussehendem jungen Mann war weniger als eine Hülle übrig. Seine robusten Wangenknochen waren in sich zusammen gefallen und von dunklen Schatten umrandet. Auch seine Augen, wenn auch ohne jegliche Regung, waren von tiefen auberginefarbenen Ringen umgeben, dass man meinen könnte, er wäre in einem Boxkampf k.o. gegangen. Das strahlend weißblonde Haar hatte sich in ein grau verwandelt, das kaum einer zu beschreibenden Farbe glich. Um seine dünnen Handgelenke waren magische Ketten gelegt und sein einst so perfekte sitzender schwarzer Anzug war durch einen alten ausgeblichen Lumpen ersetzt worden. Hermine verschlug es die Sprache. Sie fand keine Worte, dabei brauchte sie diese doch jetzt so dringend.
Dracos Mund öffnete sich kaum, als nur eine Ahnung von Stimme über seine Lippen rauschte.
„Ich schätze dieses Bild muss dir richtig gut gefallen, oder Granger?" Er hustete trocken. Seine Stimmbänder schienen diese Überanstrengung nicht mehr zu kennen. „Muss doch die pure Genugtuung für dich und deine Freunde sein."
Wie lange musste er schon mit niemandem mehr gesprochen haben, fragte Hermine sich und vermisste das angewiderte Lächeln, welches eigentlich zu solch einer Aussage seinerseits gehörte. Hermine legte ihre Unterlagen auf der kalten Tischplatte ab und sah ihn unverwandt an. Sie wollte ihm sagen, wie ungerecht sie die Behandlung vieler Insassen von Askaban fand und wie leid ihr sein Schicksal tat. Sie wollte ihm sagen, dass sie wusste, dass er am Ende nichts Unrechtes getan hat und sie nicht vergessen hatte, dass er Harry beschützt hatte. Doch das durfte sie nicht. Sie musste Haltung bewahren und sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Sie holte Luft und begann:
„Guten Tag, Mister Malfoy. Wie Ihnen bereits bewusst ist, ist mein Name Hermine Granger und ich werde Sie bis zu ihrem abschließenden Prozess begleiten und vertreten. Um einen maximalen Erfolg zu erlangen, wäre es das beste, wenn sie kooperieren und so gewissenhaft wie nur möglich mit mir zusammenarbeiten. Sie haben das Recht auf die Einsicht in ihre Akte, um mir bei der Bearbeitung ihres Falles zu helfen." Hermine beendete ihren Satz und das raue Husten von Draco erhellte erneut den Raum.
„Das Recht auf Einsicht in meine Akte?", raunte er angewidert. „Was ist das, Granger? Hast du das auswendig gelernt, wie all deine Hogwarts-Schulbücher damals?"
Der Klang Dracos Stimme schien von den Wänden aufgesogen und dann direkt wieder zu ihr zurückgeworfen zu werden, damit jede einzelne raue Silbe sich auf ihre Ohren legen konnte. Hermine schluckte.
„Ich schlage vor Sie unterlassen, diese unnötigen Bemerkungen und werfen mit mir einen Blick in ihre Akte, es gibt einige Dinge, die mich interessieren und die ich aus den Schriften nicht ganz nachvoll ...".
„Ich brauche keinen Blick in diese Akten zu werfen, ich kenne mich und meine Geschichte ganz gut", unterbrach Draco sie. Die Worte zischte er ihr durch aufeinander gebissene Zähne zu. „Warum machst du dir überhaupt die Mühe, Granger? Lass mich wieder zurück in meine Zelle. Damit wäre uns beiden viel mehr geholfen." Seine Stimme brach ab. Die Dementoren hatten all seine Hoffnungen und den Kampftrieb von ihm genommen. Die Spur ihrer Dunkelheit umgab sein ganzes Wesen. Es war ein Abbild tiefster Verbitterung, der sich Hermine bot.
„Und hör auf, mich zu behandeln, als würden wir uns nicht kennen! Mister Malfoy. Pff!" Seine Stimme gewöhnte sich allmählich wieder an ihren Einsatz und Draco erreichte langsam wieder eine Lautstärke, die Hermine keine Konzentration bei der Aufnahme mehr abverlangte.
Hermine seufzte. „Draco, versuch doch wenigstens uns die Sache hier zu erleichtern. Ich möchte dir und deiner Familie wirklich helfen. Wenn wir eine gute Zusammenarbeit zustande bringen, kann ich versuchen, als Nächstes die Verteidigung für deine Mutter zu erlangen." Sie hatte sich entschieden, die Förmlichkeiten zu ignorieren und aufrichtig mit ihm zu kommunizieren.
„Wenn ich es mir hätte aussuchen können, wärst du nicht meine erste Wahl gewesen, aber ich hab nur diese eine Chance. Und die bist du. Wenn ich dich da rausbekomme, dann kann ich auch andere Fälle behandeln, aber ohne deine Zuarbeit schaffe ich das nicht und dann kann niemanden von euch geholfen werden."
Als sie aufblickte, um Draco anzusehen, erschrak sie. Als sie während ihrer Worte auf den Tisch gestarrt hatte, war ihr entgangen, wie nah er ihr gekommen war. Sein Gesicht war dem ihren so nahe, wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Er muss sich während sie gesprochen hatte aufgerichtet haben und war hellhörig geworden.
„Was hast du da gesagt? Du könntest meine Mutter vertreten? Du kannst sie da herausholen, ja?", zum ersten Mal seit langen durfte sie wieder ein Strahlen erhaschen, was so lange verschollen gewesen war. Seine Augen blitzen voller Erwartung auf und er schien etwas in den ihren zu suchen.
„Ich ...", begann Hermine. „Ich kann es nicht versprechen, Draco. Aber sollte ich deinen Fall gewinnen, wurde mir versichert, dass ich weitere ehemalige Todesser vertreten darf." Sie hatte ihn. Sie wusste, dass die Malfoys sich untereinander die wichtigsten waren und alles andere für sie egal war. Warum war sie da nicht gleich drauf gekommen?
„Schwöre es!", befahl er und seine Augen machten ihr unmissverständlich klar, dass es keinen anderen Weg gab, sein Vertrauen zu verlangen.
„Ich schwöre es. Ich werde Kingsley noch heute schreiben, dass wir tadellos vorankommen und ich als Nächstes an dem Fall Narzissa Malfoy interessiert bin." Hermine sah ihn unverwandt an, bis er sich in seinem Stuhl langsam wieder zurücklehnte.
„Also, wie lautet dein super Plan? Wie ich dich kenne, hat die fabelhafte Hexe doch schon genaue Vorstellungen, wie alles reibungslos ablaufen wird", spottete er.
Hermine rümpfte die Nase und hob ihre Augenbrauen.
„Erst einmal sollten wir dich wieder zu Kräften bekommen. So wird dich niemand ernst nehmen." Sie sah ihn fordernd an. Überzeugt davon, dass ihr kleiner Konter ihn getroffen hatte.
„Was? Weil ich genau so aussehe, wie das, wofür die Leute mich sowieso halten? Einen erbarmungslosen, dreckigen Todesser?" Seine Augen stachen in ihre und sie bereute ihr Bemerkung sofort.
„Wenn du dich in den nächsten Wochen gut machst, kann ich eine neue Zelle für dich anfordern. Die weg von den Dementoren liegt. Bei guter Führung ist das möglich. Und ich werde eine Eule nach Askaban senden, dass mir zu Ohren gekommen ist, dass die Insassen verhungern. Ich bin mir sicher, der Tagesprophet würde sich um eine solche Geschichte reißen." Mit diesen Worten stand sie aufnahm ihre Unterlagen und wandte sich noch einmal Malfoy zu.
„Du hattest recht. Einen solchen super Plan habe ich, fabelhafte Hexe schon." Und damit schritt sie erhobenen Hauptes zu Tür.
„Granger!", stoppte Draco sie, ehe sie dir Türklinke erreichte. „Meine Mutter!"
Sie blickte über ihre Schultern und nickte. Dann trat sie durch die schwere Holztür und ließ die eingesunkene Gestalt in der Dunkelheit zurück.
Hallo ihr Guten.
Findet ihr die Geschichte noch spannend? Ich persönlich mag dieses Kapitel super gern, da die erste Begegnung von Draco und Hermine für mich total wichtig war und ich nichts falsch machen wollte.
Ich hoffe ihr mögt sie auch so gern wie ich. Lasst mir doch gern ein Sternchen da oder gebt mir Feedback. Ich würde mich wahnsinnig darüber freuen.
Adieu 🦆
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Für mich warst du für immer
FanfictionDa war etwas zwischen ihnen, aber Hermine konnte beim besten Willen nicht erklären was. Es war nur ein leichter Hauch, der ihre Schicksale miteinander zu verbinden schien, oder ging er doch tiefer als ihr lieb war?