Ich hatte sie mehr als nur einmal angerufen, habe aber lediglich ihre Mailbox dranbekommen. Irgendwann hatte ich es dann aufgegeben, mein Handy auf Seite gelegt und mich mit anderen Dingen beschäftigt, bis ich mein Fernsehr angeschaltet hatte. Es waren in etwa 17:53 Uhr gewesen, als meine Serie, welche ich geguckt hatte, wegen einer Sondermeldung unterbrochen wurde. Die Sanitäterin, welche in etwa in meinem Alter war, ging darauf ein, dass eine Wanderin einen schwerwiegenden Unfall gemeldete hatte. Natürlich ging ich nicht davon aus, dass es sich dabei um meine Freundin handelte und es wurde auch nicht gleich bestätigt. Aber ich wusste es bereits, als der Ort genannt wurde, versuchte dennoch an einen Zufall zu glauben. Ich schaltete also einfach ab und versuchte erneut, meine Freundin zu erreichen, doch wieder ging keiner ran. Alles in mir sträubte sich dagegen, zu glauben, dass sie Tod war. Allerdings bekam ich an diesem Tag keine Antworten. Obwohl ich es merkwürdig fand, ging ich schlafen, in der Hoffnung, dass ich am nächsten Tag eine Nachricht bekommen würde.
Dem war aber nicht so. Am nächsten Tag, gegen Mittag, ging erneut eine Sondermeldung ein. "(...), es ist ein wirklich tragischer Fall. (...) Sie war erst 17 Jahre jung, es handelt sich wohl um Emma Krämer". Ich erstarrte, war zu keiner Bewegung fähig, stand einfach nur da. Es traf mich mitten ins Herz und obwohl ich am liebsten losgeschrien hätte, verließ kein einziger Laut, meinen Mund. Das einzige was ich merkte, war, dass mein Herz brach. Der Schmerz war unbekannt, schlimm. Meine schlimmste Befürchtung hatte sich bewahrheitet, meine Freundin hatte sich das Leben genommen. Und wieso? Weil ich nicht da gewesen bin, um sie zu halten und ihr zu sagen, dass alles gut werden wird. Mich überrollte die Erkenntnis, aber trotzdem rührte sich nichts in mir. Es war, als hätte man mir mit einem mal alle meine Emotionen genommen, als hätte man mir etwas meiner Seele genommen. Kein Gefühl war schlimmer, als diese intensive Leere, sie war unerträglich. Ich hatte versagt. Mit dieser Erkenntnis konnte ich genauso wenig umgehen, weshalb ich weiterhin zu meiner Therapeutin ging, um es irgendwie zu überwinden. Es half mir zwar, machte das ganze aber nicht erträglicher, denn sie war nunmal weg. Keinen Menschen hatte ich jemals so nah an mich rangelassen, wie sie und wozu? Die Vorwürfe waren dadurch unglaublich stark und für eine kurze Zeit, zweifelte ich, ob mein Leben überhaupt noch was wert sei. Wir waren nicht lange zusammen gewesen, aber ich hatte sie geliebt, tue es zweifellos immernoch. Es war eine der schlimmsten Zeiten, meines Lebens und zu Anfang wusste nicht, ob ich diese wirklich überlegen könnte.
Heute, knapp sechs Monate, nachdem sie von uns gegangen war, weiß ich es besser. Ich habe alles getan, mehr als das, aber anscheinend hat es nicht gereicht. Es mag sein, dass meine fehlende Anwesenheit der ausschlaggebende Punkt war, aber sie hatte Probleme, das war kein Geheimnis. Es schmerzt mich sicherlich immernoch, aber nun gebe ich mir nicht mehr die Schuld dafür, schließlich ist sie der Herr, ihres Handelns. Sie hat sich bewusst gegen das Leben entschieden, wenn auch wegen ihrer Krankheit, aber sie war letztendlich nicht gewollt, es besser zu machen. Jahre vor ihr, wollte ich mein Leben auch beenden, aber ich bin stark geblieben, habe daran geglaubt, dass die Sonne wieder aufgehen wird. Und das tat sie. Zwar geht diese auch immer wieder unter, aber der Sonnenaufgang ist damit umso schöner. Ich habe in den letzten sechs Monaten viel durchmachen müssen, wegen der Entscheidung, meiner Freundin. Nachdem ich mich nicht mehr gefragt habe, was ich falsch gemacht habe, ging es mir besser. Dafür frage ich mich aber heute noch: War es denn wirklich Liebe? Konnte ein kaputter Mensch einen überhaupt richtig lieben oder war ich nur ihr Pflaster gewesen? Ich für meinen Teil, hatte erst gelernt zu lieben, als ich mental soweit stabil war, als ich mich lieben gelernt habe. Möglicherweise war es genau das, was sie nicht hatte halten können. Egal wie schön meine Anwesenheit war, es war eben nur Ablenkung. Natürlich zweifel ich in keinster Weise daran, dass sie ernsthafte Gefühle für mich hatte, aber ich konnte sie nicht dauerhaft glücklich machen. Eigentlich musste ich das auch gar nicht, da sie Medikamente bekommen hatte und dazu eine gute Therapeutin, aber sie hat dies bewusst abgelehnt, bevor sie sich das Leben genommen hat. Ich wünsche mir dennoch, dass ich mehr hätte tun können. Jede Nacht träume ich von dem Tag, an welchem ich die Nachricht gehört habe und es macht mich mental fertig. Sie war nicht nur meine Freundin, sondern auch noch sehr jung und hatte ihr ganzes Leben vor sich. Es gab noch so viele Dinge, die sich nicht erleben durfte: Ihren Abiball, ihr Studium, ihre Hochzeit, ihre erste Schwangerschaft, und und und. Ich weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt, wenn einem alles sinnlos erscheint und das ist das schlimme. Es gibt körperliche Krankheiten, die sehr schlimm sind, aber man sieht sie. Wenn eine Person an Depressionen leidet, kann man nie wissen, wie es dieser wirklich geht. Vielleicht war Emma gar nicht so glücklich gewesen, wie ich gedachte hatte. Was war passiert, dass ihr von einem auf den anderen Tag, alles so sinnlos schien? War denn überhaupt etwas vorgefallen? Ich weiß es bis heute nicht.
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She's gone | Jane Clarke & Emma Krämer {2}
De TodoJane Clarke und Emma Krämer hatten eine ziemliche komplizierte Beziehung zueinander. Jane, war ihre Lehrerin gewesen und hatte es geschafft, ihrer Schülerin zu helfen und diese ein ganzes Stück weiterzubringen. Sie hatte sich in die jüngere verliebt...