Kapitel 2: Wie es heute ist

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Trotz des Suizids meiner Schülerin, habe ich die Schule gewechselt, obwohl ich mich kurzfristig krank melden musste. Ich konnte länger nicht arbeiten gehen, da ich dazu mental nicht in der Lage gewesen bin. Als ich nach ein paar Wochen bereit war, um meiner Arbeit wieder nachzugehen, war es ein merkwürdiges Gefühl. Natürlich wäre Emma ohnehin nicht mehr einer meiner Schülerinnen gewesen, aber schließlich hatte ich nur für sie, die neue Stelle angetreten. Ich mochte meine alte Stelle, trotzdem fühle ich mich auch jetzt wohl. Möglicherweise wäre es auch nicht gut, wenn ich noch auf der alten unterrichten würde, da mich jeder Winkel an meine Freundin erinnern würde. Jedes Mal hätte ich daran denken müssen, wie gerne ich mein Leben mit ihr verbracht hätte und viele andere Dinge. Zwar war sie jünger, aber das spielte für mich keine Rolle und für sie anscheinend auch nicht. Durch ihren Tod, hat sich einiges verändert. Ich fühle mich fremd in meinem Körper, in meinem eigenen Leben. Auch wenn ich mit ihr eine schöne Zeit hatte, wünschte ich mir nun, dass ich sie nicht kennengelernt hätte. Ich schäme mich, sowas zu denken, aber es hätte mir einiges an Schmerz erspart. Könnte ich mich heute entscheiden, ob ich das Geschehene rückgängig machen könnte, würde ich es tun. Egal wie glücklich ich war, sie hatte mir mein Lächeln genommen und meine Hoffnung. Ich weiß nicht einmal, ob ich jemals wieder einen Menschen so sehr lieben könnte. Sie hat mich Herz gestohlen, ohne es mir zurückzugeben. Hätte sie dich wenigstens eine Nachricht hinterlassen, irgendetwas. Das würde es mir und auch ihren Eltern einfacher machen. Tatsächlich habe ich nämlich, seit etwa 4 Monaten, Kontakt zu ihre Mutter. Wir haben viele, lange und intensive Gespräche geführt. Größtenteils über Emma, aber mittlerweile eher weniger, da es nicht unser Lieblingsthema ist. Wir haben es beide, mehr oder weniger, gemeinsam akzeptieren können. Ich würde schon fast sagen, dass wir, durch Emmas Suizid, eine Freunschaft aufgebaut haben. Tatsächlich machen wir noch immer ab und zu etwas zusammen, gehen in Clubs und solche Sachen. Anfangs wollte ich garnicht, dass wir so uns so nahe kommen, aber ich konnte es nicht wirklich verhindern. Sie war für mich da und ich für sie, schließlich standen wir beide alleine da.

Heute ist wieder so ein Tag, an dem ich Emma sehr vermisse. Die Sonne strahlt, es ist relativ warm. Ein Tag, den ich gerne mit ihr teilen würde. Da das allerdings nicht möglich ist, schreibe ich einen Brief, wie ich es immer dann getan habe, wenn die Trauer zu stark wurde und tatsächlich hilft es mir.

Liebe Emma,

Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich heute vermisse? Es ist ein sonniger Tag, welcher einfach gute Laune macht. Ich weiß, dass auch du das so sehen würdest, schließlich hast du solche Tage geliebt. Seitdem du weg bist, schätze ich Tage wie diese viel mehr, weil sie mich an dich erinnern. Ich schaue hoch in den Himmel und habe die Hoffnung, dass du mir beim schreiben zu siehst. Wenn ich mal nichts tue und ganz leise bin, habe ich das Gefühl, dass du bei mir bist. Zwar sehe ich dich natürlich nicht, aber ich fühle dich. Ich liebe dich!

Jane

Meist sind es nur so kurze, wie dieser, jedoch waren diese zu Anfang länger und vorallem komplexer. Den Tipp habe ich tatsächlich von meiner Therapeutin erhalten, um das ganze besser zu verarbeiten. Sie meinte, dass es mir zwar keine Antworten bringt, aber es wirkt zumindest so, als würde ich meine Fragen endlich endlich können. Und dem war auch so. Keiner würde diese Briefe je lesen, denn sie sind leidlich an Emma gerichtet. Damit erhoffe ich mir aber auch, dass ich irgendwann wieder bereit bin, ohne sie weiterzuleben und einem anderen Menschen, mein Herz zu schenken. Ich bin nämlich keiner von denen, die denken, sie würden nicht mehr glücklich werden. Zwar fühlt es sich surreal an, aber ich werde wieder glücklich sein, das weiß ich. Daran sollte der Tod mich nicht hindern, das hätte sie nicht gewollt. Sie meinte selbst, dass sie wollte, dass ich glücklich bin. Alleine das half mir, stark zu bleiben, für sie. Es hätte niemanden etwas gebracht, wenn ich aufgegeben hätte, egal wie sehr ich es gewollt habe. 

She's gone | Jane Clarke & Emma Krämer {2}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt