ACHTZEHN

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Yoongi starrte Seokjin an. Er wollte sich weigern. Er wollte es wirklich. Doch dieser Blick, diese glänzenden, braunen Augen. Er vertraute ihm.

Langsam reichte er Seokjin die Tasse, er hatte zumindest ein paar Schluck zwischendurch getrunken, und zog dann die schützende Decke runter, bis sein Oberkörper nur noch vom Pyjama bedeckt war. Dicht an seine rechte Seite gedrängt hockte Jeongguk und links saß Jimin und strich ihm sachte durch die Haare. Es war beruhigend.

Vorsichtig schob er den Hosenbund ein wenig nach unten und horchte in sich hinein, ob er noch Schmerzen spürte, doch zu seiner Erleichterung war da nur dumpfe Betäubung. Er zog das Oberteil hoch, sodass sein Bauch und damit die große Narbe zu sehen war. Er konnte hören, wie Jimin die Luft einsog und inne hielt.

Yoongi legte die Ohren zurück. Sein Unterbauch war deutlich angeschwollen. Irgendwas konnte einfach nicht stimmen. Als Seokjin ihn berühren wollte, schloss der Katzenhybrid die Augen und hielt die Luft an. Neben sich vernahm er ein tiefes Knurren.

Überrascht sah er wieder auf. Seokjins Hand hing ein paar Zentimeter über Yoongis Haut in der Luft und der Blick des Ältesten war auf Jeongguk gerichtet, der ihn mit großen Augen und dicht an den Kopf gepressten Ohren anknurrte. Seine Rute war zwischen seine Schenkel gedrängt.

Niemand rührte sich, bis Jimin über Yoongi hinweg Jeonggukies Wange streichelte und damit sein nervöses Knurren unterbrach.

"Ähm", Yoongi räusperte sich und rutschte unruhig umher, bis er den Blick senkte. "Ist schon gut. Du kannst die Narbe berühren. Aber sei vorsichtig." Das letzte war kaum noch richtig ausgesprochen.

"Yoongi. Ich werde dir nicht weh tun. Ich verspreche es dir."

Der Hybrid nickte und lächelte leicht. "Jeonggukie wird mich verteidigen, nimm dich in acht." Dann schaute er auf und sah ein Schmunzeln auf den Lippen des besorgten Mannes. Yoongi strich kurz über den Oberschenkel des beschützerischen Hundehybriden und hielt dann sein Oberteil wieder oben. Sein Herz schlug schneller, als Seokjin sich näherte.

Er war wirklich vorsichtig. Er berührte das halbwegs verheilte Fleisch nur mit den Fingerspitzen und legte sanft seine Handfläche auf die Schwellung, welche sich unter der Narbe und dann zu seinem Bauchnabel hin ausbreitete. Er strahlte Wärme aus.

Als er seine Hand wieder wegnahm, atmete Yoongi auf und spürte, wie auch von Jimin und Jeongguk ein wenig Anspannung abfiel. Die beiden hatten ihn inzwischen als Mitbewohner wohl völlig angenommen.

"Ich möchte, dass sich ein richtiger Mediziner das ansieht, Yoongi. Was hälst du davon?"

Im ersten Moment knirschte der Schwarzhaarige mit den Zähnen, doch dann sah er irritiert auf. Er war nach seiner Meinung gefragt worden.

"Und ich meine einen Spezialisten, der Erfahrung mit Hybriden und euren körperlichen Besonderheiten hat", setzte der Älteste hinterher.

Einen Augenblick starrte Yoongi noch auf seinen weißen Bauch, der von der Narbe abgesehen beinahe aussah, als wäre er tragend. Schwanger. Doch das war nicht mehr möglich. Ruckartig zog Yoogi den Stoff runter und zog die Decke wieder hoch, bis unter sein Kinn.

"Ja. Ich fürchte, das wird nötig sein."

Seine Stimme klang kratzig und er wollte sich einfach nur zusammenrollen und schlafen.

Fürsorglich reichte Jimin ihm erneut den Tee und beugte sich über ihn, um seine Stirn zum wiederholten Male an Yoongis Hals zu reiben und dabei seinen Geruch zu hinterlassen.

"Dann werde ich gleich morgen früh einen alten Freund von mir anrufen. Er ist verlässlich und kann sehr gut mit Menschen umgehen. Bei ihm wirst du dich gut aufgehoben fühlen."

Der Gedanke machte Yoongi Angst. Seine Finger umfassten die Tasse fester und er sah Seokjin in die Augen.

"Ich soll allein zu ihm?"

Jeongguk umklammerte seinen Arm und schüttelte den Kopf. Seine Rute war noch immer eingezogen, doch er schaute mit vorgeschobener Unterlippe zu Yoongi auf.

"Seokjinnie lässt dich nicht allein! Jedenfalls nicht, solang du ihn bei dir aushältst."

Unsicher wanderte Yoongis Blick zwischen den beiden hin und her und er umklammerte den Rand seiner Decke mit einer Hand fester.

"Ich werde mitkommen, wenn du das möchtest. Oder Jimin und Jeongguk. Wir sind für dich da."

Yoongis Augen brannten, als er den Älteren betrachtete, seine besorgten Züge wahrnahm und das beruhigende Lächeln. Den blau gestreiften Pyjama mit den weißen Alpakas darauf und die verwuschelten Haare. Seine Hand, die auf der Decke über Yoongis Knie ruhte, war von roten Kratzern gezeichnet.

Sie alle passten auf ihn auf. Bevor er in Tränen ausbrach, zog er die Beine noch weiter an seine Brust und versteckte sein Gesicht im weichen Stoff. So viel Aufmerksamkeit und Mitgefühl hatte er nicht erwartet und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.

Er schluchzte nicht, aber hin und wieder brach ein leises Wimmern aus ihm hervor. Er spürte die Wärme um sich herum, fühlte die Zuneigung der anderen. Er fühlte sich zu Hause.

Sie strichen über seinen verschwitzten Rücken, rieben sich an seinen Armen, seinem Nacken, markierten ihn mit ihrem Duft. Jimin schnurrte und Jeongguks Rute klopfte leicht, aber regelmäßig gegen die Sofalehne. Und Seokjin berührte durch die Decke hindurch noch immer sein Bein. Keiner von ihnen drängte ihn, sich weiter zu öffnen, noch mehr zu sagen, oder sich ihnen zuzuwenden. Sie waren für ihn da und sorgten sich um ihn.

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Noch bevor die Sonne richtig aufgegangen war, bereitete Seokjin in der Küche das Frühstück vor und begann dann, die Wäsche zu sortieren und zu waschen. Er hatte keine Ruhe finden können. Als er wieder ins Wohnzimmer kam, betrachtete er einen Moment die Hybriden.

Yoongi hatte die Beine an den Körper gezogen und lag auf der Seite, seinen Kopf auf dem Schoß von Jeongguk gebettet, während Jimin die andere Seite der Couch einnahm. Der Jüngste blinzelte Seokjin erschöpft an, eines der Hundeohren zuckte. Er saß aufrecht, den Kopf zurückgelehnt und die Hand in den schwarzen Haaren Yoongis verborgen.

Seokjin ging zu ihnen hinüber und strich Jeongguk ein paar braune Strähnen aus der Stirn. Er lächelte sanft, bevor er einen Kuss auf sein Haar setzte.

"Ruht euch noch etwas aus, ich werde jetzt anrufen."

Der Hundehybrid blinzelte und gähnte dann mit weitaufgerissenem Mund, die spitzen Eckzähne blitzten auf.

Der Älteste ging in sein Zimmer, um den Anruf zu erledigen. Die Sorge um sein neustes Familienmitglied wurde mit den Anweisungen des Arztes immer größer.

Das Frühstück würde warten müssen.

Der Dritte Hybrid // YoonJinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt