VIERUNDZWANZIG

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Yoongi war froh, sich Jimin an diesem Tag angeschlossen zu haben.

Sie hatten lange im Schatten eines großen Baumes auf der Wiese gesessen und sich die Wolken angesehen, wie sie über das Blau glitten, vom Winde geschoben, verformt und zerrissen. Wolkenfetzen.

Sie hatten sich unterhalten, über alles mögliche, und auch gemeinsam geschwiegen und den eigenen Gedanken nachgehangen.

Yoongi genoss die Ruhe, die so oft von Jimin ausging, die stille Kraft, die er nur bei ihm zeigte. Mit Seokjin und Jeongguk war er aufgeweckt, energetisch und überschwänglich, doch mit Yoongi war er oft still. Nicht ohne jedoch zu lächeln und den Körperkontakt zu dem anderen Katzenhybriden zu suchen.

Als sie nun aber auf dem Heimweg waren, spürte Yoongi, dass Jimin sich von einem Moment auf den nächsten anspannte, seine Hand fester ergriff und langsamer wurde.

Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, dass der Jüngere die Ohren leicht nach hinten gedreht hatte und sich kleiner machte.

"Yoongi", begann er zu sprechen, "lass uns einen kleinen Umweg nehmen."

Yoongi wollte nachhaken, doch das Zittern in Jimins Stimme und die Dringlichkeit ließ ihn stumm bleiben. Er nickte, doch es war zu spät.

"Jimin, unsere Prima-Ballerina! Wie ist es dir ergangen?"

Der Blonde verkrampfte sich regelrecht, richtete sich aber auf und Yoongi folgte seinem Blick.

Einige Meter entfernt kam ein Hybridpärchen auf sie zu, der breitschultrige Hundehybrid hatte nach Jimin gerufen. Die dunkelbraunen Ohren waren aufgestellt und das Grinsen war Yoongi etwas zu selbstgerecht, besonders wenn er die Reaktionen seines Freundes einbezog.

"Seochul. Hallo Mina."

Jimins Begrüßung wirkte kalt, die junge Frau bekam aber zumindest ein Nicken von ihm. Sie hatte Klappohren, die sie etwas zurück genommen hatte. Ganz wohl schien ihr nicht, doch sie lächelte mit leicht schief gelegtem Kopf.

"Es heißt, sie haben dich damals rausgeworfen. Da waren die Anforderungen für den Musterschüler wohl doch zu groß." Er lachte.

Yoongi spürte Jimin neben sich beben, seine Ohren hatten sich weiter zurückgelegt und sein Kiefer war angespannt. Jimins Schwanz streifte wiederholt Yoongis Hosenbein.

Der Ältere wusste nicht recht, wie er die Situation einschätzen sollte, doch er spürte eine tiefgehende Abneigung gegen den Kerl mit den augenscheinlichen Schäferhundgenen.

Sein eigenes Fell richtete sich langsam auf.
"Wir wissen beide, dass nicht stimmt, was man sich erzählt."

Jimins Stimme klang gefasst, doch Yoongi konnte seinen Geruch aufnehmen und der war völlig durcheinander. Der Jüngere war verärgert aber auch eingeschüchtert und eine schwer einzuordnende bittere Note legte sich auf Yoongis Zunge ab.

"Willst du etwa sagen, ich lüge?!" Seochul machte sich groß und ließ ein bedrohliches Knurren hören, seine Rute war starr nach oben gerichtet.

Yoongi hörte Jimins Wimmern und spürte ein Stechen an seiner Taille, als er sich ohne zu zögern vor den Jüngeren schob und sich duckte, bereit loszuspringen.

Er fauchte und legte die Ohren zurück, sein Schwanz schwang mit aufgestelltem Pelz umher.

Er war vollkommen auf den männlichen Hundehybrid fokussiert, beobachtete jede kleine Regung.

"Und wer bist du?", fragte Seochul mit hochgezogener Augenbraue, das Knurren war abgeebbt.

"Jemand, der dir davon abrät, auf offener Straße einen Kampf anzuzetteln."

Als der andere belustigt prustete, deutete Yoongi mit seinem Kinn auf die andere Straßenseite, auf der gerade ein Parkwächter auf sie aufmerksam geworden war.

Keiner von ihnen ließ die Drohgebärden fallen. Yoongi spürte noch immer Jimins Krallen in seiner Haut und die Wärme, die von ihm ausging, weil er sich dicht an ihn presste.

"Lass gut sein, bitte."

Einen kurzen Seitenblick warf Yoongi auf die Begleitung des Fremden, sie hatte ihre Hand an seinen Arm gelegt und schaute besorgt zu dem Wächter rüber.

Schließlich machte Seochul ein verächtliches Geräusch und wandte sich langsam ab. "Er ist den Ärger eh nicht wert", hörte Yoongi ihn noch murmeln.

Er widerstand dem Drang, selbst noch ein Knurren hinterher zu setzen.

Als sie weit genug weg waren, griff Yoongi hinter sich, um sanft Jimins Krallen zu lösen, eine blieb etwas hängen. Dann drehte er sich um und zog den zitternden Hybriden in seine Arme.

Jimins Schwanz hing kraftlos nach unten, das Fell hatte sich noch nicht gelegt. Yoongi hingegen war noch so verärgert, sein Schwanz peitschte förmlich hinter seinem Rücken umher. Er bemühte sich, ruhig zu atmen und Jimin die Sicherheit zu bieten, die er gerade suchte, doch er wusste nicht recht, was er sagen sollte.

Yoongi strich in gleichmäßigen Bewegungen von Jimins Nacken bis zu seinem unteren Rücken und wieder hoch. Schließlich spürte er ein bebendes Ausatmen des Jüngeren und ein kaum hörbares Wimmern an seiner Schulter.

"Sie sind weg. Lass uns heim gehen, ja?"

Leise ließ Yoongi ein Schnurren durch seinen Brustkorb rumpeln, um Jimin etwas zu beruhigen.

Der Jüngere nickte leicht und holte tief Luft, bevor er sich von Yoongi löste. Er schaute nur zu Boden und ließ seine Haare seine Augen verdecken.

Yoongi legte seinen Arm um Jimins Schultern, als sie langsam zurück zu Seokjins Wohnung gingen.

Die Energie verließ nach und nach seinen Körper und er beruhigte sich, doch er versprach sich selbst, Jimin wieder zum Lächeln zu bringen.

-

Als Yoongi wenig später mit zwei Tassen Tee in der Hand ins Wohnzimmer trat, roch er bereits den säuerlichen Geruch. Jimin hatte sich nicht beruhigen können.

Er saß in einer Decke eingewickelt auf dem Sofa und starrte vor sich hin. Er hatte noch nicht einmal das Halsband abgenommen. Das machte Yoongi immer als erstes, wenn sie vom Spaziergang zurück kamen.

Yoongi lächelte leicht und stellte die Getränke auf dem Tisch ab, bevor er Jimins Bein tätschelte.

"Darf ich?" Yoongi deutete auf Jimins Hals und der Jüngere nickte.

Bedacht nahm der Katzenhybrid das Halsband seines Freundes ab und legte es neben die Getränke, bevor er eine Tasse Jimin gab.

"Wenn du dir heiße Schokolade erhofft hast, muss ich dich enttäuschen."

Jimin neigte den Kopf, schnupperte am heißen Tee und ließ dann die Schultern entspannt sinken.

Yoongi hatte schon häufiger beobachtet, dass Jimin Kamillentee trank, wenn er aufgebracht war.

"Danke."

Yoongi nahm seine eigene Tasse und rutschte nah an den anderen heran, die Decke war an seine Seite gepresst. Dann wartete er.

"Ich will nicht drüber reden."

Jimin hatte den Kopf eingezogen und biss sich auf die Unterlippe, seine Ohren zuckten leicht.

Yoongi nickte und machte ein beruhigendes Geräusch.

"Was brauchst du gerade?"

Jimin legte den Kopf schief und lehnte sich dann gegen den Älteren.

"Kuscheln?"

Yoongi nickte und stellte seine Tasse weg, bevor er seine Arme um Jimin schlang und ihn fest an sich drückte.

"Das kannst du haben!" Er wiegte sie beide hin und her und grinste, als er dem Jüngeren damit ein Kichern entlockte.

"Ich bin froh, dass du da warst."

Jimins Stimme war leise, doch aus seinem Brustkorb drang ein deutliches Vibrieren, er schnurrte und schmiegte sich noch etwas näher an Yoongi.

Ihre Anspannung legte sich und Jimin atmete tief durch.

Yoongi begann leise, ebenfalls zu schnurren.

So musste es sich anfühlen, eine Familie zu haben.

Der Dritte Hybrid // YoonJinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt