Kapitel 2

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Sonnenstrahlen vielen auf den Laminat des Cafés. Keine Menschenseele war anwesend. Früh am Morgen findet kaum einer den Weg hierher. Selbst mein Vater ist gerade abwesend. Neue Zutaten müssen eingekauft werden und das macht er am liebsten an einem Montag, um an diesem Tag keine schlecht gelaunte Kundschaft bedienen zu müssen. Ich erhob mich vom Stuhl hinter der Theke. Meine Knie knackten und meine Schultern fühlten sich schwer an. Eine ungeheure Last liegt auf mir und lässt nicht von mir ab, wie ein dunkles Ungeheuer, das nach meiner Lebenskraft dürstet. Davon sollte ich aber nicht mein Handeln abhängig machen, sowas ist nicht angebracht und auch nicht tolerierbar.
  Ich holte aus einem Schrank eine Gießkanne und fühlte sie mit Wasser. Wenn ich meine Augen schließe und wirklich mich bemühe, kann ich die riesige Mauer überwinden und in mein altes selbst schauen. Damals im Sommercamp meines Clubs, wo Wasserhahne aufgerissen wurden, um sich selbst abzukühlen nach anstrengenden Stunden in der Halle. Diese Zeit klingt idyllisch wie eine Fantasie. Unglücklicherweise liegt vor mir nicht jener Tag, sondern ein öder Ort in meiner Trostlosigkeit. Dieses durchsichtige Gold ist auch nicht für mich bestimmt, sondern für die blühenden Geschöpfe in diesem Laden. Mit schnellen Schritten begab ich mich zu einem Fensterbrett auf welche Orchideen standen. Sie recken sich in Richtung Sonne, um ihr Licht aufzufangen. Es ist eine einseitige Liebe, dank der sie wachsen. Wieso funktionierte das bei mir nicht? Sie sind wunderschöne Pflanzen, elegant und ansehnlich. Ihre Perfektion an mir hätte so viele Türen damals geöffnet, doch es passierte nicht. Natürlich nicht, schließlich war ich ein niemand. Es hatte lange gedauert bis ich irgendwie zu etwas wurde.
  Ich beobachtete fokussiert wie das Wasser in die Erde sickerte, doch dann gaben Glöckchen ihren Ton ab. Die Tür wurde geöffnet. Erschrocken drehte ich mich um und dann sauste eine unbeschreibliche Gänsehaut über meinen Körper. Gold-braune Augen analysierten das Lokal, ehe sie auf mir hängen blieben. Mein Körper brannte, jedoch bewegte er sich automatisch und begrüßte den Gast. Wahrscheinlich sah man mir meine Angst an. Er ließ von mir ab. Mit Grazie nahm er seinen braunen Mantel ab und hing es an einen Haken. Er richtete seinen weißen Pullover, bevor er sich auf einen Stuhl an Tisch drei niederließ. Diese so unwichtigen Kleinigkeiten waren bei ihm wie ein Tanz. Er zog mich in seinen Bann. Seine langen Finger nahmen die Karte zur Hand und schlugen sie auf. Seine Augen suchten jede Zeile ab und währenddessen holte er aus seiner Tasche ein kleines Buch. Jede Bewegung von ihm war reinste Perfektion.
Als er reinkam hüllte seine Aura dieses Café in ein anderes Licht und das schaffte nur ein Mensch. Ich erkannte ihn sofort. Natürlich, man kann niemals seine erste Liebe vergessen.

Tadashi, lass ihn los.
Er ist nur ein Kunde.
Tadashi, er hat dich nicht erkannt.
Er ist nun ein Fremder.

Ihr seid wieder Fremde, doch diesmal mit Erinnerungen, die er nicht mit dir verbindet.

Ich schluckte ein Kloss runter und brachte die Gießkanne an ihren rechtmäßigen Platz zurück. Man vertraut mir heute den Laden an. Ich kann es mir nicht leisten, heute meine Maske zu verlieren. Du bist nicht der junge Yamaguchi, der einer hoffnungslosen Zukunft hinterherläuft. Du bist alt genug. Ich atmete tief durch.

„Guten Morgen, was ist ihre Bestellung?" Kaffee und Erdbeerkuchen, wie ich dich kenne, Tsukki. Der Blonde fuhr noch einmal die Zeilen nach, ehe er mir ins Gesicht blickte. Seine Agen waren wie verschleiert, doch ich erkannte noch das strahlende Gold. Er sieht erwachsener aus, verständlich schließlich sind Jahre vergangen. Zwar erkenne ich es nicht gut, weil er sitzt, aber bestimmt ist er auch gewachsen. Tsukishima ist jetzt wirklich Volleyballer in Sendai geworden, worauf ich stolz bin, das erkennt man an seinem Körperbau gut. Tadashi, stopp! Sei nicht wieder so vernarrt. „Ich würde den Erdbeerkuchen und einen grünen Tee. Ist der Kuchen hausgemacht, wenn ich fragen darf?" Die Frage verblüffte mich. „Natürlich, unsere Kuchen werden jeden Tag frisch gebacken. Warten sie einen Augenblick und ich bringe ihnen ihre Bestellung." Es fällt mir wirklich schwer ihn zu siezen und erst recht nicht persönlich anzusprechen. Ich will eigentlich alles über sein Leben wissen. Ihn ausfragen und neu kennenlernen. Ob er noch Kontakt zum Rest hat? Hat sich der Kontakt mit seinem Bruder verbesserte? Besitzt er noch immer seine Dino Modelle? So viele Fragen und keine Antwort. Aber ich muss mir wieder bewusstwerden, dass ich nichts weiter als ein unbedeutender Mensch neben ihm bin. In seiner Mimik habe ich gesehen, dass er mich wirklich nicht erkennt, das hätte ich mir schon denken können. Das war ja auch mein Plan. Ich wollte jemand neues sein und ich schaffte es. Allerdings sehe ich mich gerade nach ihm, obgleich ich wegen ihm mein Ich verlor. Dieser Mensch ist das schönste Gemälde und das tiefgründigste Buch. Er ist anziehender als jede Gabe der Welt.

Leider muss ich sagen, dass diese Schmetterlinge im Bauch nicht auftraten und dass mein Herz keine Freudesprünge machte. Auch wenn ich mich sehne, habe ich Angst und dieses Gefühl baut gerade einen Abstand zu meinem Kunden auf. Tadashi, halte Distanz und bleibe gefälligst Watanabe.

Der grüne Tee floss wie ein kleiner Wasserfall in die Keramiktasse. Der Kuchen lag schon auf dem Teller. Es ist mein Lieblingsgebäck, wenn es ums backen geht. Es lässt mich auf Wolken schweben, wenn er Geschmack sich auf meiner Zunge ausbreitet. Mit Behutsamkeit nahm ich beides in die Hand und begab mich zu dem Gast meines Herzens. „Hier ist ihre Bestellung." Er schaute von seinem Buch auf und richtete dann sein Blick auf das Essen. Er begutachtete es eindringlich. „Vielen Dank", dann wandte er sich ab. Du hast dich nicht verändert, erfreulich. Wieder begab ich mich zurück hinter die Theke.

Ich erinnere mich noch als wäre es gestern gewesen. Damals hatte ich Tsukishima seit einem Jahr nicht gesehen. Trauer sammelte sich in mir und ließ mich fast ersticken. Ich wollte, dass wir uns wiedersehen. Es hätte Schicksal werden sollen. Ich wusste nicht, wann es geschehen soll und wo, doch ich wollte, dass es ein sonniger Tag ist.
  Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Nach vier Jahren fanden wir uns in einem Café wieder. Die Sonne scheint in den Raum rein und du nippst an der Tasse Kaffee, welche ich dir serviert hab. Du bist friedlich und fokussiert, ruhig und elegant.

Tsukishima, ich würde gerne sagen, dass du noch immer ein Meisterwerk bist.

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